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Nr. 92 Ministerrat, Wien, 10. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Gyulai, Bach, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 11. 6.), Krauß 12. 6., Gyulai 12. 6., Bach 11. 6., Thinnfeld 11. 6., Kulmer 11. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1870 – KZ. 1628 –

Protokoll der Sitzung am 10. Junius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern etc. Fürsten Schwarzenberg.

I. Überführung Christian Plattensteiners nach Kuefstein

Der Minister Bach besprach die Einstreuungen, welche gegen die Abführung des gewesenen Nationalgardehauptmanns Plattensteiner nach Kufstein zur Vollziehung der Festungsarreststrafe versucht werden, wodurch jedoch der Vollzug des kriegsrechtlichen Urteiles nicht verhindert werden wird1.

II. Graf Ludwig Batthyánysche Familie um Gestattung des Aufenthaltes in Laibach; Prüfung der Geschäftsführung der Zentralen Untersuchungskommission durch einen Justizministerialrat

Der Ministerrat beschloß, daß dem Gesuche der Frau des in Untersuchung stehenden Grafen Ludwig Batthyány, sich mit ihren Kindern zu ihrem in Laibach in Haft befindlichen Gatten begeben zu dürfen, keine Folge zu geben wäre2, bei welchem Anlaß Minister Bach auf die Notwendigkeit hinwies, die Geschäftsführung der Zentraluntersuchungskommission durch einen Justizministerialrat einer Prüfung unterziehen zu lassen, da dem Ministerium über deren Prozedierung gar nichts Näheres bekannt sei3.

III. Bestellung einer Kommission zur Überprüfung der ungarischen Staatsbeamten

Über Antrag des provisorischen Ministers des Inneren wurde die Zusammensetzung einer Kommission beschlossen, deren Aufgabe darin bestünde, die ungarischen Staatsbeamten in den wieder­zuerobernden Landesteilen einer Sichtung in der Beziehung|| S. 387 PDF || zu unterziehen, ob und in welcher Eigenschaft selbe im Dienste zu belassen wären4.

IV. Auszeichnung für Wenzel Seemann und Eduard Podolski

Ferner wurde beschlossen, das Einschreiten des Gouverneurstellvertreters Freiherrn v. Böhm wegen Erwirkung einer Auszeichnung für den Generalauditor Leutnant Seemann ablehnend zu beantworten5, während Minister Bach sich vorbehielt, bezüglich der für den Polizeikommissär Podolski wegen seiner vorzüglichen Dienste in Gouvernementgeschäften vorgeschlagenen Verleihung des kaiserlichen Ratstitels nach näherer Prüfung der Verhältnisse seinen Antrag zu erstatten6.

V. Pensionierung Ladislaus’ v. Szőgyény-Marich

Nachdem durch die neuesten in Absicht auf die Zivilverwaltung in Ungarn getroffenen Ah. Verfügungen die aktive Dienstleistung des geheimen Rats v. Szőgyény entbehrlich wird, so wurde beschlossen, bei Sr. Majestät darauf au. anzutragen, daß er mit dem Ausdrucke der Ah. Anerkennung für seine treue Dienstleistung amit Rücksicht auf das zugestandene Begünstigungsjahr in Disponibilität zu haltena wäre. Er würde gleich den übrigen ungarischen bBeamten der Hofstellenb seinen vollen Gehalt noch während eines Jahres genießen, doch würden ihm die Diäten sofort eingestellt. Hierüber wird Minister Bach einen au. Vortrag erstatten7.

VI. Weiterbeförderung des Proviantes für die russischen Hilfstruppen

Der von dem provisorischen Minister des Inneren zur Kenntnis des Ministerrates gebrachte Umstand, daß 1300 Vorspannswägen mit Proviant sich in Sillein befinden, woselbst ein Verpflegs­magazin nach den neuesten Dislokationsveränderungen der russischen Armee nicht mehr notwendig sein dürfte, und daß es zu Vermeidung beträchtlicher Kosten sehr notwendig erscheine, baldigst zu erfahren, wohin diese Naturalien zu führen seien, veranlaßte den Ministerpräsidenten sofort ex consilio eine Anfrage hierüber an den kaiserlich russischen General v. Berg zu richten8.

VII. Armeekomplettierung

Über die von dem Kriegsminister in Anregung gebrachte Aushebung von weiteren 30.000 Mann zur Komplettierung der Armee wurde von dem Minister des Inneren eingewendet, daß diese neuerliche Rekrutierung in den meisten Provinzen einen schlimmen Eindruck hervorbringen dürfte, zumal die zunächst berufenen Altersklassen größtenteils erschöpft seien9. Minister Baron Krauß glaubte, es dürfte jedenfalls noch abgewartet werden, bis man den Effektivstand der verschiedenen Armeekorps aus den von Se. Majestät den Korpskommandanten abgeforderten Nachweisungen näher kennen wird10.

VIII. Bestellung eines Landeskommissärs für Siebenbürgen

Das Einrücken der Russen und des FML. Grafen Clam in Siebenbürgen bringt die Notwendigkeit der Bestellung eines Landeskommissärs für dieses Land mit sich. Minister Bach hat sich bereits mit der allerdings schwierigen Wahl eines geeigneten Mannes für diesen Posten beschäftigt11. Der Oberlandeskommissär v. Bedeus (ein Sachse) würde sich in mancher Beziehung dafür eignen, doch gedenkt der Minister Bach vor Erstattung seines definitiven Antrages noch nähere Erkundigungen über dessen Individualität einzuziehen12.

IX. Ordnung der kroatischen Zustände

Die durch den Minister Baron Kulmer zur Kenntnis des Ministerrates gebrachten bedenklichen Beschlüsse der Agramer Slawenska lipa über das kroatische Schulwesen13, welches vom Klerus ganz emanzipiert und in einem antideutschen Sinne umgewandelt werden will, veranlaßten den Minister Bach seine auch von den übrigen Anwesenden geteilte Überzeugung auszusprechen, daß die kroatischen Zustände nur durch einen energischen Militär, welchem verhältnismäßige Truppen zu Gebote stehen, wieder in die Ordnung gebracht werden können. Dies müsse aber bald geschehen, und zwar nicht durch den Banus Jellačić selbst, damit er seine für die kaiserliche Regierung ersprießliche Popularität nicht dabei einbüße14.

X. Verhängung des Belagerungszustandes über die nördlichen Teile Tirols

Die von dem Kriegsminister gestellte Anfrage, ob der FML. Fürst Carl Schwarzenberg ermächtigt werden könne, über die nördlichen Teile Tirols den Belagerungszustand auszusprechen, wenn die Stimmung daselbst und die Verhältnisse im benachbarten Auslande es erheischen, wurde von dem Ministerrate bejahend beantwortet, mit dem Vorbehalte, daß Fürst Schwarzenberg diesfalls mit dem Landeschef Grafen Bissingen sich vorläufig in das Einvernehmen zu setzen habe15.

XI. Instruktion für FML. Carl Fürst Schwarzenberg bezüglich des allfälligen Einschreitens im Auslande

Der Ministerpräsident verlas hierauf den Entwurf einer Instruktion für denselben FML. Fürsten Schwarzenberg über die Fälle, in welchen er mit seinem Korps im Auslande einzuschreiten habe. Wenn nämlich die Aufforderung zur Hülfeleistung ausgeht 1. vom Erzherzog Reichsverweser oder seinem Ministerium, 2. von einer eventuell unter Österreichs Dazwischenkunft gebildeten Reichsgewalt, 3. von dem König von Bayern und seinen Ministern, 4. von dem König von Württemberg, sofern außer Zweifel ist, daß der freie Wille des Königs selbst dabei zum Grunde liegt, 5. von dem Großherzoge von Baden, wenn er einmal wieder in seine Souveränitätsrechte wieder eingesetzt ist, 6. von dem regierenden Fürsten Liechtenstein.

Der Ministerrat war mit dem Inhalte dieser Instruktion völlig einverstanden16.

XII. Regierungsabgeordnete zur Pariser Industrieausstellung

Wurden von dem Finanzminister Baron Krauß die Wünsche des Niederösterreichischen Gewerbsvereines besprochen, welcher glaubt, daß statt zwei Regierungsabgeordneten zur Pariser Industrieausstellung lieber deren vier abgesendet werden dürften, um die verschiedenen Industrie­zweige besser zu vertreten, dann daß 8000 f. für den Ankauf von Mustern zu bewilligen wären17. Minister Baron Krauß glaubt, daß zwei Regierungsabgeordnete jedenfalls genügen dürften und höchstens noch ein Pauschal von 2000–3000 f. für diejenigen Abgeordneten des Vereins zu bewilligen wären, welche sich den ersteren anschließen wollen. Für die Aussetzung einer Dotation zum Ankaufe von Mustern könne er nicht stimmen. Dies sei Sache der Fabrikanten selbst, welche davon Vorteil ziehen wollen, und geschieht ohnehin fortwährend, ohne Unterstützung von Seite des Staates.

Minister v. Thinnfeld glaubte, daß die österreichische Regierung dieses Opfer für die Industrie bringen sollte, zumal die französische Regierung durch ihre Abgeordneten bei der Wiener Gewerbsausstellung Einkäufe von Mustern um einen noch weit höheren Betrag habe machen lassen18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 17. Juni 1849.