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Nr. 135 Ministerrat, Wien, 3. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 4. 8.), Krauß 4. 8., Bach 4. 8., Gyulai 5. 8., Schmerling 5. 8., Thinnfeld 4. 8., Kulmer 4. 8.; abw. Stadion, Thun, Bruck.

MRZ. 2593 – KZ. 2289 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats, gehalten zu Wien am 3. August 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten zu Schwarzenberg.

I. Modifikation des Art. II des Friedensabkommens mit Sardinien

Nach einer vom Ministerpräsidenten mitgeteilten Depesche des Ministers v. Bruck wünscht das Turiner Kabinett den Art. II des proponierten Friedenstraktats in betreff der Kriegsentschädigung dahin zu modifizieren, daß die ganze Entschädigungssumme per 75 Millionen in 5%igen Inskriptionen zum Kurse à 85% sogleich bei Auswechslung der Ratifikation an Österreich erlegt und hiermit dieser Punkt mit einem Male abgemacht werde. Minister v. Bruck, welcher diese Papiere zu einem noch niedrigeren Kurse, etwa à 80%, herabbringen zu können hofft, rät auf die Annahme dieser Proposition ein, indem er die Vorteile auseinandersetzt, die sich hieraus für Österreich ergäben1.

Der Finanzminister erklärte sich mit dieser Proposition (in der Voraussetzung, daß der Friede nun schneller zustande kommt und die sardinische Regierung sich mit der von uns proponierten beschränkten Amnestie befriedigt) umso mehr einverstanden, als gegen Verpfändung eines Teils der auf dem Londoner und Pariser Geldmarkte beliebten sardinischen Papiere von den dortigen Banken leicht bares Geld zu erhalten sein, und nach hergestelltem Frieden durch das Steigen dieser Papiere ein nicht unerheblicher Gewinn sich ergeben dürfte. Noch eines Vorteils muß dabei gedacht werden, der gerade jetzt für uns von Wichtigkeit ist. Ohne Zweifel ist das Turiner Kabinett zu dieser Proposition durch das Fehlschlagen seiner Unterhandlung mit Rothschild wegen des Anleihens veranlaßt worden. Da nun wir eben im Begriffe sind, ein Anleihen zu kontrahieren, so kommt uns die Beseitigung eines so bedeutenden Konkurrenten zustatten und wir können umso günstigere Bedingungen für unser Geschäft erwarten.

Bezüglich der Annahme der Amnestie von Seite Sardiniens glaubte der Ministerpräsident die beruhigende Versicherung geben zu können, daß selbe kaum zu bezweifeln sein dürfte, nachdem die sardinische Regierung selbst bei der von ihr den Genuesern erteilten Amnestie bedeutende Ausnahmen gemacht hat2. Was übrigens die von dem|| S. 551 PDF || Minister Bruck in Aussicht gestellte Herabdrückung des Kurses jener Inskription betrifft, so wäre ihm nach dem Erachten des Ministerpräsidenten hierwegen zu bemerken, er möge dabei nicht zu weit gehen und etwa wegen ein oder zwei Perzent den Abschluß des Friedens rückgängig machen.

Nachdem der Ministerrat sich nicht nur in der Hauptsache, sondern auch bezüglich dieses letzteren Punkts mit den gestellten Anträgen einverstanden erklärte, wird der Ministerpräsident hierwegen das Erforderliche an v. Bruck erlassen3.

II. Bericht Julius Freiherrn v. Haynau

Bericht des FZM. Baron Haynau vom 31. Juli über den Aufbruch der Armee gegen Szegedin, über die noch am 30. von dem dortigen Rebellenparlamente gefaßten Beschlüsse, über die Besetzung Csongráds durch eine k.k. Brigade und das an Feldmarschall Fürsten Paskiewitsch ergangene Ersuchen um Entsendung wenigstens einiger Kosakenregimenter gegen Großwardein, endlich über Görgeys mutmaßliche Lage und Pläne.

Der Kriegsminister wird aus diesem Berichte das zur Veröffentlichung Geeignete in die Wiener Zeitung einrücken lassen4.

III. Leopold Ritters v. Sacher-Masoch Schwierigkeiten

Derselbe Minister teilte einige Notizen über den Armeekommissär Sacher (in Dukla) mit, wornach derselbe wegen seiner Nichtkenntnis über die Verteilung der Naturalvorräte in Eperies und Umgegend (welche übrigens der Finanzminister nach Sachers Stellung erklärbar findet) den russischen Truppen durch Mitnahme überflüssiger Fourage einige Verlegenheit bereitet habe5.

IV. Publikation der Reichsverfassung in Kroatien

Der Minister des Inneren zeigte an, daß der Banus die Reichsverfassung in Kroatien und Slawonien mittelst Manifest publiziert habe6.

V. Auslieferung der in die Walachei geflüchteten Aufständischen aus Ungarn

Anfrage der k.k. Agentie in Walachei, was über die Weigerung des kaiserlich türkischen Kommissärs in diesem Fürstentume Fuad Effendi, die dahin geflüchteten und nach Ablegung der Waffen weiter ins Innere abgeführten ungrischen Rebellen auszuliefern, zu veranlassen sei7.

Nachdem die Pforte traktatenmäßig zur Auslieferung von Verbrechern verpflichtet ist, so wäre nach dem Erachten des Ministers des Inneren umso mehr auf der Auslieferung dieser Flüchtlinge, wenigstens ihrer Führer, zu bestehen, als sonst die ganze ungrische|| S. 552 PDF || Insurrektion sich in die Fürstentümer werfen würde8. Bezüglich der Verpflegskosten für diese Leute erklärte der Finanzminister , daß solche der österreichischen Regierung nicht eher als nach erfolgter Auslieferung, in keinem Falle aber für die Zeit zur Last zu fallen haben, welche von der traktatenwidrigen Verweigerung der Auslieferung wenigstens bis zum wirklichen Anerbieten dazu abgelaufen ist.

Der Ministerpräsident wird hiernach das Erforderliche an die k.k. Agentie erlassen9.

VI. Paßerteilung an bei der italienischen Revolution beteiligte k.k. Staatsbürger

Die k.k. Gesandtschaft in Neapel hat aus dem Anlasse, daß der bei der italienischen Revolution kompromittierte Lombarde Enrico Martini, aus Neapel ausgewiesen, einen Paß in seine Heimat begehrte, angefragt, was in solchen, ohne Zweifel öfter wiederkehrenden Fällen mit k.k. Staatsbürgern zu veranlassen sei10.

Diese Frage beantwortet sich, bemerkte der Minister des Inneren , durch den Inhalt des zu erlassenden Amnestiedekrets11. Befindet sich ein solcher Paßwerber nicht unter den von der Amnestie Ausge­schlossenen, so kann gegen die Paßerteilung kein Anstand obwalten.

Hiernach wird der gefertigte Ministerpräsident die k.k. Gesandtschaft anweisen12.

Am 4. August 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 8. August 1849.