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Nr. 114 Ministerrat, Wien, 9. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 11. 7.), Krauß 14. 7., Bach 14. 7., Gyulai 14. 7., Kulmer 14. 7.; abw. Stadion, Bruck, Thinnfeld.

MRZ. 2299 – KZ. 2019 –

Protokoll der zu Wien am 9. Juli 1849 in Ah. Gegenwart Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Friedensverhandlungen mit Sardinien

Der Ministerpräsident las den neuesten vom Ritter v. Bruck erhaltenen Bericht über den Stand der Unterhandlungen mit Sardinien, worin die Meinung aus-gesprochen wird, daß aus der ganzen Verfahrungsweise der sardischen Unterhändler die Absicht hervorleuchte, zu keinem Friedensschlusse zu kommen1: das Zurücknehmen früher bereits gemachter Zugeständnisse, das plötzliche Beharren auf der Ziffer von 70 Millionen Lire Entschädigung, der Versuch, die Stipulationen wegen Modena und Parma aus dem Vertrage zu streichen2, die Weigerung, das Übereinkommen wegen des Schmuggels sofort zu erneuern, das Bestreben, die Grenzberichtigung am Gravellone, welche schon 30 Jahre in Verhandlung steht, abzulehnen, endlich der hohe Ton der letzten sardinischen Noten, alles dies läßt keinen Zweifel, daß das Turiner Kabinett nur Zeit gewinnen, ja vielleicht den Abbruch der Verhandlungen herbeiführen will, wenn man nicht seinen Prätensionen Folge gibt. Minister Bruck, in der Überzeugung, daß diesen Winkelzügen gegenüber nur die entschiedenste Sprache und sofort kräftiges Handeln zum Ziele führen kann, erbittet sich daher die Ermächtigung, den sardinischen Bevollmächtigten ein Ultimatum zu eröffnen, mit dem Beisatze, daß, wenn dasselbe nicht binnen vier bis fünf Tagen angenommen wird, die Unterhandlungen abgebrochen würden.

Fürst Schwarzenberg, mit welchem sich der Ministerrat vereinigte, teilte gleichfalls die Ansichten des Ritters v. Bruck und glaubte, daß die Abforderung einer peremptorischen Erklärung über den österreichischen Vertragsentwurf ebenso sehr dem Interesse als der Würde der österreichischen Regierung angemessen wäre. Im Falle einer negativen Erklärung würde dann der Waffenstillstand mit der gehörigen Rücksicht zu künden sein, daß die k.k. Armee kampffertig und in gehöriger Stärke konzentriert sei, um den Feldzug ebenso schnell als glücklich zu vollenden3.

Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen Antrag Ag. zu genehmigen und behielten Ah. sich vor, dem Feldmarschall Grafen Radetzky ohne Verzug die entsprechenden Weisungen zu erteilen.

II. Medaillenverleihung an Zivilisten in Ungarn

Der p[rovisorische) Minister des Inneren referierte, daß FZM. Baron Haynau aus Anlaß seines Antrages auf Beteilung des Ortsrichters Lázár zu Leiden im Wieselburger Komitat mit der kleinen goldenen Zivilehrenmedaille in Vorschlag gebracht habe, ihm (Baron Haynau) eine Anzahl goldener und silberner Zivilehrenmedaillen zu dem Ende zu übermitteln, daß er damit unmittelbar und ohne weitere Anfrage Verdienste von Zivilisten bei dem Fortschreiten der Armee belohnen könne.

Minister Bach, welchem sich die übrigen Minister anschlossen, glaubte jedoch, daß diesem Vorschlage Allerhöchstenorts keine Folge zu geben wäre, da bei der gegenwärtig eingeführten schnellen Geschäftsbehandlung die Einholung der Ah. Genehmigung einer solchen Auszeichnung nur wenig Zeit erfordert, und die Dekoration eben dadurch, daß sie von Sr. Majestät Allerhöchstselbst verliehen wird, einen weit höheren Wert in den Augen des Beteilten sowohl als des Publikums überhaupt erhält.

Se. Majestät geruhten diesen Antrag des Ministerrates zu genehmigen4.

III. Beamtenuniform

Der p[rovisorische] Minister des Inneren machte die au. Anzeige, daß die von vielen Seiten laut gewordenen Wünsche wegen Einführung einer neuen Beamtenuniform, welche mit der dermaligen Adjustierung des k.k. Militärs im Einklang stände, ihn bestimmt hätten, ein Reglement darüber in Bearbeitung nehmen zu lassen, welches er seinerzeit der Ah. Genehmigung zu unterziehen beabsichtige5.

Der Ministerpräsident äußerte, daß jedenfalls einige neue Bestimmungen über die Uniformierung der Staatsbeamten notwendig sein dürften, zumal es auch an Bestimmungen über die Uniformen der Minister und Unterstaatssekretäre fehlt6.

IV. Keine Auflösung österreichischer Truppenkörper in allzu kleine Detachements

Aus Anlaß der von dem Armeekommissär Grafen Zichy angezeigten Bildung von Insurgentenguerillas, gegen welche mobile Kolonnen im Rücken der Armee zu verwenden wären7, geruhten Se. Majestät der Kaiser den Ministerpräsidenten aufzufordern, daß er den Fürsten von Warschau bestimme, in Zukunft nicht mehr österreichische Truppenkörper in allzukleine Detachements aufzulösen, welche, wie die Erfahrung jüngst gezeigt hat, der Gefahr ausgesetzt sind, aufgerieben oder gefangen zu werden8.

V. Nachrichten über die Gefechte der Russen im Borgótale

Schließlich teilte der p[rovisorische] aMinister des Innerena den Inhalt einer Relation mit, die ihm über die Gefechte der Russen im Borgótal Siebenbürgens zugekommen ist9.

|| S. 478 PDF || Nach Aufhebung der Sitzung, welche im Ah. Beisein gehalten wurde, versammelten sich die eingangs erwähnten Minister sofort in der Staatskanzlei unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten.

VI. Kriegsereignisse in Ungarn

Der Ministerpräsident und der Kriegsminister machten einige Mitteilungen über die Kriegsereignisse in Ungarn10.

VII. Ausfälle des Journals „Die Presse“ gegen den Minister Bruck

Der Ministerpräsident las ein ihm vom Ritter v. Bruck zugekommenes Schreiben, worin er begehrt, daß ihm für die im Journal „Die Presse“ gegen ihn enthaltenen Ausfälle Genugtuung verschafft werde11.

So sehr nun auch der Ministerrat die Ungerechtigkeit dieser Ausfälle anerkennt, so glaubte er doch nicht, daß darüber jetzt etwas zu verfügen, sondern vielmehr zur öffentlichen Widerlegung abzuwarten wäre, bis die Friedensunterhandlungen auf eine oder andere Art ihr Ende erreicht haben12.

VIII. Stellung Ludwig Freiherrn v. Wohlgemuth gegenüber Julius Freiherr v. Haynau

Schließlich wurde noch die Stellung des FML. Baron Wohlgemuth in Siebenbürgen besprochen, wobei der Kriegsminister sich dafür erklärte, den Zivil- und Militärgouverneur Baron Wohlgemuth zur Vermeidung aller dienstesnachteiligen Konflikte und sonstigen Störungen, wie auch des mit dem Anfragen verbundenen Zeitverlusts von dem FZM. Baron Haynau, der ohnehin vollauf in Ungarn beschäftigt ist, völlig unabhängig zu machen13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 19. Juli 1849.