MRP-1-2-01-0-18490614-P-0096.xml

|

Nr. 96 Ministerrat, Wien, 14. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 15. 6.), Krauß 16. 6., Gyulay 16. 6., Bach 16. 6., Thinnfeld 16. 6., Kulmer 16. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1953 – KZ. 1671 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 14. Junius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Instruktion für den Kommandierenden in Galizien

Der Ministerpräsident eröffnete, daß die russische Regierung wegen einer Erhebung der noch immer organisierten Revolutionspartei in Galizien und wegen des vom dortigen Kommandierenden Baron Hammerstein vorgeschützten Mangels an Instruktionen und Vollmachten zu deren Niederhaltung mehrfache Besorgnisse geäußert habe1. Um demselben zu begegnen, würde der Ministerpräsident dem Baron Hammerstein eine eigene Instruktion dahin erteilen, daß er alle russischen und polnischen Untertanen, die politisch verdächtig sind, festzunehmen, die russischen Untertanen traktatenmäßig ihrer Regierung auszuliefern, wo es nötig, die Beihilfe des russischen Militärs anzusprechen und alle Versuche zu Ruhestörungen exemplarisch zu strafen habe.

Der Ministerrat war hiermit umso mehr einverstanden, als nach Versicherung des Ministers Dr. Bach diese Instruktion im wesentlichen mit denjenigen Aufträgen übereinstimmt, welche dem Kommandierenden bereits früher bezüglich der Erhaltung der Ruhe in der Provinz erteilt worden sind. Von dieser Instruktion soll sowohl der politische Landeschef Graf Gołuchowski als auch der k.k. Gesandte am russischen Hofe eine Abschrift erhalten, letztere mit dem Beisatze, daß Baron Hammerstein bereits früher ähnliche Ermächtigungen, wie in dieser Instruktion erteilt sind, erhalten habe2.

II. Polizei- und Stadthauptmannsstelle in Krakau

Eine weitere, durch den k.k. Gesandten Graf Buol hierher mitgeteilte Klage der russischen Regierung über die schlechte Handhabung der Polizei in Krakau3, namentlich|| S. 405 PDF || über den mit deren Leitung beauftragten Kroebel, welcher, obwohl früher selbst Präses des dort zur Unterstützung der polnischen Flüchtlinge bestandenen Komitees etc., nun bei der bevorstehenden Reorganisierung der Polizeibehörde definitiv zu deren Leiter als Stadthauptmann designiert sein soll, veranlaßte den Beschluß des Ministerrates, Kroebel durch einen tüchtigen Polizeimann zu ersetzen, dessen Wahl zu treffen und in Antrag zu bringen der Vertreter des Ministers des Inneren sich vorbehielt, einstweilen aber den durch sein Polizeitalent ausgezeichneten, beim Ministerium des Inneren zugeteilten Kameralrat v. Weiß nach Krakau zur vorläufigen Erforschung des Standes der Dinge abzusenden und dem k.k. Gesandten am russischen Hofe zur Beruhigung des letzteren zu reskribieren, daß von Kroebels (der bisher nur provisorisch verwendet worden) definitiver Anstellung als Stadthauptmann in Krakau keine Rede, übrigens die Einleitung bereits getroffen worden sei, den fraglichen Posten mit einem vollkommen Geeigneten zu besetzen4.

III. Differenz zwischen den Armeekommissären Emerich v. Péchy und Leopold Ritter v. Sacher-Masoch

Der Vertreter des Ministers des Inneren referierte über eine Differenz zwischen den dem russischen Armeekorps des Generals Rüdiger beigegebenen Armeekommissären Péchy und Sacher, welche derselbe durch die Verfügung abgetan hat, daß er den Beginn der Wirksamkeit des ersteren ausdrücklich dem Zeitpunkte des Einrückens des Korps in Ungern vorbehielt, während Sacher auf die Geschäftsführung in Galizien beschränkt zu bleiben habe5.

IV. Gefahren wegen Mangel an Silberscheidemünzen

Ebenderselbe verlas einen hiesigen Polizeibericht, worin aus Anlaß des im Kleinverkehr so höchst fühlbar gewordenen Mangels an Münze die öffentliche Sicherheit als bedroht geschildert und eine Abhilfe diesfalls dringend angeraten wird6.

Der Finanzminister erklärte das Verschwinden der Scheidemünze (seit September 1848 um 6 Millionen Gulden Silbersechserl) mit dem Mißtrauen in unsere politische Lage und mit den letzten verzweifelten Bestrebungen der Umsturzpartei, der Regierung auf diesem Wege Verlegenheiten zu bereiten. Er hofft von einer günstigen Wendung unserer Angelegenheiten in Ungern auch die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens und davon das Wiedererscheinen des nun allseitig zurückgehaltenen Silbergeldes. Im Widrigen würde, jedoch nur im Falle der äußersten Not, da ein Anleihen unter den jetzigen ungünstigen Konjunkturen zu kontrahieren nicht zu verantworten wäre, zur Emission von 24-Kreuzer-Noten, welche in vier Teile à 6 Kreuzer zu zerschneiden wären, geschritten werden könne, wovon ein Muster vorgezeigt wurde. Im Falle der Zustimmung des Ministerrates und der Ah. Sanktion Sr. Majestät würde die Hinausgabe einer hinlänglichen Menge solcher Noten binnen zehn Tagen möglich sein7.

|| S. 406 PDF || Zur Beratung über die Lage der Bank, insbesondere über die projektierte Emission der 50.000 Reserveaktien, wird Montag den 18. d. [M.] eine Kommission von Sachverständigen beim Finanzministerium abgehalten werden8.

V. Ausgabe von 12 und 6 Lire Tresorscheinen im lombardisch-venezianischen Königreich

Über ein Einschreiten des bevollmächtigten Kommissärs im lombardisch-venezianischen Königreiche Graf Montecuccoli um Hinausgabe kleinerer Tresorscheine à 12 und 6 Lire wird der Finanzminister das Geeignete veranlassen9.

VI. Armeeverpflegung in Galizien

Der Kriegsminister teilte mit Meldungen aus Rzeszów über den guten Fortgang der Armeeverpflegung10, sowie

VII. Reise des Zaren nach Krakau

über die für den 14. d. [M.] angesagte Ankunft des russischen Kaisers in Krakau11,

VIII. Bombardement Venedigs

über die telegraphische Meldung aus Malghera vom 13. d. [M.], daß das Bombardement auf Venedig begonnen habe12,

IX. Belagerungszustand in Jaroměř

über die Erklärung des Städtchens Jaromiěř in Belagerungszustand13,

X. Marsch der Reichstruppen gegen Landau

über den Marsch der (Reichs-)truppen nach Landau und die für den 14. d. [M.] kombinierten Operationen derselben14, endlich

XI. Werbung für die Erzherzog-Ferdinand-Husaren in Troppau

die Anfrage des Militärkommandanten in Troppau, ob bei den dort befindlichen Kadres des Erzherzog-Ferdinand-3.Husarenregiments eine Werbung eingeleitet werden dürfe, nachdem bereits mehre junge Leute dazu sich gemeldet haben15. Der gefertigte Ministerpräsident hält eine solche Werbung, die allerlei Gesindel aufnimmt, eben nicht für wünschenswert. Allein, der Kriegs- , der Finanz- und der Justizminister erklärten sich für die Gestattung einer solche Werbung (wohlverstanden mit Ausschluß von Ausländern und mit möglichster Vorsicht) umso mehr, als von nun an die Husaren nicht mehr ausschließlich eine ungrische Truppe sein und überhaupt bezüglich der Einteilung der Werbbezirke der ungrischen Regimenter umfassende Reformen eintreten sollen.

Am 15. Juni 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 18. Juni 1849.