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Nr. 126 Ministerrat, Wien, 25. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 26. 7.), Krauß 8. 8., Bach 8. 8., Gyulai 8. 8., Thinnfeld 27. 7., Kulmer 27. 7.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2484 – KZ. 2293 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 25. Julius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Freihafenskonzession von Venedig; Amnestie für k.k. Marineoffiziere

Aus Anlaß eines von der Reichenberger Handelskammer eingesandten Gesuchs um Nichterneuerung der Freihafenskonzession für Venedig für den Fall der Unterwerfung der Stadt wird der Ministerpräsident über Antrag des Finanzministers dem Minister v. Bruck die Einladung zugehen lassen, daß er sich bei der Unterhandlung über die Kapitulationsbedingungen bezüglich der Freihafenskonzession in kein Versprechen oder Zusicherung einlassen möge1.

Bei dieser Gelegenheit äußerte der Kriegsminister wiederholt den Wunsch, daß in der Kapitulation den treulosen k.k. Marineoffizieren nicht etwa Amnestie zugesichert werde, in welcher Beziehung er, nachdem diesfalls dem Feldmarschall Grafen Radetzky von Sr. Majestät freie Hand gelassen ist, wie der Ministerpräsident bemerkte, die erforderlichen Anträge bei Allerhöchstdemselben zu machen sich vorbehielt2.

Die neuesten, vom Ministerpräsidenten mitgeteilten Depeschen des Ministers v. Bruck bringen ein Schreiben des pensionierten Schiffskapitäns Bua, nachmaligem Kommandanten der revolutionären venezianischen Eskader, um Erlaubnis, seine Pension in Venedig beziehen zu dürfen, dann ein Schreiben des Schneiders und Exministers Toffoli über die Zustände in Venedig3.

II. Kriegsoperationen vor Venedig, Zell und Bistritz

Der Kriegsminister teilte mit einen Bericht des FML. Grafen Thurn über die mit 24-pfündigen Kanonen, nach dem Winkel à 45o gerichtet, gemachten Versuche,|| S. 523 PDF || welche sehr günstig ausgefallen, indem man bis auf 2300 Klafter weit geschossen hat, infolgedessen zehn solcher Geschütze gegen Venedig werden gebraucht werden4, dann

eine Meldung des Streifkorpskommandanten Dondorf aus Kleinzell im Eisenburger Komitat über glücklich ausgeführte Operationen5 und einen Bericht des russischen Generalleutnants Grotenhjelm aus Bistritz über einen glücklichen Angriff auf die Insurgenten, sowie über die von ihm an die Szekler erlassene Proklamation vom 16. Juli zur Entkräftung der von Bem unter die dortige Bevölkerung verbreiteten Lügen über die Absichten der intervenierenden russischen Armee6.

III. Zwangskurs der Kassaanweisungen in Ungarn

Der Finanzminister erinnerte, daß die Massen von Waren, welche gegenwärtig aus Ungern heraufgeführt werden, eine Maßregel notwendig machen, um den hiesigen 3%igen Zentralkassa­anweisungen einen Abfluß nach Ungern zu verschaffen, weshalb er sich vorbehielt, einen Antrag dahin zu erstatten, daß die Geltung und Annahme dieser Papiere auch in Ungern angeordnet werde.

Hiergegen ergab sich keine Einwendung7.

IV. Krawall auf der Wieden

Der Vertreter des Ministers des Inneren teilte mit einen Polizeibericht über einen gestern nachmittags auf der Wieden stattgefundenen kleinen Krawall, der infolge eines bei einem gemeinen Raufhandel ungewöhnlich großen Zusammenlaufs von Leuten entstand und sogar das Ausrücken einer Kompanie Militär veranlaßte, aber ohne besondere Folgen als einige Verhaftungen verlief8.

V. Englische Pässe für ungarische Flüchtlinge

Die Meldung, daß viele ungrische Insurgenten mit englischen Pässen in die Türkei flüchten, sowie überhaupt die notorische Vorschubleistung, deren sich die politischen Flüchtlinge von Seite Englands und der Schweiz zu erfreuen haben, verlanlaßten den Minister Dr. Bach zu der Andeutung, daß hierwegen im Interesse des Friedens eine allgemeine europäische Maßregel unter den Regierungen zu verabreden sein dürfte.

VI. Zeitungsartikel über den ungarischen Klerus

Derselbe Minister las den für die Wiener Zeitung bestimmten Aufsatz über die Teilnahme des höhern ungrischen Klerus an der Revolution und über die hiernach von der Regierung getroffenen Verfügungen9.

Derselbe gab nur dem Finanzminister Anlaß, den Wunsch auszudrücken, daß darin des sonst so würdigen Primas Hám nicht besonders erwähnt, sondern sich mit der dem Artikel vorausgehenden offiziellen Anzeige von dessen Resignation begnügt werde. Der Minister Bach versprach eine Milderung der bezüglichen Stelle, da ihm die gänzliche|| S. 524 PDF || Umgehung Háms, der doch auch den Hirtenbrief vom 28. Oktober 1848 mitgefertigt hat, nicht wohl tunlich erschiene10.

VII. Orden- und Medaillensendung an Fürst Paskiewitsch

Der Ministerpräsident erwähnte des Begehrens des FM. Fürsten Paskiewitsch um Übersendung von Orden und Tapferkeitsmedaillen, um selbe nach Befund an russische Offiziere und Mannschaft verteilen zu können11. Da die Verleihung von österreichischen Orden nur Sr. Majestät allein zusteht, so würde sich lediglich der zweite Teil des Begehrens zur Entsprechung eignen und hierwegen das Nötige zu veranlassen, in erstrer Beziehung aber ablehnend zu antworten sein12.

VIII. Haus des Anton Freiherr Prokesch v. Osten in Athen

Der vom Ministerpräsidenten beim Finanzminister in Erinnerung gebrachte Antrag wegen Ankauf des Prokesch’schen Hauses in Athen (MRProt. v. 7. April 1849, Z. 1050, Nr. IV) veranlaßte letzteren zu der Anfrage, ob bezüglich des Realbesitzes in Griechenland einige denselben sichernde Institutionen bestehen, was von Seite des Justizministers bejahend beantwortet wurde13.

Am 26. Julius 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 23. August 1849.