MRP-1-2-01-0-18490811-P-0142.xml

|

Nr. 142 Ministerrat, Wien, 11. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. [fehlt]; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 12. 8.), Bach 15. 8., Schmerling 15. 8., Thinnfeld 15. 8., Thun, Kulmer 15. 8.; abw. Schwarzenberg, Stadion, Bruck.

MRZ. 2737 – KZ. 2352 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 11. August 1849.

I. Nachrichten über den k.k. Flottenverband vor Venedig

Der Kriegsminister teilte mit eine telegrafische Depesche, wornach der Vizeadmiral Dahlerup mit der vereinigten k.k. Escadre die venezianische angegriffen, diese aber, ohne die Schlacht anzunehmen, sich nach Venedig zurückgezogen hat1;

II. Nachrichten aus Schäßburg

eine Relation des Obersten Dorsner de dato Schäßburg 1. August 1849 über einen Sieg der russischen Truppen über die Insurgenten unter Bem, wobei diese 1000 Tote und Verwundete, 500 Gefangene, sieben Kanonen und zwei Fahnen verloren, Bems Feldequipage mit wichtigen Papieren, darunter Briefe Kossuths, weggenommen, aber auch der kaiserlich russische General Skariatin getötet worden ist2.

III. Behandlung der Gefangenen der Garibaldischen Freischaren

Eben dieser Minister referierte über eine Anfrage, was mit den von der k.k. Escadre gefangenen, dermal in Pola verwahrten Mitgliedern der Garibaldischen Legion vorzukehren sei3. Da darunter auch k.k. Untertanen sich befinden, so dürfte nach dem Antrage des Finanzministers vorerst eine Sichtung der Gefangenen bewerkstelligt und sodann die k.k. Untertanen behalten, die fremden aber der römischen Regierung zurückgeschickt werden, für welche nach der Bemerkung des Justizministers eigentlich gegen die Banden Garibaldis österreichischerseits eingeschritten wurde.

Hiernach werden sowohl der Kriegsminister als auch der Minister des Inneren das Erforderliche verfügen4.

IV. Unterkunft für die Barmherzigen Schwestern aus Gratz in Preßburg

Der Minister des Inneren referierte über ein Anerbieten der Barmherzigen Schwestern in Gratz, sich der Pflege der Kranken und Verwundeten in Preßburg zu unterziehen, wenn ihnen dort Unterkunft verschafft werden kann, in welch letzterer|| S. 575 PDF || Beziehung der Kriegsminister vorläufig die Auskunft von dem General Gedeon abverlangen wird5.

V. Versorgung der Hinterbliebenen des Pastors Stephan Ludwig Roth

Der Minister des Inneren machte den Antrag zugunsten der Hinterlassenen des von den ungrisch-siebenbürgischen Rebellen wegen seiner Treue und Anhänglichkeit an die k.k. Regierung mit dem Strange hingerichteten Pastor zu Meschen Roth6 (bestehend in einer verheirateten Tochter und vier unversor­gten Kindern), auf eine Gnadengabe von jährlich 300 fr. pro Kopf, und zwar sowohl für die verheiratete Tochter als auch für jedes der übrigen Kinder, deren Erziehung von ersterer besorgt wird, bei Sr. Majestät einzuraten.

Im Grundsatze, d.i. für eine Anerkennung, einverstanden, glaubte der Finanzminister nur bezüglich der Ausmaße derselben sein Gutachten von der vorläufigen genaueren Informierung über die Verhältnisse der Familie abhängig machen und deswegen auf deren Erhebung durch den neuen Landeschef antragen zu sollen. Über die Bemerkung des Ministers des Inneren aber, daß dieser Weg in einer Angelegenheit, wo schnelle und unmittelbare Selbstbestimmung des Monarchen am Platze ist, zu weitläufig und derselbe Zweck, Information, weit leichter durch Besprechung mit einem der hier befindlichen Notablen aus Siebenbürgen zu erreichen sein würde, behielt sich der Finanzminister nach gepflogener Rücksprache mit einem dieser Männer, den der Minister des Inneren an ihn weisen würde, den weiteren Antrag vor7.

VI. Vollzug der Todesstrafe gegen treubrüchige k.k. Offiziere

Die vom Gouverneur von Wien vorgelegten kriegsgerichtlichen Todesurteile wider drei Offiziers, welche unter den ungrischen Rebellen Dienste genommen haben und im Kampfe wider ihren rechtmäßigen Herrn gefangen wurden, teilte der Minister des Inneren dem Justizminister zur Abgabe seiner Wohlmeinung mit, ob diese Urteile zu vollziehen oder statt der Todes- zeitliche Strafen zu bestimmen wären, mit Rücksicht auf den Umstand, daß voraussichtlich leider noch viele derlei Fälle vorkommen dürften8.

VII. Ausbau des Telegrafennetzes

Der Minister des Inneren entwickelte seine Sr. Majestät zu erstattenden Anträge über die Ausführung des grundsätzlich bereits Ah. genehmigten Telegrafennetzes über die ganze Monarchie9. Als dringend erscheint dem Minister die Ausführung der Hauptlinien nach Triest, Mailand und Pest, dann die Verbindungslinien von Laibach nach Agram und von Oderberg nach Krakau. Ferner erscheint es als Bedürfnis des Dienstes, daß der Zentraltelegraf statt wie bisher im Handelsministerium in den drei der Telegrafenanstalt am häufigsten sich bedienenden Ministerien des Inneren, des Äußern und des Kriegs aufgestellt werde. Endlich, da wichtige Gründe für das System der unterirdischen Drahtleitung sprechen, dürfte auch dieses System, zwar nicht auf den bereits mit freistehenden|| S. 576 PDF || Drähten bestehenden oder angefangenen Linien, wohl aber probeweise auf einer neuen Linie, vorzüglich aber beim Zentraltelegrafen in Wien, zur Anwendung gebracht und künftig bei neuen Anlagen immer von Fall zu Fall über die Anwendung des einen oder des anderen Systems entschieden werden10.

VIII. Amnestie für Holzdiebe im Venezianischen

Der Justizminister referierte über einen Antrag des Tribunals in Treviso um Gewährung einer Amnestie, eigentlich Niederschlagung der Untersuchung wider 680 Individuen, welche wegen im Jahre 1848 begangener Holzdiebstähle im k.k. Staatsforste Montello angezeigt wurden. Da die meisten derselben arme Leute und durch gewisse, ihnen einst zugestandenen Holznutzungen sowie durch die Wirren des vorigen Jahres zu dem Vergehen verleitet worden sind, so unterstützte der Justizminister im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren den Antrag des Tribunals gegen dem, daß gegen jene, so im laufenden Jahre auf Holzdiebstählen betreten worden, das Amt gehandelt werde.

In diesem Sinne wird der Justizminister den Vortrag an Se. Majestät erstatten11.

IX. Prüfungsnorm der Gymnasiallehramtskandidaten

Der Unterrichtsminister entwickelte die Grundzüge der zur Ah. Genehmigung Sr. Majestät vorbereiteten neuen Norm zur Prüfung der Gymnasiallehramtskandidaten. Dieselben sind mit Rücksicht auf den neuen, bereits ausgearbeiteten Gymnasialstudienplan entworfen, der jedoch wegen Kürze der Zeit für das nächstbeginnende Schuljahr noch nicht eingeführt werden konnte12. Ihre wesentlichen Bestimmungen sind: Prüfung des Kandidaten nach den drei Hauptgebieten der philosophischen, geographisch-historischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Studien; Gültigkeit der einmal mit Erfolg abgelegten Prüfung für künftige ähnliche Kandidaturen, Verpflichtung aller Gymnasial­lehramtskandidaten, gleichviel ob an Staats- oder anderen Gymnasien zur Ablegung der Prüfung; Probejahr durch unentgeltliche Aushilfe im Lehramte; endlich einige Bestimmungen, um den Übergang aus dem gegenwärtigen Zustande in den neuen zu erleichtern13.

|| S. 577 PDF || Dieselben gaben zu keiner Erinnerung Anlaß. Nur in Ansehung der Vortragssprache, aderen Bestimmung dem neuen Studienplan nach der verfassungsmäßigen Vertretung des betreffenden Schulbezirks zustehen solla, bemerkte der Finanzminister , daß hierwegen in der neuen Norm vorderhand gar nichts erwähnt, mithin das Bisherige bis auf weiteres aufrecht erhalten werden sollte, nachdem bis zur Einführung des neuen Studienplans einstweilen der gegenwärtige wenigstens für das nächste Jahr noch beibehalten wird .

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. August 1849.