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Nr. 88 Ministerrat, Wien, 5. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 6. 6.), Krauß 8. 6., Bach 8. 6., Gyulay 8. 6., Thinnfeld, Kulmer 8. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1812 – KZ. 1624 –

Protokoll des Ministerrates gehalten zu Wien am 5. Junius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Enthebungsgesuch Emerich v. Péchys

Der Ministerpräsident übergab ein an ihn gelangtes Gesuch des Emerich v. Péchy um Enthebung von der Intendantur bei den russischen Truppen dem Stellvertreter des Ministers des Inneren zur weiteren Verfügung1, welche derselbe dahin beantragte, daß, nachdem dieses Begehren durch eine zwischen Péchy und dem russischen General Rüdiger stattgefundene Mißhelligkeit veranlaßt worden, der k.k. General Legeditsch beauftragt werden dürfte, eine Ausgleichung diesfalls zu bewerkstelligen, Péchy aber aufzufordern wäre, sein Amt wie bisher fortzuführen2.

II. Verhandlungen mit Venedig

Der Ministerpräsident teilte weiters mit zwei Schreiben des Ministers v. Bruck vom 31. v. und 1. d.M., wornach in Folge eines nach der Einnahme Malgheras von ihm an den Präsidenten der usurpierten Regierung in Venedig, Manin, gerichteten Schreibens letzterer zwei Bevollmächtigte zur Unterhandlung über die Unterwerfung Venedigs ins Hauptquartier abgesandt hat, über deren Resultat seinerzeit die Mitteilung gemacht werden wird3. Inzwischen seien die Feindseligkeiten nicht eingestellt worden. V. Bruck wiederholt aus Anlaß der angeordneten Absendung einer Brigade des italienischen Heeres nach Ungern den schon mehrmals geäußerten Wunsch, daß vor gänzlicher Bezwingung der Rebellion im lombardisch-venezianischen Königreiche keine Verminderung der dortigen Truppen zugelassen werde.

Zugleich zeigt er an, daß er demnächst nach Mailand zurückkehren werde, um die Friedensunter­handlungen mit Sardinien wieder anzuknüpfen; und da auf den günstigen Fortgang derselben entscheidende Erfolge der k.k. Truppen in Ungern von dem wirksamsten Einflusse sein würden, so ersucht er mit dem Wunsche baldigen ernsten Beginnens|| S. 367 PDF || der Operationen in Ungern, daß man ihn von den jedesmaligen Fortschritten so schnell als möglich in die Kenntnis setze4.

III. Unterstützungskomitee in Preßburg

Der Minister Bach kündigte den an Se. Majestät zu erstattenden Vortrag in betreff des zu Preßburg ins Leben getretenen Unterstützungskomitees für patriotische Zwecke an5.

IV. Kein Kriegszustand in den Grenzkreisen Mährens

Derselbe referierte ferner, daß mit der Ausführung der im Ministerrate vom 27. Mai 1849 sub No. X. besprochenen Inkriegsstanderklärung der an Ungern grenzenden Kreise Mährens und Schlesiens, wozu vom Landeschef bereits alle Vorkehrungen getroffen worden, doch auf dessen Ansuchen einstweilen und insolange innegehalten werden möge, bis derselbe, der demnächst in Wien eintreffen wird, sich hierwegen mit dem Minister des näheren verständiget haben würde6.

V. Meuterei der Palatinalhusaren

Minister Bach teilte auch eine Meldung aus Linz mit über eine Meuterei, welche unter der auf dem Marsche nach Steiermark befindlichen Abteilung von Palatinalhusaren ausgebrochen7, wogegen der Kriegsminister diesfalls beruhigende Berichte erhalten zu haben erklärte8.

VI. Rückkehr der Rastätter Truppen

Der Kriegsminister las einen Bericht des Generals Ullrichsthal vom 31. v.M.9, woraus zu ersehen, daß die in Rastatt gestandenen k.k. Truppen auf dem Marsche nach Innsbruck demnächst daselbst eintreffen werden; daß ferner der als Reichskommissär abgesandte Bally ihn, Ulrichsthal, zur Teilnahme an dem Einschreiten der Reichstruppen wider den Aufstand im Badenschen aufgefordert, von ihm aber mit Hinweisung auf die Schwäche der ihm zu Gebote stehenden Truppen eine ausweichende Antwort erhalten habe10.

VII. Munitionsanfertigung für die Russen

Auf die Anfrage des Kriegsministers, was es in Ansehung der von dem Oberbefehlshaber der russischen Hilfstruppen für den Gebrauch derselben vorbehaltenen eigenen Bereitung der Munition für eine Bewandtnis habe, erklärte der Ministerpräsident , daß zu diesem Behufe außer dem zu Tarnow bereits bestehenden Etablissement noch ein zweites, statt wie angetragen zu Lemberg, auf den Wunsch des Fürsten Paskiewitsch zu Olmütz eingerichtet worden und daß der hierwegen abzusendende russische Offizier vom Kriegsministerium dorthin anzuweisen sei11.

VIII. Geldanweisung für Eduard Graf v. Clam-Gallas

Der Kriegsminister nahm für den neuernannten kommandierenden General in Siebenbürgen Graf Clam bei dem bevorstehenden Einrücken desselben auf seinen Posten zur Bezahlung der Truppen 200.000 fr. in Anspruch12.

Der Finanzminister fand diese Summe mit Rücksicht auf den Stand dieser Truppen (8000 Mann) und auf den Umstand, daß bereits Gelder dahin disponiert worden sind, zu hoch, und würde 100.000 fr. für genügend halten, versprach indessen das möglichste tun und noch heute die Anweisung geben zu wollen13.

IX. Ergänzung der Reservebataillons

Der Kriegsminister erklärte weiters, daß, nachdem zur Komplettierung der Artillerie 2800 Mann benötigt werden und die in der Aufstellung begriffenen Reservebataillons als Feldbataillons ausgerüstet werden sollen, auf die nötige Ergänzung mittelst Nachstellung oder neuer Rekrutierung vorgedacht werden müsse. Hierüber bemerkte der Vertreter des Ministers des Inneren , daß die von der letzten Rekrutierung noch rückständigen 20.000 Mann bis 15. Juni nachgestellt sein müssen. Das Resultat der Nachstellung werde zeigen, ob und was alsdann noch für den vom Kriegsminister beabsichtigten Zweck vorzukehren nötig sei. Da übrigens die im heurigen Frühjahr stattgehabte Losung für ein ganzes Jahr gültig sei, so würde, nach dem günstigen Fortgang der ersten Rekrutierung zu schließen, selbst eine zweite keinen wesentlichen Schwierigkeiten unterliegen, awenn sie nicht zu bedeutend ista .14

X. Stabsoffiziersstelle für Georg Stratimirović

Der Kriegsminister referierte ferners über das Einschreiten des Banus Baron Jellačić um Ernennung des serbischen Generals Stratimorović zum k.k. österreichischen Stabsoffizier15.

Der Ministerpräsident würde diese Ernennung bei der Persönlichkeit Stratimirović für nicht wünschenswert halten, wenn nicht etwa eine derlei Bedenklichkeit durch|| S. 369 PDF || den vom Justizminister hervorgehobenen Umstand, daß Stratimiroviæ gerade durch die Aufnahme in die k.k. Armee der gehörigen Disziplin und Überwachung unterworfen würde, dann durch die auch vom Minister­präsidenten anerkannte Rücksicht für die Empfehlung des Banus überwogen werden sollte16.

XI. Berufung Ludwig Grafen Batthyány auf höhere Befehle

Sofort brachte der Kriegsminister die bei der Justizabteilung seines Ministeriums vorgekommene Frage zur Sprache, welche Folge den Berufungen zu geben sei, welche der ehemalige ungrische Minister Graf Ludwig Batthyány auf angebliche Anordnungen des Erzherzog Palatins zur Entschuldigung seiner Vorgänge anzuführen sich erlaubt17. Solche würden schon nach dem Begriffe eines konstitutionellen verantwortlichen Ministers überhaupt unzulässig sein; das Nähere werde sich nach Einsicht der betreffenden ungrischen Gesetzartikel, die jedoch eben nicht zur Hand waren, zeigen18.

XII. Dampfbooteanschaffung auf dem Bodensee

Der Kriegsminister machte endlich auf die Notwendigkeit aufmerksam, welche unter den gegenwärtigen Verhältnissen Deutschlands für die österreichische Regierung bestehe, im Besitze eines Dampfbootes auf dem Bodensee zu sein, und behielt sich in dieser Beziehung vor, dem General Ullrichsthal das Gutachten abzufordern, ob und wie ein solches, sei es kaufs- oder mietweise, zu akquirieren wäre19.

XIII. Kommando der Preßburger Dampfboote

Der Minister Bach erinnerte zum Schlusse, daß, wie er aus sicherer Quelle wisse, die meisten Kapitäns der Dampfschiffe auf der Route zwischen Wien und Preßburg Mitschüler Görgeys oder doch in vertrauten Verhältnissen mit ihm gestanden, daher sehr leicht einer Versuchung ausgesetzt seien. Er fände es daher angemessen, daß in Ansehung des Kommandos dieser Dampfschiffe irgendeine Vorkehrung getroffen werde, in welcher Beziehung er bei dem Umstande, wo diese Schiffe itzt größtenteils zu militärischen Zwecken verwendet werden, eine entsprechende Einladung an das Ministerium des Kriegswesens zu erlassen sich vorbehält. Der Finanzminister setzte hinzu, daß auch das Handelsministerium dabei nicht übergangen werden dürfte20.

|| S. 370 PDF || Am 6. Junius 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 14. Juni 1849.