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Nr. 82 Ministerrat, Wien, 29. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Thinnfeld, Kulmer; BdE. Schwarzenberg (30. 5); [Da der Mantelbogen fehlt, sind keine weiteren Angaben möglich]; abw. Stadion, Cordon, Bruck.

MRZ. 1680 – KZ. 1566 –

Protokoll zu der in Wien am 29. Mai 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Proklamation an die Ungarn

Nachdem der von Sr. Majestät Ag. zum Ministerratssekretär ernannte Protokollsführer Baron Ransonnet den Eid in dieser Eigenschaft abgelegt hatte1, eröffnete der Ministerpräsident die Sitzung mit Verlesung der Proklamation, welche der Feldmarschall Fürst von Warschau an die Ungarn zu erlassen gedenkt2.

II. Enthebung des FZM. Ludwig Freiherr v. Welden von seinem Posten und Bestimmung des FML. Julius Freiherr v. Haynau zu seinem Nachfolger

Hierauf teilte Fürst Schwarzenberg den Inhalt eines soeben von dem FZM. Baron Welden erhaltenen Schreibens mit, worin er bittet, daß ihm mit Rücksicht auf seine Kränklichkeit die Ag. Enthebung von dem Posten eines Armeeoberkommandanten erwirkt werde3.

Der Ministerpräsident äußerte sein Bedauern, daß Baron Welden diesen Schritt getan habe, allein, nachdem er auf das bestimmteste erklärt, den großen Anforderungen dieses schwierigen Postens bei seinem dermaligen körperlichen Zustande nicht gewachsen zu sein, so glaube Fürst Schwarzenberg, die Bitte um Enthebung bei Sr. Majestät au. unterstützen und darauf antragen zu sollen, daß FML. Baron Haynau mit dem Oberkommando betraut werde, der die dazu erforderlichen militärischen Eigenschaften im hohen Grade besitzt und sich bereits an Ort und Stelle befindet. So wünschenswert es auch wäre, den gefeierten Feldmarschall Grafen Radetzky an die Spitze der ungarischen Armee stellen zu können, so sei doch seine Gegenwart unter den dermaligen Verhältnissen in Italien unentbehrlich, und unter den übrigen Kommandanten österreichischer|| S. 346 PDF || Armeekorps wisse Fürst Schwarzenberg niemanden vorzuschlagen, der den höheren militärischen Blick und die Gabe, auf die Mannschaft begeisternd zu wirken, in dem Maße besitze wie FML. Baron Haynau4.

III. Ernennung des Carl Freiherr Geringer v. Oedenberg zum Leiter der ungarischen Ziviladministration

Der provisorische Minister des Inneren äußerte, daß wofern FZM. Baron Welden vom Oberkommando enthoben wird, seinem Nachfolger nicht mehr dieselbe Gewalt in der Zivil­administration Ungarns einzuräumen wäre. Die Leitung der Zivilverwaltung würde nämlich in die Hände des Ministerialkommissärs zu legen sein, jedoch in der Art, daß die Verfügungen stets als vom Armeeoberkommandanten ausgehend zu betrachten wären, damit dieselben gegenüber dem Lande sowohl als den militärischen Vollziehungsorganen den gehörigen Nachdruck erhalten5.

Minister Bach eröffnete ferner, daß Ministerialrat Baron Geringer sich zur Übernahme der ihm zugedachten Mission bereit erklärt habe, gegen dem, daß er im Ministerium die nötige Stütze finde, um mit Erfolg wirken zu können, und daß ihm seine im Dezember v.J. Allerhöchstenorts erhaltene Bestim­mung zum königlichen Kommissär für Siebenbürgen vorbehalten bleibe, gegen welche Bedingungen wohl nichts zu erinnern sei6. Der Minister las sofort die dem Baron Geringer zu erteilende Instruktion, welche mit den durch die Änderung im Armeeoberkommando herbeigeführten Modifikationen der Ah. Genehmigung zu unterziehen wäre.

Gegen deren Inhalt ergab sich im wesentlichen keine Erinnerung7.

IV. Italienische Zustände

Der Ministerpräsident las einige Berichte des Handelsministers über italienische Zustände8.

V. Ah. Anerkennung für die vor Ofen Gefallenen

Der provisorische Minister des Inneren brachte unter Zustimmung des Ministerrates in Anregung, daß Se. Majestät Allerhöchstsich bewogen finden dürften, aus Anlaß der Erstürmung Ofens (allenfalls in einem Armeebefehl) eine Ah. Anerkennung der Verdienste der Gefallenen auszusprechen, die Versorgung der zurückgebliebenen Angehörigen anzuordnen und vielleicht auch dem betreffenden Regimente eine bleibende Auszeichnung Ag. zu verleihen9.

VI. Tresorscheine in Italien

Der Finanzminister eröffnete, daß sich in den italienischen Provinzen der Bedarf zur Ausgabe von kleineren Tresorscheinen im Nennwert von 15 Lire herausgestellt|| S. 347 PDF || habe, daher er dieselbe nach vorläufig eingeholter Ah. Genehmigung einzuleiten gedächte.

Einstimmig angenommen10.

VII. Pariser Gewerbeausstellung

Baron Krauß las hierauf den Entwurf der Erlässe des Handelsministeriums, wodurch die Wiener Handelskammer aufgefordert wird, einen Vorschlag für die zur Pariser Ausstellung abzusendenden Delegierten aus dem österreichischen Gewerbstande zu erstatten11.

VIII. Armeeintendantenstelle für Török

Minister Baron Kulmer eröffnete, daß v. Babarczy die ihm zugedachte Armeeintendantenstelle abgelehnt habe, und wies auf den gewesenen Statthaltereisekretär Grafen Török als dazu vorzüglich geeignet hin12.

IX. Privilegiumsverleihung an Anton Kussin

Der Finanzminister Baron Krauß besprach das Gesuch des N. Kussin wegen eines fünfjährigen ausschließenden Privilegiums zur Sodafabrikation aus Salzsole13.

Nachdem nebst ihm noch andere Individuen sich um dieses Fabrikationsbefugnis beworben haben, so dürfte unter denselben eine Art Lizitation eingeleitet werden und derjenige den Vorzug erhalten, der sich mit der kürzesten Privilegiumsdauer zufrieden stellt. Ohne Erinnerung14.

X. Herausgabe einer kroatischen Zeitschrift

Minister Bach eröffnete das Resultat seiner Unterhandlungen mit Dr. Gaj, um ihn zur Herausgabe einer kroatischen Zeitschrift im Interesse der Regierung zu bestimmen. Derselbe verlangt einen Vorschuß der Kaution per 1000 f. arespective 2000 f. bei täglichem Erscheinena von den Finanzen und eine monatliche Subvention von 150 f.

Nachdem Gaj als gewandter Publizist der guten Sache sehr nützlich sein kann, so wurde die Bewilligung dieser Bedingungen einstimmig beschlossen15.

XI. Ansuchen des Vladika von Montenegro um Erbschaftsausfolgung

Der Justizminister eröffnete, es liege das Ansinnen des Vladika von Montenegro um Erfolgung einer aus Dalmatien angefallenen Erbschaft vor, mit dem Anbote der Reziprozität. Auf diesen Antrag wäre einzugehen, jedoch mit dem Vorbehalte, daß die Grundstücke in Dalmatien von Montenegrinern aus triftigen Ursachen nicht besessen werden dürfen, unbewegliche Güter der Verlassenschaften zu veräußern und nur der Erlös dafür den Erben zu erfolgen wäre.

Ohne Erinnerung16.

XII. Reorganisierung der Studentenausschüsse in Prag

Der provisorische Minister des Unterrichts eröffnete unter Zustimmung des Ministerrats, daß er auf die angesuchte Reorganisierung der Studentenausschüsse in Prag jetzt umso weniger einzugehen gedenke, als die Sache bei der nach beendigtem Schuljahre bevorstehenden Reorganisierung der ganzen Universität ohnehin zur Sprache kommen werde17.

XIII. Ertrag der Bergwerke

Schließlich besprach Minister v. Thinnfeld die in der letzten Monatsübersicht der Finanzen erscheinenden allzu niedrigen Ziffern des Ertrags von den Bergwerken18, und es wurde beschlossen, darüber einen erläuternden Artikel in die Wiener Zeitung einzurücken19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt des vorliegenden Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 11. Juni 1849.