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Nr. 71 Ministerrat, Wien, 17. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 18. 5.), Krauß 19. 5., Bach 19. 5., Cordon 19. 5., Thinnfeld, Kulmer; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1545 – KZ. 1336 –

Protokoll zu der in Wien am 17. Mai 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Preßumfrage der Volksblätter

Auf die Anfrage des Gouverneurstellvertreters Baron Böhm, wie dem Preßmißbrauche durch einige Wiener Volksblätter, welche im ungarischen Sinne schreiben, zu steuern wäre1, wurde zu beschlossen zu erwidern, daß FML. Baron Böhm sich zu diesem Ende der ihm durch den Belagerungszustand eingeräumten Gewalt zu bedienen habe, wobei zugleich auf größere Vorsicht bei Erteilung von Zeitungskonzessionen hinzudeuten wäre, indem das Gouvernement selbst dem übelberüchtigten Terzky (eigentlich Tertsánsky) ungeachtet der Vorstellungen von Seite der Stadthauptmannschaft die Konzession zur Herausgabe der „Volkshalle“ verliehen hat, welche er nun zur Verbreitung magyarischer Sympathien unter den niederen Volksklassen mißbraucht2.

II. Truppenkonzentrierung in Vorarlberg

Der Justizminister hob die dringende Notwendigkeit hervor, in Vorarlberg und Nordtirol einen größeren Truppenkörper zu konzentrieren, um der Stellung, welche Bayern den anarchischen Bestrebungen gegenüber eingenommen hat, mehr Kraft zu verleihen und einem immerhin möglichen Versuche der republikanischen Partei in Baden und Württemberg, den Aufstand auf österreichischen Boden zu verpflanzen, sofort mit Macht entgegentreten zu können3.

Die Wichtigkeit des Gegenstandes wurde einstimmig anerkannt und der Kriegsminister aufgefordert, in der nächsten Sitzung über die zu diesem Zweck disponibeln militärischen Kräfte zu referieren4.

III. Deutsche Reichsgewalt

Der Ministerpräsident verlas zwei Denkschriften an die königlich preußische Regierung, worin die dortigen Vorschläge zur Konstituierung der Reichsgewalt und auch unser Projekt beleuchtet werden5.

Der Ministerrat war mit dem Inhalte dieser Piècen völlig einverstanden6.

IV. Deputationen aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche

Fürst Schwarzenberg besprach die Ankunft von Deputationen aus Treviso, Bergamo und Brescia am Ah. Hoflager7 und eröffnete, Feldmarschall Graf Radetzky habe sich die Ermächtigung erbeten, für die Zukunft die Erlaubnis zur Absendung von derlei Deputationen aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche ohne vorläufige Anfrage in jenen Fällen erteilen zu dürfen, wenn der Inhalt der Adresse bloß den Ausdruck der Huldigung enthält und gegen die zur Überbringung derselben gewählten Individuen keine Bedenken obwalten.

Hierüber wurde beschlossen, daß die angesuchte Ermächtigung zu erteilen wäre8.

V. Reise des Kaisers nach Warschau

Der Ministerpräsident eröffnete, daß Se. Majestät Ah. beabsichtigen, Sich am 19. l.M. zu einem Besuche bei dem Kaiser von Rußland nach Warschau zu begeben9.

VI. Organisierung der Landpolizei in Ungarn

Minister Bach teilte den Inhalt einer Note mit, worin der FZM. Baron Welden die von ihm begonnene Organisation einer Landespolizei in Ungarn bespricht10. Es wird ihm hierüber erwidert werden, daß das Ministerium mit den von ihm provisorisch getroffenen Einrichtungen und mit deren weiteren Ausdehnung nach Maß des Vorrückens einverstanden sei11.

VII. Instruktionen, Diäten etc. für Armeekommissäre

Derselbe Minister verlas hierauf die in Vollzug der Ministerratsbeschlüsse vom 14. l.M. entworfene Instruktion für die in Ungarn zu bestellenden Armeekommissäre12. Der Inhalt derselben wie auch der für die Armeekommissäre Emerich v. Péchy und Gubernialrat Sacher auszufertigenden Ernennungsdekrete (zugleich Kreditive) wurde einstimmig genehmigt, ebenso auch die Anweisung von 12 f. täglicher Diäten für jeden|| S. 306 PDF || derselben13. Als vorzüglich geeignet für den Posten eines Armeekommissärs durch Charakter, Landeskenntnis und Energie wurde vom Ministerpräsidenten der Oberstleutnant in der Armee Graf Anton Dezasse bezeichnet, welcher sich vorzüglich für das Korps des Generalen Paniutin eignen dürfte14.

Minister Bach bemerkte, daß es sehr wünschenswert wäre, in Galizien schleunigst auch Garnisonen aus österreichischen, wenn auch noch nicht ganz abgerichteten Reserven zu bilden, damit das Land nicht beinahe ausschließend von fremden Truppen besetzt bleibe.

VIII. Bistum Krakau

Bezüglich der bereits in einer früheren Sitzung besprochenen Angelegenheit wegen Besetzung des Bistums Krakau15 wurde erkannt, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen Österreichs zum päpstlichen Stuhle die Behebung der obwaltenden kanonischen Hindernisse am leichtesten bewirkt werden könne. Es wird in der Sache übrigens noch ein Bericht des Gubernialpräsidenten Graf Gołuchowski erwartet16.

IX. Entlassung des Giovanni Batista a Prato

Die gegen den ehemaligen Reichstagsabgeordneten und Professor am Gymnasium zu Rovereto, Conte Prato, von Seite mehrerer dortiger Einwohner wie auch vom Landeschef Grafen Bissingen erhobenen Beschwerden über den schlimmen Einfluß, den er auf die Jugend übe, bestimmten den Minister Ritter v. Thinnfeld zur Anfrage, ob man den Prato nicht durch eine Anstellung als Gesandtschaftspriester aus der Provinz und vom Lehramte entfernen könnte17.

Der Minister des Äußern entgegnete hierauf, daß von den wenigen derlei Posten jetzt keiner erledigt sei, und nachdem der Erzbischof von Trient den Prato auch nicht in der Seelsorge unterbringen könne, so erübrige wohl nichts, als ihn unter normalmäßiger Behandlung vom Lehramte zu entheben18.

X. Aufbewahrung von 30.000 Gewehre in kroatischen Festungen

Der Minister Baron Kulmer äußerte, es sei ein Transport von 30.000 Gewehren vom Feldmarschall Radetzky nach Kroatien unterwegs, welche dem Vernehmen nach in Agram aufbewahrt werden sollen. Dieser Ort, wo eine so bedeutende Anzahl von Waffen ohne alle Sicherheit niedergelegt würde, scheine ihm nicht passend, und er müsse daher den Kriegsminister darauf aufmerksam machen, daß für die Aufbewahrung in Festungen Sorge zu tragen wäre.

XI. Jellačić’ Verhältnis zu Anton Freiherr v. Puchner und Georg Freiherr Rukavina v. Widovgrad; Berufung Radetzkys nach Ungarn

Nachdem sich aus einem Schreiben des FZM. Baron Jellačić an den Ministerpräsidenten19 ergibt, daß die FML. Baron Puchner, Malkowsky und Rukavina demselben nicht untergeordnet sind, worunter die Einheit der Operationen und der Erfolg unserer Waffen an der unteren Donau wesentlich leiden müssen, wurde einstimmig die Notwendigkeit anerkannt, den Baron Jellačić förmlich mit dem Oberbefehl zu betrauen20. Hieran knüpfte sich der von den Ministern Bach, Baron Krauß und Thinnfeld ausgesprochene Wunsch, den Operationen der österreichischen und russischen Armeekorps in Ungarn und Siebenbürgen durch die Berufung des Feldmarschalls Graf Radetzky auf diesen Kriegsschauplatz die überaus nötige Einheit und harmonisches Zusammenwirken gesichert zu sehen. Graf Radetzky scheine durch seinen hohen Ruf, dann durch seine Stellung als österreichischer und russischer Feldmarschall ganz geeignet, manche Schwierigkeiten in der Führung des Oberkommandos zu beseitigen, mit welchen Baron Welden zu kämpfen haben wird. Der Ministerpräsident und der Kriegsminister , obgleich das Gewicht dieser Betrachtung nicht verkennend, glaubten dagegen auf den Umstand hinweisen zu sollen, daß der Feldmarschall auf dem italienischen Kriegstheater nicht wohl entbehrt werden könne, und die Versetzung desselben nach Ungarn bei seinem hohen Alter leicht gefährliche Folgen für sein Leben haben könnte.

XII. Abberufung der Gesandten Edmund Graf v. Hartig und Rudolf Graf Apponyi aus Kassel und Karlsruhe

Der Ministerpräsident bemerkte unter allseitiger Beistimmung, daß bei der Stellung, welche Baden und Hessen-Kassel in der deutschen Sache genommen haben, der Augenblick gekommen sei, die dortigen k.k. Gesandten von ihrem Posten abzuberufen21.

XIII. Zinskreuzerentrichtung von gemieteten Amtsunterkünften

Schließlich wurde über Antrag des Ministers Baron Krauß anerkannt, daß sich das Ärar der Entrichtung der Zinskreuzer für die zum Amtsgebrauche gemieteten Privatwohnungen in der Stadt Wien nicht entziehen dürfe, so wie es überhaupt eine Unbilligkeit wäre, wenn der Staat sich bezüglich seines Eigentums der Gemeindelasten entschlagen würde22.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 5. Juni 1849.