MRP-1-2-01-0-18490604-P-0087.xml

|

Nr. 87 Ministerrat, Wien, 4. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulay, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 5. 6.), Krauß 8. 6., Bach 7. 6., Gyulay 8. 6., Thinnfeld, Kulmer 8. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1811 – KZ. 1623 –

Protokoll der in Wien am 4. Juni 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Stabilisierung der Geldverhältnisse

Auf die Bemerkung des Ministerpräsidenten , daß es zur Hebung unserer Geldverhältnisse und Beseitigung der Schwankungen im Geldwerte1 gut wirken dürfte, wenn unter das Publikum gebracht würde, daß sich die Regierung ernstlich mit diesem Gegenstande beschäftige, in welcher Absicht die Abhaltung einer Konferenz bei der Finanzverwaltung mit Zuziehung von Sachverständigen und von einigen Geldmännern angedeutet schiene, entgegnete der Finanzminister Freiherr v. Krauß , daß die Finanzverwaltung dieser Angelegenheit fortwährend Aufmerksamkeit schenke, was auch das Publikum wisse, und las einen noch heute an den Bankgouverneur zu expedierenden Erlaß2 vor, nach welchem der Bank, welche bei einer so wichtigen Sache nicht teilnahmslos bleiben kann, folgende Fragen zur Erwägung der Bankdirektion mitgeteilt werden, a) aus welchen Ursachen das Steigen des Wechselkurses und des Silber- und Goldagios entspringe, und ob die Entwertung der Banknoten als bleibend anzusehen sei, b) welche Mittel als die zweckmäßigsten befunden werden, die Kurse zu heben, c) die Summe festzusetzen, welche die Banknotenemission nicht überschreiten darf, d) da die Bank bisher die Hälfte ihrer Aktien nicht ausgegeben hat, so hätte sie zu erwägen, ob die Ausgabe der anderen Hälfte und zu welchen Preisen zu geschehen hätte (die Veräußerung der Bankaktien würde teils in Silbermünze, teils in Banknoten geschehen; durch das eingehende Silbergeld würde der Bankfonds erhöht, und durch die einfließenden Banknoten der Banknotenumlauf Banknotenumlauf vermindert werden; die jetzigen Besitzer von Bankaktien hätten bei einem solchen Ankauf den Vorzug), e) ob das Escompte- und|| S. 361 PDF || Darleihensgeschäft der Bank nicht einer Beschränkung unterzogen werden solle (einige Häuser benützen den Bankkredit in einem zu ausgedehnten Maße, so Rothschild mit 7 Millionen, Sina mit einer gleichen Summe, Eskeles mit 2 Millionen usw. Durch die Beschränkung dieses Kredits würden die Banknoten aus der Zirkulation in die Bank zurückfließen).

Der Finanzminister bemerkte bei diesem Anlasse weiter, in Österreich bestehe das eigene Verhältnis, daß wir in einem Teile die Zirkulation in Münze, im andern Teile in Papiergeld haben. Wo die Zirkulation in Münze ist, werde auf die Wechsel ebenso spekuliert wie auf das Ausland. Dies habe ihn bisher abgehalten, Wechsel auf Mailand zu trassieren. Durch die Tresorscheine sei nun das Mittel hiezu geboten, und er werde in paar Tagen um einige 100.000 f. Werte dahin schicken, so wie er auch in kurzer Zeit mehrere Millionen Lire aus Italien zu erhalten hoffe3. Überhaupt meinte Baron Krauß, seien die Verhältnisse nicht so desperat, als man glaubt. Die feindseligen Geldmächte benützen nur noch die Zwischenzeit zwischen dem Frieden in Italien und Besiegung des Aufstandes in Ungarn, um noch so viel Vorteil als möglich daraus zu ziehen. Kommen wir über diese Zeit hinweg, dann dürften sich die Verhältnisse schnell zum Besseren wenden4.

II. Berufung des Eduard Grafen Clam-Gallas nach Siebenbürgen; Geldsendung in die Walachei

Der Ministerpräsident eröffnete, daß FML. Graf Clam nach Pensionierung des zum Kommando nicht mehr geeigneten FML. Baron Puchner mit den ausgebreitetsten Vollmachten nach Siebenbürgen bestimmt sei5, und daß, da österreichischen Banknoten in der Walachei, wo das siebenbürgische Korps sich befindet, nicht gelten, dafür zu sorgen wäre, klingende Münze dahin zu bringen, um die dortigen, den größten Entbehrungen ausgesetzten 7000 Mann wieder dienstfähig zu machen.

Der Finanzminister bemerkte, daß er bereits eine Million für dieses Korps angewiesen habe, wovon aber dasselbe nichts erhalten zu haben scheint6.

III. Bestellung des Carl Freiherr Geringer v. Oedenberg als Ministerialkommissär in Ungarn

Las der Ministerpräsident die von dem Minister Dr. Bach verfaßten Entwürfe zu den Kabinettsschreiben wegen Bestellung des Baron Geringer als Ministerialkommissär für Ungarn vor, in welchen nach der Andeutung des Ministers Baron Kulmer lediglich die Änderung der Worte, daß dem Geringer die Oberleitung der Zivilangelegenheiten übertragen werde, in, daß er als königlicher Kommissär für die Zivilangelegenheiten bestimmt werde, beliebt wurde7.

IV. Petition mehrerer Gemeinden des Bunzlauer Kreises um Zurücknahme der oktroyierten Reichsverfassung

Derselbe Minister teilte mit, daß 50 Gemeinden des Bunzlauer Kreises in Böhmen ein Gesuch überreicht haben, worin sie um die Zurücknahme der oktroyierten Verfassung, um schleunige Zusammenberufung des Landtages und um die Entlassung des Ministeriums, das ihr Vertrauen nicht genieße, bitten. Hierüber wird den Bittstellern ein entsprechend trockener Bescheid von Seite des Ministers des Inneren zuteil werden. An den böhmischen Landeschef Baron Mecséry wäre aber gleichzeitig ein Handschreiben zur Veröffentlichung durch eine Zeitung zu erlassen, worin ausgesprochen wird, daß Se. Majestät an der Aufrechthaltung der Reichsverfassung, welche von der überwiegenden Mehrzahl der Staatseinwohner mit innigem Danke aufgenommen wurde, auch in dem Kronlande Böhmen fest bestehen, um die früheren unsicheren Zustände nicht wieder hervorzurufen.

Obwohl diese Eingabe nach der Bemerkung des FML. Grafen Gyulai nur als eine Petition angesehen und die Frage aufgeworfen werden könnte, ob es notwendig sei, aus diesem Anlasse eine neue Manifestation der Regierung zu erlassen, so vereinigte er sich doch wie auch die übrigen Stimmführer mit dem Erlasse an Mecséry, weil dadurch die Tendenzen gegen die Regierung beseitiget werden, diese Manifestation ihre heilsame Wirkung nicht verfehlen dürfte, und diese Petition nicht isoliert dasteht, sondern nur eine Probe ist, nach welcher sich mehrere andere Gemeinden in Böhmen richten würden8.

V. Gesuch der Anna Fizia um Begnadigung ihres Gatten

Die von dem Ministerpräsidenten zur Sprache gebrachte Bittschrift einer gewissen Anna Fizia um Begnadigung ihres Gatten wird nach dem Beschlusse des Ministerrates den Akten beigeleget.

VI. Nachrichten aus Warschau

Derselbe Minister teilte dem Ministerrate mit a) Korrespondenzen aus Warschau, worin unter anderm vorkommt, daß der Brief Sr. Majestät unseres Kaisers an den Feldmarschall Paskiewitsch die beste Wirkung daselbst hervorgerufen habe9, b) Briefe von Paskiewitsch, nach welchen dem FZM. Baron Hammerstein der Befehl zugekommen, daß er dem Feldmarschall Paskiewitsch zu unterstehen und von den ihm unterstehenden Truppen mit 16.000 Mann ein Lager bei Lemberg beziehen zu lassen habe10, c) daß der Rebellenhäuptling Bem dem Omer Pascha geschrieben, er möchte die in die Walachei übergetretenen österreichischen Truppen entwaffnen, worüber Omer so aufgebracht|| S. 363 PDF || gewesen sein soll, daß er den Sultan, seinen Herrn, gebeten habe, ihm die Erlaubnis zu geben, gegen die Ungarn zu ziehen11.

Bei Gelegenheit der Mitteilung der Nachrichten aus Warschau bemerkte der Ministerpräsident über die zu Warschau hinsichtlich der russischen Kooperation in Ungarn getroffenen Verabredungen zur Kenntnis des Kriegsministers, daß die Russen verlangt haben, separat zu operieren, was zugestanden wurde. Sollten die beiden Armeen, was wohl nicht wahrscheinlich ist, an einem Schlachttage koinzidieren, so kommandiert Paskievitsch als Feldmarschall, die Russen operieren am linken Donauufer, die Österreicher am rechten Ufer, die Russen übernehmen die Blockade von Komorn am linken Donauufer. General Berg sei bloß die Mittelsperson zwischen dem Kaiser von Rußland und unserem Kaiser12.

VII. Dotation zum Ankaufe von Lebensmitteln in Galizien für die russischen Truppen

Der Minister Dr. Bach erwähnte einer Mitteilung des galizischen Landeschefs, worin dieser um 2 Millionen, und darunter 500.000 f. Silber, ansucht, um dort Ankäufe für die russischen Bedürfnisse zu machen. Diese Eingabe, sowie die weitere, daß diese Bedürfnisse die Grenze zollfrei passieren dürfen, werden dem Finanzministerium mitgeteilt13.

VIII. Olmützer Bürgerkorps um eine Auszeichnung

Derselbe Minister besprach hierauf ein Gesuch aus Olmütz, welches dahin gerichtet ist, Se. Majestät möchten Sich in Olmütz ein Denkmal dadurch setzen, daß dem dortigen Bürgerkorps gestattet werde, eine Medaille mit dem Ah. Bildnisse in seiner Fahne zu führen. Der Minister findet mit Zustimmung des Ministerrates dieses Gesuch zur Willfahrung nicht geeignet, weshalb diese Sache fallenzulassen wäre14.

IX. Berufung des Professors Georg Phillips nach Österreich

Der Minister Ritter v. Thinnfeld erklärte die Absicht, einen au. Vortrag an Se. Majestät wegen Berufung des Professors Phillips nach Österreich zu erstatten, wobei er äußerte, daß es zweckmäßiger zu sein schiene, diesen Professor lieber in Wien als in Innsbruck zu verwenden15. Im kanonischen Rechte leiste er Ausgezeichnetes, in Innsbruck sei kein Seminarium, und nur wenige Juristen würden seine Vorlesungen hören. Er würde hier nebst dem kanonischen Rechte auch noch die Rechtsgeschichte vortragen|| S. 364 PDF || und stelle keine anderen Bedingungen, als wie sie bereits mehreren anderen Professoren zugestanden worden sind.

Der Ministerpräsident und der Minister Dr. Bach halten den übrigens sehr geschickten Professor Phillips für einen dezidierten Parteimann, der in Innsbruck besser als hier auf seinem Platze wäre, wohin anfänglich auch sein Wunsch gerichtet war.

Der Ministerrat hat beschlossen, daß vor Erstattung eines diesfälligen Vortrages an Se. Majestät vorläufig noch der Landeschef in Tirol Graf Bissingen konfidentiell zu fragen wäre, welchen Eindruck die Berufung Phillips nach Innsbruck im Lande verursachen würde, und dem Phillips wäre zu schreiben, daß über sein Gesuch bereits die nötigen Schritte eingeleitet worden seien .

X. Verhandlungen wegen der russischen Kooperation

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte zur Kenntnis des Ministerrates die weiteren Verhandlungen mit der russischen Regierung aus Anlaß der russischen Kooperation16. Es wurde vom FML. Grafen Caboga bemerkt, daß den Verhandlungen der russische Entwurf zur Grundlage genommen wurde und daß zwischen diesem und dem deutschen eine große Verschiedenheit bestehe. Die kaiserliche russische Regierung verlange gleich die Bezahlung der Lieferungen, die von ihr gestellten Preise seien hoch, da Rußland die Ankäufe um jeden Preis mache: 1 1/2 Millionen Silberrubel wären jetzt gleich zu diesen Zahlungen nötig, eine Zollfreiheit soll nicht zugestanden werden, die Verwechslungskassen werden entschieden abgelehnt, weil die Soldaten nichts zu verwechseln hätten und den Offizieren ihr Gold und Silber bekannt sei. Unter diesen Umständen bleibt nichts übrig, als durch eine genaue Evaluierung dem Betruge vorzubeugen17.

XI. Privilegierungsgesuch Anton Kussins

Derselbe Minister eröffnete mit Beziehung auf einen früheren Ministerratsbeschluß wegen begünstigter Errichtung eines Etablissements zur Verwendung und Verwertung des Salzwassers, daß der Unternehmer (Kussin) um nichts besonders anspreche, wodurch sich die Sache von selbst behebe18.

XII. Pension für die Witwe des GM. Heinrich Hentzi Edler v. Arthurm; Ernennung des Ferdinand Grafen v. Wurmbrandt-Stuppach zum Obersthofmeister des Erzherzogs Franz Karl

Der Kriegsminister FML. Graf Gyulai brachte unter anderm die Ah. Entschließung zur Kenntnis des Ministerrates, daß Se. Majestät der Witwe des Generals Hentzi nebst einer zeitlichen Unterstützung von 1000 f. eine jährliche Pension von 600 f. und eine Zulage von 600 f. zu bewilligen19, ferner den Grafen Wurmbrandt zum Obersthofmeister bei Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Karl zu ernennen und ihm die geheime Ratswürde zu verleihen geruhet haben20.

XIII. Berichte über die Operationen bei Ancona und Brondolo

Derselbe Minister teilte schließlich den Rapport des k.k. Vizeadmirals Dahlerup über die Operationen bei Ancona und Brondolo mit21. Dahlerup erwähnt darin der ausgezeichneten Dienste des Oberstleutnants Bendaj und des Majors Tantz und trägt auf eine Dekorierung derselben an. Da versichert wird, daß diese Auszeichnung auf den Geist der ganzen Eskader gut einwirken würde und die zur Auszeichnung angetragenen Offiziere dem Kriegsminister als tüchtige Männer bekannt sind, so einigte sich der Ministerrat in dem Beschlusse, daß für Tantz auf die taxfreie Verleihung des Ritterkreuzes des Leopoldordens und für Bendaj auf eine gleiche Verleihung des Ordens der Eisernen Krone dritter Klasse anzutragen wäre22.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, 14. Juni 1849.