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Nr. 145 Ministerrat, Wien, 15. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 16. 8.), Krauß 16. 8., Bach 18. 8., Schmerling 18. 8., Thinnfeld 16. 8., Thun, Kulmer 16. 8.; abw. Stadion, Gyulai, Bruck.

MRZ. 2791 – KZ. 2354 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 15. August 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Sardinische Kriegsentschädigung

Nach dem neuesten Berichte des Ministers v. Bruck hat dessen Versuch, die zur Kriegsentschädigung bedungenen sardinischen Inskriptionen nur zum laufenden Kurse à 75% zu übernehmen, die Verwerfung der im Ministerrate vom 3. August 1849 sub Nr. I vorgetragenen diesfälligen Zahlungsmodalitäten von Seite der sardinischen Regierung und deren Rückkehr zu der ursprünglichen Proposition zur Folge gehabt, wornach ein Teil der Kriegsentschädigung Ende September bar, der Rest aber in ratenweise zu realisierenden Inskriptionen erlegt werden soll1.

Der Finanzminister äußerte sein Bedauern über diese Wendung der Angelegenheit, wodurch der österreichischen Regierung die im Ministerrate vom 3. d. [M.] besprochenen Vorteile entgehen. Insofern es noch möglich wäre, wieder auf diese günstigere Stipulation zurückzukommen, erachtete der Finanzminister, daß dem Minister Bruck die entsprechende Weisung zu erteilen sein würde, zu welchem Ende er, Finanzminister, den Entwurf dem Ministerpräsidenten überreichte2.

Letzterer las zugleich das Schreiben an v. Bruck, worin dieser mit Hinweisung auf die Konstitution von Sardinien aufmerksam gemacht wird, die Ratifikation des Friedenstraktats nicht eher auszuwechseln, bis er nicht der Annahme der Friedensstipulationen von Seite der sardinischen Kammern oder deren Auflösung versichert wäre; wobei nur der Justizminister bemerkte, daß Österreich, zum Abschlusse des Friedens mit den sardinischen Bevollmächtigten berechtigt, nichts dabei wage, wenn auch die sardinischen Kammern ihre Zustimmung zu den das Land belastenden Friedensbedingnissen nicht erteilen sollten3.

II. Nachrichten vom ungarischen Kriegsschauplatz

Der Ministerpräsident teilte die neuesten Nachrichten aus Warschau mit, wornach das 3. russische Armeekorps Großwardein ohne Schwertstreich besetzt und sich nach erhaltener Verstärkung gegen Arad in Bewegung gesetzt hat4. Weiters ein Schreiben des Feldmarschall Fürsten Paskiewitsch, daß er einen Versuch Görgeys, mit ihm wegen der Unterwerfung zu unterhandeln, ab- und ihn damit an seine gesetzmäßige Autorität gewiesen, zugleich auch den FZM. Baron Haynau hiervon in die Kenntnis gesetzt habe, wofür dem Feldmarschall in einem sehr verbindlichen Antwortschreiben des Ministerpräsidenten gedankt wird5.

Von Seite des Ministers des Inneren wurde bei diesem Anlasse die Idee angedeutet, daß Baron Haynau vielleicht ermächtigt werden könnte, in solche Unterhandlungen einzugehen6.

III. Schreiben des Sardenkönigs an Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky v. Radetz

Weiters teilte der Ministerpräsident den Inhalt eines Schreibens des Königs von Sardinien an den Feldmarschall Grafen Radetzky mit, worin für die kompromittierten Lombarden um schonendes Verfahren gebeten wird7.

IV. Nachrichten aus Serbien

Nach Mitteilung einiger Notizen des Ministerialkommissärs Fluck aus Ruma über die Abreise des serbischen Patriarchen Rajačić nach Wien, dessen letzte Erlässe sowie über die Stimmung in Serbien etc8., machte der Minister des Inneren

V. Lehenserneuerung

den Antrag, daß aus Anlaß der stattgehabten Thronveränderung die gesetzliche Lehenrenovation, gleichwie bei der Thronbesteigung Sr. Majestät Kaiser Ferdinands allgemein angeordnet9, zugleich aber eine Kommission niedergesetzt werde, welche sich mit Vorschlägen zur billigen Ablösung respective Allodialisierung der Lehen zu beschäftigen hätte, in welcher Beziehung die Mitwirkung der Ministerien der Finanzen und der Justiz in Anspruch genommen wurde10.

VI. Jurisdiktion bei schweren Polizeiübertretungen

Mit Rücksicht auf die in der Ausführung begriffene Organisierung der Justiz- und politischen Behörden11 fand sich der Minister des Inneren zu dem Antrage veranlaßt, daß die bisher von den Kreisämtern und Gubernien ausgeübte Judikatur in schweren Polizeiübertretungen an die Landes- respective Oberlandesgerichte übertragen werde. Wegen der Ausführung wird zwischen den Ministerien des Inneren und der Justiz das nähere Einvernehmen gepflogen werden12.

VII. Bibliothek des Justizministeriums

Der Justizminister , mit der Einrichtung einer Bibliothek für sein Ministerium beschäftigt, sprach die Ansicht aus, daß manche schätzbare ausländische Gesetzeswerke von den betreffenden Regierungen gegen Umtausch mit inländischen Gesetzessammlungen erworben werden könnten, wovon dem Vernehmen nach nicht unbedeutende Vorräte unbenützt vorliegen.

Der Finanzminister erklärte sich bereit, die disponiblen Vorräte inländischer Sammlungen erheben zu lassen und dem Justizminister das Ergebnis mitteilen zu wollen, wobei er mit Beziehung auf seinen unter sub Nr. VIII folgenden Vortrag auch andeutete, daß unter den dabei besprochenen Lieferungsarbeiten auch einige Tischlererzeugnisse sich befinden dürften, welche für die Bibliothek des Justizministeriums geeignet sein könnten13. Es sind nämlich, bemerkte der Finanzminister,

VIII. Vorschuß für die Einrichtungsarbeiten der königlichen Burg in Ofen

zur Einrichtung der königlichen Burg in Ofen für Se. k.k. Hoheit den Herrn Erzherzog Stephan Palatin im vorigen Jahre bedeutende Bestellungen bei hiesigen Handels- und Handwerksleuten gemacht worden, welche infolge der mit der Person Sr. k.k. Hoheit und in den Verhältnissen eingetretenen Veränderungen nicht mehr abgeliefert werden konnten14. Zwar haben Se. k.k. Hoheit schon im September v.J. die noch nicht effektuierten Lieferungen abbestellen lassen. Allein, manche dieser Gewerbsleute mögen hievon keine Kenntnis erhalten, manche ihre Arbeiten bereits angefangen, alle aber in dem guten Glauben auf ihr vertragsmäßiges Recht gehandelt haben, sodaß gegenwärtig eine Masse von verschiedenen Einrichtungsgegenständen, an Tapezierer- und Tischler- etc. Arbeiten bis zum Belaufe von 68.000 fr. unbezahlt erliegt, wofür die betreffenden Gewerbsleute in der gegenwärtigen allgemeinen Bedrängnis durch den Entgang so|| S. 591 PDF || bedeutender Summen hart betroffen, wenigstens eine Teilzahlung in Anspruch genommen haben15.

Der Finanzminister verkennt nicht die Billigkeit dieser Forderung; er hält es für eine Ehrensache, daß die Regierung für jene Bestellungen einstehe; und da nach gepflogener Rücksprache mit dem Obersthofmeisteramte ein Teil der in Rede stehenden Gegenstände zur Einrichtung der Appartements Sr. Majestät in der Burg in Wien, ein Teil vielleicht für das jedenfalls wieder herzustellende Schloß in Ofen oder sonst wird zu verwenden sein, so machte er unter Beistimmung des Ministerrats den Antrag, daß den bei diesen Lieferungen beteiligten Gewerbsleuten zur Unterstützung in ihrer mißlichen Lage die Hälfte ihrer Forderungen, also zusammen circa 30.000 fr., vorgestreckt werde, wogegen nach dem Maße der etwaigen wirklichen Verwendung der Gegenstände für den Ah. Hof die Abrechnung von dem gegebenen Vorschusse zu erfolgen hätte16.

IX. Wiederverlegung der Wiener Universität in die Innere Stadt

Der Unterrichtsminister erbat sich die Entscheidung des Ministerrates über die Frage, ob die Universität in Wien, deren eigene Lokalitäten sowie jene des Konvikts dermal für militärische Zwecke benützt werden, definitiv in dem dermaligen provisorischen Lokale, dem Gebäude des Theresianums, belassen oder in Zukunft wieder in die Innere Stadt und zwar ins Konviktsgebäude (die Aula würde sich zur Universitätsbibliothek eignen) zurückverlegt werden soll17.

Bei den vom Minister geltend gemachten wichtigen Bedenken gegen die Konzentrierung der Studenten in einer Vorstadt, die bereits die sehr zahlreich besuchte Lehranstalt des Polytechnikums besitzt, in der Erwägung ferner, daß die Räume des Universitätsgebäudes doch nicht für ewige Zeiten zur Kaserne bestimmt sein können, zumal für militärische Bedürfnisse bei Ausführung des Stadterweiterungsprojekts hinlänglich gesorgt werden würde, erklärte sich der Ministerrat im Prinzipe für die Zurückverlegung der Universität in die Innere Stadt, wobei nur der Finanzminister den Wunsch äußerte, daß die sehr zahlreiche Abteilung der Mediziner mit Rücksicht auf ihr von den übrigen ganz verschiedenes Studium und ihre Tendenzen im Allgemeinen Krankenhause oder im Josephinum fortan untergebracht werden möge, wogegen wieder bemerkt wurde, daß die bloß theoretischen Fächer des medizinischen Studiums jedenfalls zweckmäßiger im Sitze der übrigen Wissenschaften vorgetragen werden18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. August 1849.