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Nr. 93 Ministerrat, Wien, 11. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 11. 6.), Krauß 13. 6., Bach 13. 6., Gyulay 13. 6., Thinnfeld 12. 6., Kulmer 12. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1886 – KZ. 1670 –

Protokoll des zu Wien am 8. Juni 1849 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Verhandlungen zwischen den Venediger Abgesandten und Bruck

Der Ministerpräsident verlas das Schreiben der mit der Unterhandlung über die Bedingungen der Unterwerfung Venedigs beauftragten Bevollmächtigten der dortigen Regierung an den Minister Bruck und dessen ablehnende Antwort darauf1.

II. Entfernung des Jan Maria Sidon aus Jitschin

Ebenderselbe machte des verderblichen Einflusses Erwähnung, welchen der vormalige Reichstagsabgeordnete Gymnasialprofessor Sidon in Jitschin auf die dortige Jugend ausübt, und forderte den Vertreter des Unterrichtsministers auf, womöglich dessen Entfernung von dort zu bewirken, weshalb dieser Minister das Geeignete einzuleiten versprach2.

III. Überführung Christian Plattensteiners nach Kufstein

Mit Beziehung auf die schon im Ministerrate vom 10. d.[M.] sub Nr. I besprochenen Einstreuungen gegen die Abführung des verurteilten ehemaligen Nationalgardebezirkschefs Plattensteiner nach Kufstein teilte der Minister Bach die näheren Umstände über die nun wirklich unterbliebene Abführung desselben mit dem mit, daß, nachdem Plattensteiner eine Ohnmacht und Nervenschwäche fingiert hatte, der den Transport kommandierende Offizier dessen Mitnahme nach Kufstein, obwohl der Polizeihaus­arzt erklärte, es fehle ihm nichts, nicht habe auf sich nehmen wollen, sofort einen andern an seiner Statt abgeführt habe, und daß infolgedessen Plattensteiner auf Anordnung der Stadtkommandantur im Polizeihause und unter der Obhut seines Ordinariums belassen worden sei, wo er bei dem Kommandanten des Polizeihauses in Gesellschaft seiner Gattin gespeist habe etc.

Da die Duldung eines solchen Vorgangs das Ministerium dem gerechten Vorwurfe aussetzen würde, daß es Plattensteiner begünstige, weil er reich sei, so glaubte der Minister, daß in diesem Falle unnachsichtlich auf die Beobachtung des Gesetzes zu dringen sei,|| S. 391 PDF || und behielt sich mit der Bitte um Unterstützung von Seite des Ministerrates vor, nach gepflogener Rücksprache mit dem Kriminal­gerichtspräses die weiteren Anträge zu erstatten3.

IV. Nachrichten aus Preußisch-Schlesien

Derselbe teilte auch mit IV. Notizen aus Preußisch-Schlesien über dort ausgesprochen Unruhen wegen von einer Herrschaft eingeforderten Urbarialgabenreste und

V. Ungarische Rebellionsbrieftaube

den Bericht über die von einem Rossitzauer Bauern aufgefangene Brieftaube, welche angeblich einen Aufruf der Ungern zur Erhebung der Slawen um den Hals gebunden hatte.

VI. Artikel der „Bürgerzeitung“ gegen die Oesterreichische Nationalbank und Maßnahmen zur Änderung des Wechselkurses der Banknoten

Der Finanzminister übergab dem Vertreter des Ministers des Inneren einen Artikel in der hiesigen Bürgerzeitung gegen die Nationalbank, worin in einer sehr aufreizenden Sprache über den Mangel an Silber- und Scheidemünze geklagt, die Ursache davon und von dem hierauf entstandenen Krawall der Facchini in Triest der Bank zur Last gelegt und zu Gewaltschritten gegen dieselbe von Seite der Regierung aufgefordert wird, mit der Einladung, den Redakteur hierwegen zur Verantwortung ziehen, nötigenfalls auch die Unterdrückung dieses Journals anordnen zu lassen4.

Der Minister Bach erklärte, hierwegen das Geeignete vorkehren zu wollen5, fand jedoch, daß hiermit allein die Sache nicht abgetan, sondern daß bei dem von allen Klassen der Bevölkerung gefühlten Bedürfnisse nach Vermehrung der Münze und der weit verbreiteten, selbst von den ministeriellen Blättern (Lloyd etc.) geteilten ungünstigen Meinung über das Gebaren der Bank auch eine Abhilfsmaßregel dringend notwendig sei. Eine solche glaubte zwar der Finanzminister in seinem schon in der Sitzung vom 9. Juni d.J. sub Nr. XV gemachten Vorschlage gefunden zu haben, womit den Staatsgläubigern das Recht eingeräumt würde, die Kupons der Staatsobligationen zum Ankaufe solcher Metalliques zu verwenden, deren Zinsen im Auslande, also in Silber, gezahlt werden. Allein, Minister Bach (mit Beziehung auf seine dagegen schon am oben angezeigten Orte geäußerten Bedenken) äußerte wiederholt, daß er sich von dieser Maßregel keinen guten Erfolg verspreche. Sie habe nur einen transitorischen Wert und würde, da der Kurs durch die finanzielle und politische Lage des Staates bedingt wird, mit dem in nächster Zeit durch entscheidende Schritte in Ungern bevorstehenden Umschwunge der Dinge nicht notwendig sein. Sie werde ferner wesentlich nur den großen Geldbesitzern und Bankiers zugute kommen, indem die kleinen Besitzer, wenn sie sich daran beteiligen wollten, genötigt sein würden, das Geschäft durch Vermittlung der ersteren, also gegen Provision, zu machen. Sie würde endlich zu einer Differenz, d.i. zu einer nach einer gewissen Ziffer sich berechnenden Skala zwischen den Silber- und Papierkupons, und somit nicht nur zu einer Ungleichheit der Behandlung der Staatsgläubiger unter sich, sondern sondern auch, und zwar noch mehr, zu einer Ungleichheit zwischen Staats- und Privatgläubigern führen, welche letzteren durch den Zwangskurs der|| S. 392 PDF || Banknoten genötigt, ihre Zinsen in Papier nach dem Nennwerte zu beziehen, in offenbarem Nachteile sich befinden und zuletzt zu der dem Privatkredit und Verkehr verderblichen Maßregel gezwungen sein würden, sich entweder höhere Zinsen zu bedingen oder ihre Kapitalien aufzukündigen. Der Finanzminister entgegnete hierauf, der vorausgesetzte transitorische Wert der Maßregel entspreche ja gerade den gegenwärtigen Verhältnissen, welche eine dringende Abhilfe verlangen, und eingestandenermaßen sich in nächster Zukunft besser gestalten sollen. Aber die Wirkung derselben, ganz darauf berechnet, den Kredit unsrer Staatspapiere im Auslande zu heben, den Kurs derselben vom Wechselkurse unabhängig zu machen und den letzteren mit einer gleich fühlbaren Besserung des Werts der Banknoten herabzudrücken, werde auch eine dauernde sein und die Ungleichheit der Behandlung der Gläubiger entfallen, sobald der Wechselkurs sinkt, mithin der Gläubiger in Papier eben auch mehr erhält, als er ohne diese Maßregel gegenwärtig erhalten hätte. Kapitalien dürften kaum aufgekündigt werden, weil die Gläubiger dann die Kursdifferenz am Kapitale büßen würden.

Als Minister v. Thinnfeld das Wort ergreifen wollte, mußte die Sitzung wegen Ah. Einladung der Minister nach Hof abgebrochen werden6.

Am 11. Juni 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient Mir zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, den 17. Juni 1849.