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Nr. 80 Ministerrat, Wien, 26. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Bach, Krauß, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. Schwarzenberg (29. 5), Krauß 29. 5., Bach 29. 5., Cordon 29. 5., Thinnfeld, Kulmer 30. 5.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1669 – KZ. 1335 –

Protokoll der am 26. Mai 1849 in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Sitzung des Ministerrates.

I. Oberkommando über die k.k. Truppenkorps an der unteren Donau; Verlegung des Reservekorps von der Steiermark nach Ungarn

Nachdem der Erfolg der militärischen Operationen an der unteren Donau wesentlich durch die Konzentrierung des Oberbefehls über die verschiedenen, in den dortigen Ländern befindlichen k.k. Truppenkorps in einer Hand bedingt ist, so geruhten Se. Majestät die Ah. Absicht auszusprechen, den FML. Baron Puchner mit Rücksicht auf seine Kränklichkeit vom Kommando zu entheben und die demselben bisher unterstehenden Truppen dem FZM. Baron Jellačić zuzuweisen1.

Die von dem Minister Baron Kulmer als besonders rücksichtswürdig herausgehobene Bitte des Banus von Kroatien, daß das in Steiermark zusammengezogene Reservekorps in die südwestlichen Komitate Ungarns, allenfalls bei Kanizsa, verlegt werden möchte, um das Land in Zaum zu erhalten und seinen Rücken zu decken, behielten Se. Majestät Ah. Sich vor, besonders in Erwägung zu ziehen2.

aAus diesem Anlaß wurde auch die Notwendigkeit einer beschleunigteren Aufstellung der Reserve­bataillons und die Mittel, darauf zu wirken, besprochen, zu welchem Ende Minister Baron Krauß die Absendung eigener Kommissäre in die Provinzen empfahl. Der Kriegsminister wies auf die vielen Schwierigkeiten hin, welche der förmlichen Aufstellung der Reserven von verschiedenen Seiten und selbst in dem mangelhaften System im Wege stehen, versprach aber, dem Gegenstand besondere Aufmerksamkeit zu widmena Aus diesem Anlaß wurde auch die Notwendigkeit einer beschleunigteren Aufstellung der Reserve­bataillons und die Mittel, darauf zu wirken, besprochen, zu welchem Ende Minister Baron Krauß die Absendung eigener Kommissäre in die Provinzen empfahl. Der Kriegsminister wies auf die vielen Schwierigkeiten hin, welche der förmlichen Aufstellung der Reserven von verschiedenen Seiten und selbst in dem mangelhaften System im Wege stehen, versprach aber, dem Gegenstand besondere Aufmerksamkeit zu widmen.3

II. Ungarische Angelegenheiten

Der provisorische Minister des Inneren Dr. Bach entwickelte seine Meinung über die Stellung, in die sich das Land Ungarn durch die Beschlüsse der Rebellen vom 14. April4 gebracht habe, und daß die Vorrechte, welche diesem Lande noch in der Verfassung vom 4. März 1849 5 zuerkannt worden waren, durch den frevelhaften Versuch einer gänzlichen Trennung von dem Kaiserreich als völlig verwirkt zu betrachten seien. Es könne demnach, sobald das Land wieder unterworfen sein wird, der administrative Neubau ganz abgesehen von den früheren Institutionen des Landes, welche auch die revolutionäre Regierung nicht verschont hat und die mit einer völlig geregelten Verwaltung nicht vereinbarlich sind, begründet werden. Die Regierung Sr. Majestät könne sich bei ihrem Organisierungswerke auf keine der dort bestehenden Parteien stützen. Selbst die sogenannten älteren (vormärzlichen) Konservativen in Ungarn bieten keine brauchbare Stütze. Es fehlt nämlich dieser Partei an Mut, Tatkraft und offener Hingebung für die gute Sache, so daß sie der Regierung bisher nichts genützt hat und ihr auch fürder nichts nützen, wohl aber durch ihr starres Festhalten an verlebten Institutionen und Formen wesentlich schaden würde, wenn man mit ihr gehen würde6. Wie jetzt die Sachen in Ungarn stehen, müsse die Regierung, unbeirrt durch Rücksichten auf Parteien, denjenigen Weg gehen, der ihr durch das Wohl Ungarns und der Gesamtmonarchie vorgezeichnet ist: sie müsse sich selbst eine Partei an der großen Majorität des Volkes bilden, welche sie unfehlbar dadurch gewinnen und bleibend festhalten werde, wenn sie die Interessen derselben auf eine augenfällige Weise schützt und fördert.

Was die Leitung der Ziviladministrationsgeschäfte während der Reokkupation des Landes betrifft, so habe der Ministerrat bereits wiederholt die dringende Notwendigkeit anerkannt, dem Armeeober­kommandanten einen bewährten, mit den verschiedenen Zweigen der Administration in den beteiligten Kronländern erfahrnen Geschäftsmann zur Seite zu stellen, der, außer den Parteien stehend und mit den Ideen des Ministeriums bezüglich der Reorganisierung vollkommen vertraut, imstande sei, den FZM. Baron Welden bei den so wichtigen Schritten der ersten Organisation der Militärregierung zu beraten, ihm diese Bürde zu erleichtern und ein vermittelndes Glied mit der Zentralregierung zu bilden, welche sich eines fortdauernden leitenden Einflusses auf die ungarischen Zivilangelegenheiten nicht entäußern kann, ohne sich der schwersten Verantwortlichkeit auszusetzen7. Einen solchen Mann habe Minister Bach in der Person des Ministerialrates Baron Geringer gefunden, der durch seine bewährte Gesinnung, administrativen Erfahrungen, Geschäftsgewandtheit, Kenntnis der ungarischen Sprache und|| S. 337 PDF || geschmeidigen sozialen Formen ganz geeignet sei, um den fraglichen Posten auf eine befriedigende Weise auszufüllen. Derselbe würde sich bei seinem Geschäfte des Beirates gutgesinnter Ungarn wie v. Babarczy, Graf de la Motte und anderer zu bedienen haben und in Fällen von Meinungsverschiedenheit mit Baron Welden die Entscheidung des Ministeriums einholen. Der Feldzeugmeister habe sich übrigens mit dieser ihm mündlich bekanntgegebenen Modalität bereits einverstanden erklärt8.

Um jedoch auch für eine völlig entsprechende Behandlung der ungarischen Angelegenheiten bei dem Ministerium des Inneren die nötigen Vorkehrungen zu treffen, werde es notwendig, eine eigene Sektion dafür zu bilden, welche die sich nach Maß des Vorrückens der Truppen mehrenden kurrenten Geschäfte wie auch die Organisierungsoperate unter den Augen des Ministers und nach den von Ah. Sr. Majestät nach den Anträgen des tg. Gesamtministeriums festgesetzten Grundsätzen zu bearbeiten haben wird.

Nachdem diesen Anträgen des Ministers Dr. Bach allseitig zugestimmt worden war, erbat er sich die Ah. Ermächtigung, dieselben mittelst eines besonderen au. Vortrags der Ah. Genehmigung unterziehen zu dürfen9.

III. Entschädigung für die aufgehobenen Urbarialleistungen in Ungarn

Der Finanzminister knüpfte an die von dem provisorischen Minister des Inneren ausgesprochene Idee, die Regierung müsse sich aus der Majorität der Bewohner Ungarns durch Förderung ihrer materiellen Interessen eine Partei bilden, folgende Bemerkungen. Die revolutionäre Partei hat sich auf dem flachen Lande in Ungarn ohne Unterschied der Nationalität durch die Vorspieglung viele Anhänger zu gewinnen gewußt, daß die österreichische Regierung beabsichtige, die im März 1848 aufgehobenen Urbarialleistungen10 wieder einzuführen, während andererseits ein großer Teil des magyarischen Adels nur von dem Siege der Rebellen die ihm zugesicherte Entschädigung für Robot, Zehent etc. gewärtigt. Um den Erfolg der kaiserlichen Waffen zu fördern und den ruhigen Besitz der wiedereroberten Landesteile zu sichern, kommt es daher sehr viel darauf an, diese irrigen Meinungen zu berichtigen, und es wäre daher bei dem Vorrücken der k.k. Truppen eine Kundmachung darüber möglichst zu verbreiten. Nachdem aber Taten einen ohne allen Vergleich tieferen Eindruck machen als Worte, so schiene es dem Minister Baron Krauß berforderlich, durch ein Ah. Manifest zu erklären, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufhebung der Urbarial- und Zehentleistungen zu vollziehen seien und daß Se. Majestät den Ah. Befehl erteilt hätten, ohne Verzug zur Erteilung von Vorschüssen auf Rechnung derb erforderlich, durch ein Ah. Manifest zu erklären, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufhebung der Urbarial- und Zehentleistungen|| S. 338 PDF || zu vollziehen seien und daß Se. Majestät den Ah. Befehl erteilt hätten, ohne Verzug zur Erteilung von Vorschüssen auf Rechnung der Entschädigung derjenigen zu schreiten, welche durch die Aufhebung der Urbariallasten zu Schaden gekommen sind. Dies würde den Bauernstand völlig beruhigen und die ehemaligen Grundherrn in das Interesse der k.k. Regierung ziehen, so daß die zu erwartenden politischen Vorteile das finanzielle Opfer – welchem man in der Folge doch nicht ausweichen könnte – weit überwiegen würden. Die Schwierigkeit liege hauptsächlich in der Bestimmung eines den verschiedenen Verhältnissen einigermaßen entsprechenden Maßstabes, zumal es an der Basis eines Katasters fehlt. Ein Auskunftsmittel könnte darin gefunden werden, die Zahl der Sessionen zum Anhaltspunkte zu nehmen und nach Maß des Vorrückens für die einzelnen Komitate den Betrag zu bestimmen, der für eine Session als Jahresrente der Entschädigung vorschußweise bezahlt würde.

Sämtliche Minister waren mit diesem Vorschlage im Grundsatze einverstanden. Minister Baron Kulmer machte jedoch geltend, daß die Bestimmung verschiedener Entschädigungsquoten nach Distrikten große Schwierigkeiten und Verzögerungen nach sich ziehen und doch nicht allenthalben adäquat sein würde, so daß es ihm rätlicher schiene, im allgemeinen einen gleichen Entschädigungsbetrag per Session als Vorschuß – allenfalls mit Vorbehalt nachträglicher Ausgleichung – festzusetzen.

Der Finanzminister war mit dieser Modifikation, insofern sie sich auf die Entschädigung für Robot, Dienst etc. bezieht, einverstanden, glaubte jedoch, daß die Entschädigung für den Zehent – wegen der außerordentlichen Verschiedenheit der Verhältnisse – auf keinen Fall in einem ganz gleichen Betrage geleistet werden könne.

Gegen diesen Vorbehalt ergab sich von keiner Seite eine Erinnerung, und Baron Krauß behielt sich vor, Sr. Majestät über diesen Gegenstand einen umständlichen Vortrag zu erstatten11.

IV. Gebühren für die bei den Hofstäben angestellten Militärs

Der Kriegsminister besprach hierauf die mit Ah. Entschließung vom 6. April 1849 angeordnete neue Gebührenstellung der bei den verschiedenen Hofstäben angestellten Generale und Oberoffiziers, welche mit Anfang August l.J. in Pensionsstand überzutreten haben12. Die mit der aktiven Dienstleistung verbundenen Naturalien samt Quartiergeld würden von diesem Zeitpunkte an gänzlich einzustellen sein, dagegen wäre den Beteiligten, so lange sie sich im Hofstaatsdienste befinden, die Differenz zwischen der Gage und Pension zu vergüten. Es trete aber die Frage ein, aus welcher Kasse diese Aufzahlung zu leisten sei, und FML. Baron Cordon glaube, daß hiezu das Hofzahlamt wohl zunächst berufen sein dürfte.

Im Grundsatze mit dieser Ansicht einverstanden, glaubte jedoch der Finanzminister , daß die fraglichen Vergütungen unter dem Titel von Personalzulagen noch ferner aus den Kriegskassen zu bezahlen wären, nachdem dieser Vorgang einfacher wäre, das finanzielle Resultat ohne Unterschied der zahlenden Kasse dasselbe bleibt, und durch die Überweisung auf das Hofzahlamt der Hofstaatsaufwand dem Anscheine nach plötzlich nicht unbedeutend gesteigert würde.

|| S. 339 PDF || Nachdem man sich allseitig mit diesem Antrage vereinigte und Se. Majestät denselben sofort Ag. zu genehmigen geruhten, wird der Kriegsminister die entsprechenden Einleitungen treffen13.

V. Ordensverleihung an mehrere ausländische Militärs

Der Ministerpräsident erbat sich ehrerbietigst die Ag. Ermächtigung zur Einbringung au. Vorträge wegen Ag. Verleihung des Ordens der eisernen Krone I. Klasse an den königlich preußischen Generalleutnant v. Willisen, desselben Ordens II. Klasse an den russischen Obersten Fürsten Trubetzkoi, des Kommandeurkreuzes des Theresienordens an den königlich neapolitanischen Generalleutnant Filangieri Principe di Satriano und des Leopoldordens-Großkreuzes an den neapolitanischen Kriegs­minister General Principe d’Ischitella14.

VI. Nachrichten aus Frankfurt

Schließlich las der Ministerpräsident mehrere soeben von dem Erzherzog Reichsverweser und dem österreichischen Gesandten in Frankfurt erhaltene Depeschen15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 2. Juni 1849.