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Nr. 134 Ministerrat, Wien, 2. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 2. 8.), Krauß 10. 8., Bach 6. 8., Gyulai 8. 8., Schmerling 6. 8., Thinnfeld 5. 8., Kulmer 6. 8.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2592 – KZ. 2347 –

Protokoll der am 2. August 1849 abgehaltenen Sitzung des Ministerrats unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürs-ten Felix Schwarzenberg.

I. Abtretung des Gebietes von Rolo

Der Ministerpräsident brachte die bereits wiederholt beratene Frage über die Abtretung von Rolo zur definitiven Beschlußfassung, wobei er seine Meinung dahin aussprach, daß die Abtretung dieses nicht sehr ausgedehnten Gebietes an Modena zur Erwirkung der freien Poschiffahrt bewilligt werden dürfte1. Indem dies das einzige Mittel sei, die Vorteile der freien Flußschiffahrt zu erwirken und den Plackereien, welche die dermal bestehenden zwölf Zollämter am Po verursachen, ein Ende zu machen, indem ferner die Ersparnis an Zoll für die Ärarialsalzschiffe jährlich allein viermal so viel betragen wird, als der Steuerertrag von Rolo dermal ausmacht, indem die österreichische Zollgrenze durch diese Abtretung viel besser geschlossen und somit dem Schmuggel leichter gesteuert wird, indem die Abtretung nicht ohne Kompensation an Territorium stattfindet, da Österreich dafür eine Insel im Po erhält, und indem endlich auf diese Weise der schon viele Dezennien alte Streit über die Landesgrenze zwischen Österreich und Modena auf eine billige und zwanglose Weise beigelegt wird.

Der Justizminister Ritter v. Schmerling , obgleich im wesentlichen mit dem Antrage auf Abtretung (rücksichtlich Tausch) des Rolenser Gebietes einverstanden, glaubte doch, daß man dabei mit umso größerer Vorsicht zu Werke gehen müsse, als die Bewohner des dortigen Distrikts über ihre eigenen Wünsche nicht vernommen worden sind, und man einst vielleicht der Regierung den Vorwurf machen könnte, einen Teil des österreichischen Gebietes gegen den Willen seiner Bewohner abgetreten zu haben. Aus diesem Gesichtspunkte, und da das freiwillige Aufgeben eines Territoriums immerhin eine delikate Sache bleibt, welche sehr verschieden beurteilt werden kann, würde Minister v. Schmerling glauben, daß in dem Staatsvertrage diese Gebietsabtretung nur unter Vorbehalt der Sanktion des nächsten österreichischen Reichstages zuzugestehen wäre.

|| S. 548 PDF || Der Ministerpräsident erklärte sich mit diesem Auskunftsmittel einverstanden, und es wurde sofort beschlossen, dem Minister v. Bruck die Instruktion in diesem Sinne zu erteilen2.

II. Staatsbeamtenuniform

Der Minister des Inneren zeigte die Figurini der projektierten Staatsbeamtenuniform mit Degen statt des Säbels vor, wobei man sich einstimmig dafür erklärte, daß der Degen ganz frei außer dem Waffenrocke zu tragen sei3. Für die Gala wurden weiße, für die Campagne graue Pantalons angemessen befunden4.

III. Korrespondenz des Wilhelm Freiherr v. Hammerstein-Equord mit dem Kaiser von Rußland

Der Ministerpräsident eröffnete im Nachhange zu der am 1. August stattgefundenen Beratung, er habe ein Schreiben des FZM. Baron Hammerstein vom 24. l.M. erhalten, worin er anzeigt, daß er dem Kaiser von Rußland von den Indizien einer in Galizien weit verzweigten Verschwörung gleichzeitig die Anzeige erstatte5.

Wenngleich diese gleichzeitige Meldung an den Ministerpräsidenten den Vorgang des Freiherrn v. Hammerstein in einem milderen Lichte darstellt, als er sich anfänglich zeigte, so erscheint doch noch immer diese Anzeige an Kaiser Nikolaus auf der Grundlage von sehr schwankenden Wahrnehmungen voreilig, unberufen und umso auffallender, als Baron Hammerstein den Landeschef Grafen Gołuchowski von der ihm so bedrohlich vorkommenden Gefahr eines Aufstands damals nicht in Kenntnis setzte, während doch in den Tagen der Gefahr Militär- und Zivilautoritäten gemeinsam für die Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung wachen müssen.

Der Kriegsminister behielt sich vor, dem Kommandierenden Generalen Baron Hammerstein die nötigen Erinnerungen in diesem Sinne zu machen6.

IV. Schadenersatzansprüche des Korrespondenten der Times

Der Ministerpräsident las eine an den Korrespondenten der Londoner Times gerichtete Erwiderung auf die von ihm erhobenen Schadenersatzansprüche etc. aus Anlaß seiner Aufgreifung in Ungarn und der zwangsweisen Zurückführung nach den deutschen Provinzen, worin demselben bemerklich gemacht wird, daß er es sich nur selbst zuzuschreiben habe, wenn er es ungeachtet der vom Fürsten Schwarzenberg erhaltenen Warnungen wagte, ohne einen auf Ungarn lautenden Paß und der Landessprache unkundig, den Kriegsschauplatz zu bereisen und er sich dadurch in peinliche Lagen versetzt fand7.

V. Bestellung einer anderen Person statt Anton Mihanovich als Adlatus des Johann Grafen Coronini-Cronberg

Schließlich äußerte der gefertigte Ministerpräsident, daß sich der aus Konstantinopel hier eingetroffene Generalkonsul Mihanovich bei ihm gemeldet habe, aber alle Äußerungen desselben von der Art seien, daß man sich von ihm kein ersprießliches kräftiges Einschreiten in die kroatischen Landesangelegenheiten ad latus des Grafen Coronini versprechen könne8.

Der Minister des Inneren entgegnete hierauf, daß dieses Urteil mit dem Resultate seiner eigenen Wahrnehmungen übereinstimme, daher man ernstlich bedacht sein müsse, für diesen wichtigen Posten eine andere Wahl zu treffen9.

VI. Beschwerde Carl Friedrich Freiherrn Kübeck v. Kübau über die Leopold Ordenskanzlei

Der Kanzler des Leopoldordens Freiherr v. Kübeck hat sich in einem an den Ministerpräsidenten gerichteten Schreiben darüber beschwert, daß in ein paar Fällen Leopoldordensdekorationen durch Minister aus dem Ordensschatze zur Behändigung an Ordensglieder behoben wurden, bevor noch das Ah. Handschreiben über die bezüglichen Ordensverleihungen an die Ordenskanzlei gelangt war10. Die Verständigung von einer Ordensverleihung könne nämlich statutenmäßig nur von dem Großmeister oder der Ordenskanzlei ausgehen. Ferner findet Baron Kübeck auch das Ansinnen des Ministeriums des Inneren, daß die öffentliche Kundmachung der Ordensverleihungen künftig stets im Wege dieses Ministeriums zu veranlassen sei, sich mit dem Institute der Ritterorden nicht vertrage.

Der Ministerrat beschloß, diese Zuschrift sei in dem Sinne zu beantworten, daß man das Recht der Ordenskanzlei, die Intimationsdekrete auszufertigen und die Dekorationen den Ernannten zu übermitteln, anerkenne und sich auch künftig hiernach werde benehmen werden, jedoch unbeschadet der Befugnis der Minister, wie bisher die über ihren Antrag mit Orden Ag. beteilten Individuen von dem Inhalt der Ah. Resolution zu unterrichten.

Was die Verlautbarungen der Ordensverleihungen in den Zeitungen betrifft, so sei dieselbe in den Statuten keineswegs der Ordenskanzlei ausschließend vorbehalten, auch pflegen mehrere andere Ordenskanzleien faktisch die Einrückung in der Zeitung den Ministerien zu überlassen. Wofern aber Baron Kübeck einen besonderen Wert darauf lege, daß die Verlautbarung von der Kanzlei ausgehe, so wolle er mindestens den diesfälligen Aufsatz an das für den ämtlichen Teil der Wiener Zeitung bei dem Ministerium des Inneren bestehende Redaktionsbüro einsenden11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 23. August 1849.