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Nr. 140 Ministerrat, Wien, 9. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Thun, Schmerling, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 10. 8.), Krauß, Bach 11. 8., Gyulai 11. 8., Thinnfeld 11. 8., Thun, Schmerling, Kulmer 11. 8.; außerdem anw. Werner; abw. Schwarzenberg, Stadion, Bruck.

MRZ. 2702 – KZ. 2490 –

Protokoll der am 9. August 1849 in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers abge-haltenen Sitzung des Ministerrates.

I. Kapitulationsanträge der Stadt Venedig

Den ersten Gegenstand der Beratung bildete die Anfrage des Feldmarschalls Grafen Radetzky, wie er sich den Kapitulationsanträgen der Stadt Venedig gegenüber zu benehmen habe1. Bisher habe er dieselben den erhaltenen Ah. Aufträgen gemäß mit dem Bemerken abgelehnt, daß er nur eine Übergabe auf Gnad‘ und Ungnade annehmen könne. Indessen verdiene die Erklärung des FML. Grafen Thurn, Venedig von der Landseite wegen der furchtbar um sich greifenden Krankheiten höchstens noch vierzehn Tage blockieren zu können sowie die Unmöglichkeit einer wirksamen Blockade von der Seeseite während der Septemberstürme ernste Erwägung2. Der Kriegsminister las alle Berichtsbeilagen mit Einschluß eines durch Vermittlung des französischen Konsuls Vasseur an den Konteradmiral Dah­lerup gelangten sogenannten Contreprojet des zur Übergabe geneigten Triumvirats Manin-Pepe-Ulloa, welches im wesentlichen folgende Bedingungen enthält3: Einlösung der jetzt in Venedig umlaufenden Kreditpapiere durch den Staat zu einem festzusetzenden Kurs, achttägige Frist zum Abzuge für die am meisten Kompromittierten, ausgedehnte Amnestie, Beschäftigung der verdienstlosen Arbeiter im Arsenal, Beibehaltung der Nationalgarde, Geldunterstützung für die von der Amnestie Ausgenommenen.

Se. Majestät geruhten vor allem zu bemerken, die Meinung des Feldmarschalls, er sei nur ermächtigt, eine Übergabe auf Gnad‘ und Ungnade anzunehmen, beruhe auf einem Irrtum, nachdem ihm mit Ah. Handschreiben ausdrücklich bedeutet worden sei, daß er eine Kapitulation eingehen könne, aber die Amnestie des treubrüchigen Militärs, namentlich der Marine, als Bedingung dabei nicht zugestehen dürfe4. Se. Majestät behielten Allerhöchtsich vor, den Grafen Radetzky über dieses Mißverständnis sofort aufzuklären, mit dem Bemerken, es sei ihm unbenommen, auf Grundlage der früheren Kapitulations­bedingungen zu unterhandeln.

Der Minister des Inneren , mit welchem sich auch die übrigen Minister vereinigten, glaubte, daß bei diesem Anlasse auch die Ah. Geneigtheit, der gemeinen Mannschaft|| S. 565 PDF || mit Einschluß der Marinesoldaten Verzeihung angedeihen zu lassen, da eben diese Soldaten, welche alle Ursache haben, bei einer unbedingten Übergabe das Schwert der Gerechtigkeit zu fürchten, die friedlichen Einwohner terrorisieren und alles aufs Spiel setzen, um ihre Existenz zu fristen. Gnade scheine hier durch die Politik geraten, um eine Szission unter den Verteidigern Venedigs hervorzubringen, sie werde durch die Menschlichkeit empfohlen, da man Tausende nicht kriegsrechtlich mit Pulver und Blei strafen oder in Kerker sperren könne, sie werde auch der kaiserlichen Armee heilbringend sein, welche die Reihen des Belagerungskorps auf furchtbare Weise durch die Seuche lichten sieht, sodaß jeder Tag, um welchen die Blockade gekürzt wird, reichen Gewinn an Menschenleben gewährt. Der Justizminister schlug vor, daß ohne förmliche Amnestie der gemeinen Mannschaft vom Feldmarschalle die Zusicherung erteilt werde, sie der Ah. Gnade zu empfehlen. Der Kriegsminister äußerte, daß der endlich erfolgte Friedensschluß mit Sardinien die passende Gelegenheit zur Erlassung einer Proklamation wäre, worin Feldmarschall Graf Radetzky die Venezianer unter Erteilung der soeben erwähnten Zusicherung auffordert, zu kapitulieren.

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf dem Minister des Inneren den Ah. Auftrag zu erteilen, den Entwurf einer solchen Proklamation demnächst vorzulegen, welcher dem Feldmarschall zur Veröffentlichung mitzuteilen sein wird5.

II. Distriktskommissäre für das Sümeger, Bárányer und Tolnaer Komitat

Der Kriegsminister zeigt an, daß FZM. Graf Nugent für das Sümeger, Bárányer und Tolnaer Komitat drei bewährte Männer, Czindery, Mailáth und Döry, zu Distriktskommissären vorgeschlagen habe6. Es wurde beschlossen, diesen Bericht an FZM. Baron Haynau zu leiten, nachdem diese Ernennungen zu seinem Wirkungskreise gehören7.

III. Transferierung der politischen Gefangenen aus Preßburg

FML. Graf Gyulai eröffnete, daß er über Einschreiten des Generalmajors Gedeon die Einleitung getroffen habe, damit die politischen Gefangenen aus Preßburg nötigenfalls in Olmütz eine sichere Unterkunft finden8.

IV. Publikation der Reichsverfassung in Kroatien

Der Kriegsminister las einen Bericht des FZM. v. Dahlen über die Weigerung des Banalrates, dem Befehle des Banus wegen Publikation der Verfassung vom 4. März im Provinziale Folge zu leisten9.

|| S. 566 PDF || Der Ministerrat erkannte diese Angelegenheit als eine sehr wichtige, welche wegen der exzeptionalen Stellung Kroatiens, wegen der bewiesenen Anhänglichkeit seiner Bewohner, wegen der Lage Ungarns und wegen des Mangels an hinlänglicher Militärmacht, um den höheren Beschlüssen in Kroatien für den Augenblick den erforderlichen Nachdruck zu verleihen, mit großer Behutsamkeit behandelt werden müsse.

Bis jetzt gehöre die Sache vor das Forum des Ban, der wohl seinen Beschlüssen Geltung verschaffen dürfte. Vorderhand sei die Zentralregierung zu einem Einschreiten nicht aufgefordert, und jedenfalls müsse man Zeit zu gewinnen suchen, bis dieses Einschreiten mit sicherem Erfolg geschehen könne. Einstweilen komme allerdings sehr viel darauf an, einen Mann zu finden, den man statt des nicht geeignet befundenen Mihanovich an die Seite des FZM. Grafen Coronini stellen könne10.

V. Eröffnung des Berliner Reichstages; Vergrößerung der österreichischen Truppen in Frankfurt

Der Unterstaatssekretär Baron Werner überreichte Sr. Majestät den Bericht des k.k. Gesandten Baron Prokesch über die Eröffnung des Berliner Reichstages11 und teilte den Inhalt eines vom Grafen Rechberg erhaltenen Berichts über eine in Rede stehende Vermehrung der k.k. Truppen in Frankfurt mit, worin Graf Rechberg die Meinung ausspricht, daß eine solche Maßregel nicht ohne vorläufige Rücksprache mit Preußen zu ergreifen wäre12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 3. September 1849.