Nr. 95 Ministerrat, Wien, 13. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Krauß, Bach, Gyulai ab IV., Thinnfeld, Kulmer
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai (ab IV.), Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 14. 6.), Krauß 18. 6., Bach 18. 6., Gyulai 17. 6., Thinnfeld 17. 6., Kulmer 18. 6.; abw.abwesend Stadion, Bruck
MRZ. 1937 – KZ. 1674 –
- I. Friedensverhandlungen mit Sardinien
- II. Stellung der Vagabunden auf Rechnung des Rekrutenkontingentes der Gemeinde, wo sie angehalten wurden
- III. Manifest über die Ernennung des Julius Freiherr v. Haynau zum Oberkommandanten in Ungarn
- IV. Abberufung des Heinrich Grafen Castiglione
- V. Untersuchung der Meuterei der Palatinalhusaren
- VI. Auflösung der Nationalgarde in Steyr und Auszeichnung der Kommandanten jener in Enns und St. Florian
- VII. Bewaffnung der slowakischen Freischaren
- VIII. Instruktion für den Mainzer Festungskommandanten August Freiherr v. Jetzer
- IX. Nachrichten über den des Deutschkatholizismus verdächtigen Regimentskaplans in Mainz
- X. Einreihung des Kanzleidieners Joseph Bittner in den Status des Kabinettsarchivars
- XI. Vorschußleistung auf die Urbarialentschädigung in Ungarn
Protokoll der Sitzung am 13. Junius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern etc. Fürsten Schwarzenberg.
I. Friedensverhandlungen mit Sardinien
Der Ministerpräsident teilte zwei Berichte des Ministers Bruck de dato 7. und 8. Juni mit1, worin die Sendung des Baron Brenner an Massimo d’Azeglio besprochen und erwähnt wird, v. Bruck wolle die Summe von 75 Millionen Francs als Basis der Negotiation über die Kriegsentschädigung annehmen, und er habe nach dem dringend ausgesprochenen Wunsche des sardischen Ministeriums das ohnehin in militärischer Beziehung nicht wichtige Besatzungsrecht in Alexandria aufgegeben, um die Wiederaufnahme der Unterhandlungen und deren baldige Beendigung zu erleichtern2.
II. Stellung der Vagabunden auf Rechnung des Rekrutenkontingentes der Gemeinde, wo sie angehalten wurden
Minister Bach brachte unter Zustimmung des Ministerrates die Erlassung einer Verordnung in Antrag, wornach Vagabunden und andere ausweislose Personen für Rechnung des Rekrutenkontingents der Gemeinde, wo sie angehalten werden, zu stellen sind. Wenn nämlich dies nicht zugestanden wird, so fehlt der wirksamste Sporn für die Gemeinden, sich den Unannehmlichkeiten und Kosten einer solchen zwangsweisen Abstellung auszusetzen3.
III. Manifest über die Ernennung des Julius Freiherr v. Haynau zum Oberkommandanten in Ungarn
Es wurde über Antrag des provisorischen Ministers des Inneren beschlossen, Se. Majestät zu bitten, daß die Ernennung des FZM. Freiherrn v. Haynau zum Armeeoberkommandanten und Leiter der Zivilangelegenheiten in Ungarn und Siebenbürgen4 || S. 402 PDF || durch Ah. Manifest gleich der Ernennung seines Vorfahrers in diesen Ländern kundgemacht werde5.
IV. Abberufung des Heinrich Grafen Castiglione
Die von dem Minister Baron Kulmer mitgeteilte Notiz, daß FML. Graf Castiglioni in den von ihm besetzten ungarischen Komitaten nicht die nötige Energie entfalte, stimmt mit den eigenen Wahrnehmungen des Kriegsministers überein, der zu Graf Castigliones Abberufung die Einleitung treffen wird6.
V. Untersuchung der Meuterei der Palatinalhusaren
Nachdem die Auditoriatsbeamten in Gratz laut der von dorther eingelaufenen Anfragen den richtigen Standpunkt zur Untersuchung und Aburteilung der Meuterei bei Palatinalhusaren nicht aufzufinden wußten, hat FML. Graf Gyulai den Generalauditor Leutnant Linhardt zur Erteilung der nötigen Belehrungen nach Gratz abgesandt7.
VI. Auflösung der Nationalgarde in Steyr und Auszeichnung der Kommandanten jener in Enns und St. Florian
Minister Dr. Bach sprach seine auch von dem Ministerrate sofort geteilte Meinung aus, daß die Nationalgarde in Stadt Steyr, welche sich gegenüber den meuterischen Palatinalhusaren ganz passiv verhalten hat und von keinem guten Geiste beseelt azu sein scheine, nach vorläufig gepflogener Untersuchung angemessen verfügt und nach Befund der Umstände selbst aufgelösta, dagegen die Kommandanten der Nationalgarde in Enns und St. Florian wegen ihres tätigen Einschreitens durch Ah. Auszeichnungen geehrt werden dürften.
Hierüber wird ein au. Vortrag erstattet werden8.
VII. Bewaffnung der slowakischen Freischaren
Über die Anfrage des FML. Legeditsch, ob er dem Hurban und seiner slowakischen Schar die angesuchten 600 Stück Gewehre erfolgen dürfe9, wurde beschlossen, ihm diese Ermächtigung zu erteilen, doch sei diese Freischar militärisch zu organisieren10.
VIII. Instruktion für den Mainzer Festungskommandanten August Freiherr v. Jetzer
Der Ministerpräsident eröffnete, er habe dem FML. Baron Jetzer über seine Anfrage die Instruktion gegeben, daß er vor allem bedacht sein müsse, die Festung Mainz gehörig besetzt zu halten, und er daher von den ihm unterstehenden Truppen nur die für jenen Hauptzweck entbehrlichen und selbst diese nicht weiter als auf die Entfernung eines Tagmarsches detachieren dürfe11.
IX. Nachrichten über den des Deutschkatholizismus verdächtigen Regimentskaplans in Mainz
Der Kriegsminister eröffnete, daß nach den neuesten ihm aus Mainz zugekommenen Berichten der des Deutschkatholizismus verdächtige Regimentskaplan sich von diesem Verdacht völlig gereinigt habe und überhaupt diese Sekte dort bei dem kaiserlichen Militär keine Anhänger finde12.
X. Einreihung des Kanzleidieners Joseph Bittner in den Status des Kabinettsarchivars
Der Finanzminister brachte unter allseitiger Zustimmung in Antrag, daß der dem Minister Baron Kulmer zugewiesene, früher quieszierte Kanzleidiener Bittner gleich den Dienern der Ministerratskanzlei in den Stand der aktiven Dienerschaft des Kabinettsarchivs eingereiht werde13.
XI. Vorschußleistung auf die Urbarialentschädigung in Ungarn
Der Finanzminister las die Äußerung des kaiserlichen Kommissärs Baron Geringer über die ihm mitgeteilten kommissionellen Vorschläge bezüglich der Vorschußleistung auf die Urbarialentschädigung in Ungarn, wobei Baron Krauß diese Vorschläge näher erläuterte und begründete14. Über die bei diesem Anlasse zur Sprache gebrachte Frage, ob alle Exgrundherrn ohne Unterschied mit derlei Entschädigungsvorschüssen zu beteilen wären, wurde nach dem Antrage des Ministerpräsidenten beschlossen, die Vorschußleistung als eine reine Gnadensache auf die Treugebliebenen zu beschränken und notorische Anhänger der rebellischen Regierung davon auszuschließen.
Über mehrere Punkte, namentlich über den Maßstab der Entschädigungsausmittlung nach Sessionen des ehmals domestikalen Grundbesitzes wurde eine weitere Rücksprache mit FZM. Baron Haynau rücksichtlich Baron Geringer vorbehalten15.
Wien, 14. Junius 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. Juni 1849.