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Nr. 99 Ministerrat, Wien, 17. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. 2001 – KZ. 1803 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 17. Junius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Bericht Ferdinand Ritters Mayerhofer v. Grünbühl

Der Ministerpräsident verlas einen Bericht des GM. Mayerhofer aus Semlin vom 11. d. [M.], worin derselbe die Ankunft des Generals Grafen Clam, den Angriff auf Neusatz und den Rückzug Perczels meldet, auch anzeigt, daß er die Unterstützung des Ministeriums gegen den serbischen Patriarchen und selbst gegen den Banus,auf den Stratimirović täglich mehr Einfluß zu gewinnen scheint, in Anspruch zu nehmen genötigt sein werde1.

II. Bericht Brucks mit einer Adresse der lombardischen Bischöfe

Eine Mitteilung des Ministers v. Bruck, mit einer vom Grafen Montecuccoli einbegleiteten Adresse der lombardischen Bischöfe an Se. Majestät in betreff der Wahrung der Freiheit der katholischen Kirche und der ihnen vom genannten Minister mit Hinweisung auf die Reichsverfassung vorläufig proponierten Artikel hierüber, endlich mit einem Schreiben des Erzbischofs von Mailand, worin das Bedauern ausgedrückt wird, daß man die italienischen Bischöfe nicht zu der Synode in Wien berufen2. (Selbe hatte heute ihre letzte Versammlung.)

III. Bericht Brucks über Verhandlungen mit Venedig

Desselben Ministers Schreiben vom 12. d.M. über den weiteren Fortgang der Unterhandlung mit Venedig, wobei man sich auf die dem Geiste der Reichsverfassung nicht widerstreitende Forderung der Venezianer, daß Venedig die Hauptstadt eines eigenen, von der Lombardei getrennten Kronlands bilden soll, beschränkt und in diesem Sinne die Unterhandlung trotz des begonnenen Bombardements fortsetzen wird3.

Der Ministerpräsident konnte hiebei die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es zu wünschen wäre, es möchte gegen Venedig mehr militärisch gehandelt als unterhandelt werden4.

IV. Besetzung der ungarischen Distriktskommunen und Kommissariate

Derselbe teilte auch mit die vom FZM. Baron Haynau verfügten Ernennungen von Distriktskommandanten und politischen Kommissären in Ungern mit der Bemerkung, daß über Graf Castiglione sehr geklagt wird, dessen Entfernung übrigens, wie der Minister Dr. Bach bemerkte, durch eine von Baron Geringer beabsichtigte neue Distriktseinteilung möglich werden wird5.

V. Ankunft Béla Perczels v. Bonyhád und Gervays in Wien

Der Vertreter des Ministers des Inneren zeigte an die Ankunft eines Perczel, Verwandten des ungrischen Insurgentenführers, und des wegen seiner antiösterreichischen Gesinnung bekannten Baron Gervay in Wien, deren aAbschaffung und nach Umständena Festnehmung er veranlassen wird6. Ebenso teilte er

VI. Belagerungsstand in Gratz

das sonderbare Begehren des FZM. Baron Welden mit, daß Gratz in Belagerungsstand erklärt werde, wozu es bisher an gesetzlichem Anlasse gebricht7.

VII. Klagen über Emerich v. Péchy

Der Kriegsminister referierte über eine abermalige Klage wider den dem Armeekorps des Generals Rüdiger zugeteilten politischen Kommissärs Emerich v. Péchy8;

VIII. Großfürst Constantin soll ins Hauptquartier kommen

über die Anfrage, ob dem im Hauptquartier erwarteten russischen Großfürsten Konstantin ein Offizier beigegeben werden soll, worüber der Ministerpräsident erklärte, daß beim Mangel einer offiziellen Eröffnung über diese Ankunft vorerst dieselbe abgewartet werden dürfte9;

IX. Beschwerde des Leopold Ritter Rousseau d‘Happonourt

über eine Eingabe des GM. Rousseau, worin derselbe aus Anlaß seiner Präterierung zum Feldmarschalleutnant, welche, wie er meint, nicht aus Abgang der nötigen Befähigung dazu stattfinden konnte, um eine gerichtliche Untersuchung bittet10.

Von einer solchen kann nach dem einstimmigen Erachten des Ministerrates keine Rede sein, denn die Regierung ist nicht schuldig, die Gründe anzugeben, warum sie einen ihrer Diener bei der Beförderung übergeht.

Mit Rücksicht auf die in der k.k. Armee bestehenden Ansprüche der Offiziere vom Obersten aufwärts auf die Beachtung der Rangstour aber erschiene die Pensionierung Rousseaus als der einfachste Ausweg, welchen der Kriegsminister sofort bei Sr. Majestät in Antrag bringen wird, wobei übrigens vom Finanzminister das Bedauern geäußert wurde, daß für derlei Fälle beim Militär nicht eine zeitliche Quieszierung wie bei den Zivilbeamten oder eine Versetzung in Disponibilität besteht11.

X. Abberufung der Genieoffiziere aus Rastatt

Eine Anfrage der Generalgeniedirektion, ob nicht die drei in Rastatt befindlichen Genieoffiziere einzuberufen und, bei dem allerwärts fühlbaren Mangel an solchen, anderwärts zu verwenden wären12, wurde nach Antrag des Ministerpräsidenten dahin zu erledigen beschlossen, daß höchstens einer einzuberufen, die zwei anderen aber dort zu belassen wären, weil es im Prinzipe von Bedeutung ist, in allen Bundesfestungen österreichische Genieoffiziere zu haben13.

XI. Abberufung einer Artilleriekompanie aus Dalmatien

Über eine weitere Anfrage, ob nicht aus Dalmatien eine Artilleriekompanie herausgezogen werden könnte, wurde beschlossen, mit Rücksicht auf die politischen Landesverhältnisse|| S. 417 PDF || vorläufig das Gutachten des dortigen politischen Landeschefs und des Militärkommandanten einzuholen14.

XII. Armeeberichte

Meldung über die Reise des russischen Kaisers, das Einrücken des russischen Armeekorps aus der Bukowina nach Siebenbürgen bis 19. d. [M.], endlich über die Konzentrierung von 60.000–65.000 Mann Russen bei Neumarkt15.

XIII. Wiener Platzkommando

Meldung, daß der Platzkommandant in Wien, General Franck, hergestellt, nächstens seinen Posten wieder antreten, sonach wegen anderweitiger Verwendung des GM. Mainone, etwa bei einer Brigade, der Antrag vom Kriegsminister wird erstattet werden, wobei vom Finanzminister der Wunsch ausgedrückt wurde, daß künftig das Avancieren der Platzoffiziere bis in die Generalschargen eingestellt und diesfalls auf die frühere Observanz zurückgekehrt werde16.

XIV. Münzscheine und neues Kupfergeld

Der Finanzminister kam auf seinen Antrag wegen Hinausgabe von Münzscheinen (Ministerratsprotokoll v. 14. u. 15. Juni, Nr. IV und XII) mit dem Bemerken zurück, daß sich der Ministerrat endlich darüber entscheiden möge, ob dazu geschritten und in welchen Teilbeträgen, à 10 und 6 oder à 6 und 3 Kreuzer, dieselben hinausgegeben werden sollen, um hiernach die Anträge bei Sr. Majestät erstatten und die nötigen Vorbereitungen treffen zu können. Mit dieser Maßregel wäre zugleich die Ausprägung neuer Kupfermünzen nach dem mit dem im Jahre 1800 eingeführten (gegen den dermaligen viel geringeren) Münzfuße17 in Stücken zu 1, 3, und 4 Kreuzer, dann die seinerzeitige Einziehung der gegenwärtig kursierenden Kupfermünzen zu verbinden. Die geringere Ausprägung wäre, abgesehen von dem Vorteil des geringeren Metallverbrauchs, auch noch darum von Wichtigkeit, weil, während itzt, wo wir auf die einzige Münzstätte Wien beschränkt sind, täglich nur 3000 f. geprägt werden können, von den neu angetragenen Scheidemünzen täglich um 9000 f. erzeugt werden würden.

Der Minister Bach fand es sehr bedenklich, in demselben Augenblicke, wo man die Münzscheine ausgeben will, auch mit einer neuen und noch dazu viel geringhältigeren Kupfermünze anzufangen, welche die ohnehin in so vielerlei Ausprägungen bestehenden noch um eine vermehren, daher leicht Konfusionen verursachen und neben der|| S. 418 PDF || Einberufung der alten schwereren Kupfermünzen dem Publikum Anlaß zu Klagen über Beeinträchtigung und zu neuer Aufregung geben würde.

Der Finanzminister erwiderte zwar, daß die verschiedenartigen Kupferscheidemünzen seit 30 Jahren ohne Nachteil und Irrung im Verkehre bestehen, und daß die geringhältigere Ausprägung bei einer Scheidemünze nichts verschlage, da es ja dabei niemals auf den inneren Wert, so wenig als beim Papiergeld auf den Wert des Papiers, ankommen könne. Wenn man indessen jetzt gegen die Hinausgabe eines neuen Kupfergelds Bedenken trüge, so würde er sich auf die Emittierung der Münzscheine beschränken und hierwegen, nachdem der Ministerrat bezüglich derselben sich für die Teilbeträge à 10 und 6 Kreuzer ausgesprochen hatte, den Vortrag an Se. Majestät erstatten18.

XV. Verwendung der Kupons zum Ankauf von Obligationen

Auch auf die mit Gründen und Gegengründen in den Ministerratsprotokollen vom 9., 11. und 12. Juni sub Nr. XV, XVIII und VI umständlich besprochene fakultative Verwendung der Zinsenkupons von Staatsschuldverschreibungen und der Lottogewinne zur Umstaltung in fünfprozentige im Auslande, also in Silber verzinsliche Staatsobligationen, kam der Finanzminister wieder zurück und zwar mit der zugunsten der minderen Kapitalienbesitzer proponierten Modifikation, daß für diese, wenn sie sich dabei beteiligen wollen, Interimsscheine à 10 f. ausgegeben werden würden.

Der Minister Bach bemerkte, diese Maßregel müsse wohl ergriffen werden, wenn die Finanzen nicht mehr in der Lage wären, die nächsten fälligen Zinsen in Banknoten zu entrichten. Allein, der Finanzminister entgegnete, daß diese Verlegenheit durchaus nicht eintrete, vielmehr der nächste Zweck der Maßregel eine augenblickliche Verminderung der Papierzirkulation und hiermit Besserung des Wechselkurses sei.

Er behielt sich demnach, da niemand mehr etwas zu erinnern fand, vor, hierwegen die Anträge bei Sr. Majestät zu erstatten19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. Juni 1849.