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Nr. 81 Ministerrat, Wien, 27. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 28. 5.), Krauß 1. 6., Bach 1. 6., Cordon 1. 6., Thinnfeld, Kulmer 3. 6.; abw. Stadion, Cordon, Bruck.

MRZ. 1670 – KZ. 1565 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 27. Mai 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Oberkommando über die k.k. Truppenkorps an der unteren Donau; Verlegung des Reservekorps von der Steiermark nach Ungarn

Der Finanzminister machte den Antrag, die dem Lande Tirol infolge Ministerratsbeschlusses vom 28. Mai 1848, MR. 963, mit Ah. Genehmigung vom 26. Juni 1848, MR. 1111 1, auf ein Jahr zugestandene Befreiung der Warendurchfuhr nach der illyrischen Seeküste von dem Durchfuhrzolle auf ein weiteres Jahr zu verlängern, wogegen bei dem Fortbestande der gleichen Verhältnisse wie im vorigen Jahre kein Anstand erhoben wurde2.

II. Extrablatt über Ofens Einnahme

Derselbe machte auf die heute früh mittelst Extrablatts veranlaßte Bekanntmachung der Einnahme Ofens durch die Insurgenten als auf eine Unzukömmlichkeit aufmerksam, nachdem diese auf einer bloßen Kundschaftsnachricht beruhende, ein widriges Ereignis in grellen Farben schildernde Anzeige füglich dem gewöhnlichen Zeitungsblatte hätte vorbehalten bleiben können3.

Die von dem Minister Bach auf der Stelle eingeleitete Erhebung lieferte das Resultat, daß der Aufsatz für diesen Zeitungsartikel von Seite des Kriegsministeriums am 26. abends um 8 Uhr zur Einrückung dem Wiener Zeitungs-Comptoir zugesendet worden, daß dasselbe hierauf mit der Anzeige, daß morgen, Pfingstsonntag, kein Blatt ausgegeben werde, sich angefragt habe, was zu tun sei, und auf die vom Kriegsministerium erhaltene Antwort, „man könnte tun, was man wolle“, sich zur Ausgabe des Morgenextrablatts veranlaßt gesehen habe.

Unter diesen Verhältnissen träfe das Zeitungscomptoir kein Vorwurf; der Finanzminister fand sich indessen zu der Bemerkung veranlaßt, daß, um ähnlichen Mißgriffen|| S. 341 PDF || vorzubeugen, sich fortan an die Regel gehalten werden sollte, keinen Artikel aufnehmen zu lassen, der nicht vom Redaktionsbüro ausgegangen ist, wogegen jedoch wieder erinnert wurde, daß dann das Ministerium selbst in Verfügung wirklich dringender Inserate gehemmt oder aufgehalten wäre.

III. Leichtere Prägung der Silbersechserln

Ebenderselbe Minister bemerkte, die im vorigen Jahr geprägten silbernen Sechskreuzerstücke, obwohl sie um ein Fünftel im Feingehalte geringer sind als die Konventionssilbermünze, bilden dennoch gegenwärtig einen Gegenstand der Spekulation und gehen mit 6% Agio4. Er machte daher den Antrag, bei diesen Verhältnissen die neue 1849er Ausprägung der Sechserln abermals etwas leichter im Feingehalte zu machen, und behielt sich vor, hierwegen unter Beistimmung des Ministerrates den Vortrag an Se. Majestät zu erstatten5.

IV. Absendung einer Regierungskommission zur Pariser Produktenexposition

Referierte er in Vertretung des Handelsministers über ein Einschreiten der Wiener Handelskammer um Absendung einer Kommission auf Kosten der Regierung zur Visitierung der heurigen Pariser Gewerbsproduktenausstellung und um die Vornahme der Wahl der Mitglieder dieser Kommission durch die Handelskammer6.

Obwohl diese Ausstellung nach den vorjährigen und heurigen politischen Verhältnissen nicht sehr glänzend zu werden verspricht, so wäre doch gegen eine Beteiligung der Regierung dabei nichts zu erinnern. Aber weder eine Kommission noch die Bestimmung der Mitglieder durch die Handelskammer wäre in der Ordnung; vielmehr wäre sich, gleichwie im Jahre 1844, darauf zu beschränken, zwei, höchstens drei Männer von Fach von Seite der Regierung abzusenden und die Teilnahme mehrerer den Gewerbevereinen, in deren Bereich diese Sache ganz eigentlich gehört, zu überlassen. Im Jahre 1844 wurden zwei Professoren des hiesigen Polytechnikums gesendet; sie kosteten 5000 fr.; gegenwärtig dürfte die Wahl nicht ausschließlich auf Professoren fallen, sondern, da es sich nicht bloß um Wien, sondern um eine Vertretung der industriellen Interessen der verschiedenen Provinzen handelt, etwa ein Sachverständiger aus Wien, einer aus Böhmen und höchstens noch ein dritter aus Steiermark abzusenden und jedem etwa ein Pauschale von 1000 fr. anzuweisen sein. Bei der Wahl der Individuen könnte der Vorschlag der Handelskammer berücksichtigt werden.

Der Minister v. Thinnfeld bemerkte bei diesem Anlasse, daß seines Erachtens nicht sowohl die Provinzen als vielmehr die verschiedenen Richtungen der Industrie vertreten werden sollten, und der Minister Bach glaubte, daß der Kostenpunkt hiebei|| S. 342 PDF || nicht gar zu ängstlich berücksichtigt werden möge. Der Finanzminister erwiderte jedoch, daß wohl nicht alle Richtungen der Industrie durch Abgeordnete auf Kosten der Regierung vertreten werden können, und daß mit Freilassung der Teilnahme der Gewerbsvereine die Regierung genug getan haben werde, wenn sie zwei bis drei Fachmänner auf ihre Kosten sendet7.

V. Zurückberufung Brucks

Der Ministerpräsident verlas mit Beziehung auf den Ministerratsbeschluß vom 25. d. [M.], MZ. 1629, sub Nr. V. das Schreiben des Ministers v. Bruck, worin derselbe, falls die Friedensunter­handlungen mit Sardinien nicht binnen längstens zwei Wochen wieder in Gang kämen, eingeladen wird, das Ministerium durch seine Rückkehr nach Wien zu verstärken8.

VI. Pensionierungsgesuch Gyulais

Der Ministerpräsident teilte mit eine Eingabe des FML. Grafen Gyulai in Triest, worin er wegen zweimaliger Übergehung bei Besetzung eines in seinen Wünschen gelegenen aktiven Armeekorps­kommandos um seine Versetzung in den Ruhestand bittet9.

Der Ministerpräsident hofft, den inzwischen telegraphisch nach Wien berufenen Grafen durch geeignete Vorstellungen zur Zurücknahme dieses Entschlusses zu vermögen. Inzwischen übergab er den Akt dem Vertreter des Ministers des Inneren10; desgleichen

VII. Slatowiczsche Arretierungsbeschwerde

eine an das Gesamtministerium gerichtete Beschwerde des Prager Schneiders Slatowicz gegen die widerrechtliche Untersuchung seines noch vor Erklärung des Belagerungszustands arretierten Sohns Karl durch das Militärgericht11.

VIII. Unterstützung der 80.000 Flüchtlinge in Serbien

Der Vertreter des Ministers des Inneren bevorwortete ein Einschreiten des gewesenen Statthaltereirats Ožegović um Unterstützung der aus der Batschka und dem Banate nach türkisch Serbien geflüchteten, in großer Not befindlichen 80.000 k.k. Untertanen.

Der Finanzminister erschrak vor der Masse dieser Hilfsbedürftigen, die, wenn jedem nur ein Gulden gegeben werden wollte, schon eine namhafte Summe bedürfen würden.

Der Minister Bach behielt sich daher eine vorläufige Erhebung der näheren Verhältnisse durch den Banus vor12.

IX. Unterstützung für die Slowakische Zeitung

Ebenderselbe nahm für die Unterstützung der früher in Skalitz herausgegebenen, inzwischen wieder eingegangenen, nun aber mit dem Vorrücken der k.k. Truppen vorderhand etwa in Preßburg wieder herausgegebenen slowakischen Zeitung im Sinne der Regierung die Mitwirkung des Finanzministers in Anspruch, welcher dieselbe in der Art zusagte, daß insofern dadurch eine höhere Dotation für die dem Ministerium des Inneren zugewiesenen geheimen Fonds erfordert werden sollte, selbe von Seite des Finanzministeriums verschafft werden würde13.

X. Versetzung der Grenzkreise Mährens und Schlesiens in Kriegszustand

Zeigte der Vertreter des Ministeriums des Inneren die Versetzung der Grenzkreise Mährens und Schlesiens in den Kriegszustand an14.

XI. Organisierung der Gendarmerie

Entwickelte derselbe die Grundzüge des Projekts zur Einrichtung der Gendarmerie im Reiche15. Dieselbe sollte in 13 Regimentern à 1000 Mann (1 Mann per Quadratmeile) errichtet und zuerst in den Grenzprovinzen, sofort aber sukzessive im Inneren eingeführt werden. Die Kosten der Errichtung werden mit 5, jene der Erhaltung mit jährlichen 4 1/2 Millionen Gulden berechnet.

Die Höhe dieses Aufwands, der Mangel näherer Nachweisungen über die Details der Beköstigung, die Besorgnis der Unzulänglichkeit der 13.000 Mann für den Dienst und die ungleiche Verteilung derselben (so sollte z.B. für die große Provinz Galizien nur ein Regiment bestimmt werden) etc. veranlaßten den Finanzminister zu mehreren Einwendungen gegen dieses Projekt.

Bei der im Prinzipe wenigstens nicht zu bestreitenden Wichtig- und Zweckmäßigkeit einer solchen öffentlichen Sicherheitsmaßregel vereinigte man sich aber doch in dem Beschlusse, bei Sr. Majestät auf deren Genehmigung in thesi anzutragen und Allerhöchstdieselben um die Ermächtigung zu bitten, daß wegen Durchführung derselben die geeigneten Verhandlungen im Einvernehmen mit dem Finanz­minister eingeleitet und Sr. Majestät die weitern Anträge erstattet werden dürfen16.

XII. Weigerung Joseph Rajačićs zur Kundmachung der Konstitution

Der Minister Bach verlas endlich den allerseits angenommenen Entwurf einer Antwort an den serbischen Patriarchen Rajačić über dessen Bedenken gegen die Bekanntmachung der Konstitution in der Woiwodschaft, worin demselben das Befremden über dieses mit den sonst bezeigten treuen Gesinnungen der Nation nicht harmonierende Vorgehen zu erkennen gegeben und das unabänderliche Festhalten der Regierung an der Verfassung vom 4. März ausgesprochen wird17.

Am 28. Mai 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 5. Juni 1849.