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Nr. 128 Ministerrat, Wien, 27. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 29. 7.), Krauß 31. 7., Bach 31. 7., Gyulai 30. 7., Thinnfeld 30. 7., Kulmer 30. 7.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2528 – KZ. 2057 –

Protokoll der in Wien am 27. Julius 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Schwarzenberg.

I. Vereinigung der Ministerien des Kultus und des Unterrichts

Die Frage wegen Ausscheidung der Angelegenheiten des Kultus aus dem Wirkungskreis des Ministeriums des Inneren und deren Vereinigung mit dem Unterrichtsministerium wurde in Erörterung gezogen, wobei der Minister Baron Krauß und Baron Kulmer die Meinung aussprachen, daß die Führung der Kultusangelegenheiten durch den Minister des Inneren den politischen Einfluß des letzteren erhöhe und auch für die weltlichen Interessen der Geistlichkeit förderlicher sein dürfte als die Vereinigung der Ministerien des Kultus und des Unterrichts. Minister Bach machte dagegen geltend, daß die Angelegenheiten des Kultus und jene des Unterrichts miteinander so nahe verwandt sind, daß die wünschenswerte Konsequenz in ihrer Behandlung nur dadurch völlig gesichert werden kann, wenn man dieselben in eine Hand legt, daß somit die höheren moralischen Interessen der Kirche sowohl als der Wissenschaft und ihrer Diener durch diese Vereinigung, welche auch in anderen konstitutionellen Staaten häufig vorkömmt, nur gewinnen könne1.

II. Zirkular des Agenor Graf Gołuchowski

Der provisorische Minister des Inneren brachte das von dem galizischen Gubernialpräsidenten Grafen Gołuchowski jüngst erlassene Zirkular zur Sprache, worin die galizischen Landleute unter Androhung von Zwangsmaßregeln angewiesen werden, den ehemaligen Dominien gegen mäßigen Tagelohn bei der Einbringung der Ernte Hülfe zu leisten2.

Der Ministerrat erkannte einstimmig, daß diese Verfügung des Gubernialpräsidenten, welche mit dem Patent vom 7. September und den seither wiederholt erteilten Zusicherungen im grellsten Widerspruche stehe, die Absichten und Grundsätze der kaiserlichen Regierung in einem ganz falschen Lichte erscheinen lasse und daher sobald als möglich in einem ämtlichen Artikel der Wiener Zeitung zu desavouieren, wie auch deren|| S. 529 PDF || Zurücknahme dem Grafen Gołuchowski aufzutragen wäre, der nur deswegen im vorliegenden Falle eine nachsichtige Behandlung erfahren dürfte, weil er ein bloßer Mißgriff, ohne schlimme Absicht, war und derselbe Präsident in vielen Fällen seine Gewandtheit in den Geschäften sowie seine redliche Gesinnung bewährt habe3.

III. Amnestie für die Lombarden und Venezianer

Die hierauf entsponnene Diskussion über die Opportunität einer für die Lombarden und Venezianer zu erteilenden Amnestie führte zu keinem Beschlusse4.

IV. Abtretung des Gebiets von Rolo

Bezüglich der vom Ministerpräsidenten in Anregung gebrachten Frage wegen des Gebietes von Rolo äußerte Minister Bach , daß dieser keineswegs dringende Gegenstand gegenüber von Modena füglich auch erst nach dem Abschlusse des Friedens mit Sardinien ins Reine gebracht werden dürfte5.

V. Unterlassung des Hochamts für die ungarische Hofkanzlei

Der Ministerrat stimmte dem Antrage des provisorischen Ministers des Inneren bei, daß das bisher für die ungarische Hofkanzlei am St. Stephanstag bei den P.P. Kapuzinern abgehaltene Hochamt nunmehr, wo diese Hofkanzlei nicht mehr existiert, zu unterbleiben hätte.

VI. Unterstützung der guten Presse in Deutschland

Schließlich besprach der Ministerpräsident die Notwendigkeit, die deutsche Presse, welche teils im preußischen, teils im republikanischen oder doch demokratischen Sinne vielfach ausgebeutet wird, auch im österreichischen Interesse zu benützen, zu welchem Ende den dazu geeigneten Journalisten und Publizisten, deren sich viele erboten haben, Geldunterstützungen zuzuwenden wären. Daß hierin etwas geschehen müsse, wurde von dem Ministerrate einstimmig anerkannt6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 3. August 1849