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Nr. 69 Ministerrat, Wien, 15. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 16. 5.), Krauß 17. 5., Bach 17. 5., Cordon 17. 5., Thinnfeld, Kulmer 17. 5.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1512 – KZ. 1243 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 15. Mai 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Demission Stadions

Der gefertigte Ministerpräsident brachte das Gesuch des Ministers des Inneren Grafen Stadion um Enthebung von seinem Dienstposten in Vortrag1.

Der Ministerrat vereinigte sich in dem Antrage, daß Se. Majestät diesem Gesuche dermalen keine Folge zu geben, sondern dem Grafen zur Herstellung seiner Gesundheit einen unbestimmten Urlaub zu erteilen geruhen mögen. Wegen Supplierung desselben machte der Ministerpräsident den Vorschlag, daß solche im Ministerium des Inneren bis zur Herstellung des Grafen wie bisher durch den Minister Bach, in jenem des Unterrichts bis zur Ernennung eines neuen Unterrichtsministers durch den Minister v. Thinnfeld besorgt werde. Letzterer erklärte sich dazu bereit; Minister Bach äußerte aber die Besorgnis, daß seine Kräfte zur anstandslosen Versehung eines so wichtigen Ministeriums neben seinem eigenen auf unbestimmte, voraussichtlich lange Zeit nicht ausreichen dürften und daß man ihm, wenn irgend eine Stockung einträte, dann mit Recht den Vorwurf machen könnte, er hätte seine Unzulänglichkeit vorhersehen und eine doppelte Last nicht auf sich nehmen sollen. Auf die Gegenbemerkung des gefertigten Ministerpräsidenten , daß es sich höchstens noch um zwei Monate handle, nach deren Ablauf Graf Stadion entweder genesen sein oder sein Demissionsgesuch erneuert haben würde, wornach dann die definitive Besetzung des Ministeriums des Inneren in Verhandlung zu nehmen wäre, erklärte sich der Minister Bach zur provisorischen Versehung des genannten Ministeriums neben dem seinigen bereit, mit dem Vorbehalte, die kurrenten Geschäfte dem Unterstaatssekretär zu überlassen.

Diesem gemäß ist der Vortrag an Se. Majestät mit den entsprechenden Erledigungsentwürfen unter einem erstattet worden2.

II. Nachrichten aus Deutschland

Der Ministerpräsident teilte Notizen aus Deutschland mit, worunter ein in Leipzig erschienener Hirtenbrief des P[ater] Füster an die akademische Jugend in Wien3, dann eine telegraphische Depesche vom 13. Mai zu bemerken, wornach die Garnison in Rastatt sich empört und die Republik proklamiert habe (ob die dort stationierten vier Kompanien Österreicher abgezogen, ist nicht bekannt4).

III. Reaktivierung des Bischofs von Krakau

Übergab der Ministerpräsident dem Vertreter des Ministers des Inneren ein Einschreiten wegen Reaktivierung oder Pensionierung des Bischofs von Krakau, welcher dermalen exiliert ist, zur weiteren Verfügung5.

IV. Instruktion für die ungarischen Zivilkommissäre

Kam die von Baron Jósika entworfene Instruktion für die Zivilkommissäre in Ungern in Vortrag6.

Die Hauptbestimmungen derselben sind: Überwachung der Verpflegung der russischen Truppen; Einleitung des kriegs- respektive des standrechtlichen Verfahrens gegen Aufrührer; allgemeine Entwaff­nung, wie solche den Umständen angemessen; Entdeckung und Auffangung gefährlicher Individuen. Außerdem wurde noch, Erwähnung zu tun, beschlossen: der verheißenen Gleichberechtigung der Nationalitäten durch sogleiche Einführung der der betreffenden Nation eigentümlichen Sprache in deren Distrikt; der Besetzung der erledigten Verwaltungsposten durch die Kommissäre selbst, nicht im Wege der Kongregation; der Ausscheidung der Kameral- und Justizgegenstände aus dem Wirkungskreise des Zivilkommissärs; des direkten Verkehrs desselben mit dem Ministerium in dringenden Fällen, endlich der Banknotenfrage, wovon sub V. umständlicher gehandelt wird. Andere Bestimmungen, insonderheit die Berechtigung des Kommissärs zum Bezuge der Diäten per 12 fr. und Aufrechnung der Reisespesen wurden zur Aufnahme in die den Kommissären auszufertigenden Dekrete vorbehalten.

Nach diesen Bestimmungen wird der Minister Bach die Instruktion samt Anstellungsdekreten in präziserer Fassung entwerfen und in Vortrag bringen. Derselbe brachte dabei die Notwendigkeit zur Sprache, den Kommissären behufs der Exekution ihrer Beschlüsse das erforderliche Brachium zur Verfügung zu stellen. Russische Truppen können zu solchem Zwecke füglich nicht verwendet werden; er forderte daher den Kriegsminister auf, die Einleitung durch Anweisung des Baron Welden treffen zu wollen,|| S. 298 PDF || daß hierzu österreichische Truppen bestimmt und demgemäß disponibel gemacht werden mögen7.

V. Annullierung der ungarischen Banknoten

Der Finanzminister referierte über die von Baron Welden vorgelegte, von ihm wegen Ungiltigkeitserklärung der ungrischen Banknoten in den drei Sprachen zu erlassende Kundmachung8.

Da der diesfällige Entwurf als nicht zweckmäßig erkannt wurde, so hat der Finanzminister einen anderen Entwurf vorgelesen, der auch mit der einzigen Modifikation angenommen wurde, daß es im Eingange der Kundmachung statt „Se. Majestät haben verordnet“ heißen soll „kraft der mir (Welden) von Sr. Majestät übertragenen Vollmacht wird etc.“, weil es nach der Bemerkung Baron Kulmers nicht angemessen erscheint, diese eine Verfügung im Namen Sr. Majestät zu erlassen, während andere, nicht minder wichtige Verfügungen vom Oberbefehlshaber allein ausgehen. Indessen verfehlte der Ministerrat nicht, sich bei der Wichtigkeit und Dringlichkeit dieses Gegenstands die Ah. Genehmigung Sr. Majestät dazu in einem eigenen Vortrage zu erbitten9.

VI. Unterstützung für Emerich Daniel

Ein Gesuch des aus Siebenbürgen geflüchteten Beamten Emerich Daniel um eine ämtliche Mission nach Siebenbürgen oder um Unterstützung wurde mit dem Beschlusse, demselben einen zweimonatlichen Gehalt ù 50 fr., d.i. 100 fr., anzuweisen, erledigt und ein weiteres Einschreiten

VII. Unterstützung für sechs flüchtige Eperieser

von sechs Eperieser Flüchtlingen, welche sich dermalen im Sandecer Kreise aufhalten, um einen Vorschuß von 1000 fr. nach dem Antrage des Finanzministers durch Bewilligung eines denselben beim Kreisamte anzuweisenden Vorschusses von 500 fr. abgetan.

Der Minister Bach brachte sofort zur Sprache

VIII. Petition der Serben

die Petition der serbischen Deputation um Annahme des Titels eines Großwoiwoden von Seite Sr. Majestät, welche durch eine in allgemeinen Ausdrücken gehaltene Antwort Sr. Majestät zu erledigen wäre10, dann

IX. Petition der Kroaten

die Petition der Kroaten und die darauf zu erteilende Antwort11.

Die Hauptpunkte der Petition sind: 1. um Anerkennung der Landtagsbeschlüsse von 184812. Die meisten derselben eignen sich im Grunde der neuen Reichsverfassung nicht|| S. 299 PDF || mehr zur Anerkennung; nur einige könnten mit den durch die geänderten Verhältnisse nötigen Modifikationen zur Geltung kommen; hierüber müßte jedoch eine genaue Revision vorgenommen werden, welche eine vom Banus mit Mitgliedern zu beschickende Ministerialkommission vorzunehmen hätte, nach deren Ergebnis vom Ministerium sofort ein ordentlicher Landtagsabschied auszuarbeiten und hinauszugeben wäre; 2. um Selbständigkeit in der inneren Verwaltung – diesem Punkte ist bereits in der Reichsverfassung Rechnung getragen13; 3. um Unterordnung der Militärgrenze – dieses Begehren ist bereits erledigt durch das Ah. Kabinettschreiben an den Banus de dato 27. März 1849, MRZ. 97014; 4. Einführung der kroatischen Sprache – unterliegt keinem Anstande mit dem Vorbehalte dessen, was wegen der Reichsgeschäftssprache bestimmt werden wird; 5. um Einbeziehung der serbischen Woiwodschaft15 – müßte ausweichend beantwortet werden; 6. um Einverleibung der Murinsel und 7. Dalmatiens mit Kroatien – wäre auf die Reichsverfassung zu weisen, wornach Grenz- und Territorialänderungen nur durch ein Gesetz verfügt werden können16.

In dieser Richtung wird der Minister Bach den Entwurf eines hierwegen an den Banus zu erlassenden Ah. Kabinettschreibens oder erforderlichenfalls eines Patents vorbereiten und in Vortrag bringen17.

X. Eid der Fiumaner

Eine Beschwerde der Fiumaner bezüglich eines ihnen von der Banalverwaltung abgedrungenen, mit der Konstitution nicht harmonierenden Eides wäre nach dem Antrage des Ministers Bach und Baron Kulmers mittelst einer an den Ban zu erlassenden Aufforderung zur Kassierung des diesfälligen Beschlusses der Banalverwaltung zu erledigen18.

XI. Behandlung der Güter ungarischer Rebellen

Über die vom Minister Bach zur Sprache gebrachte Frage, was mit den in den Besitz der Staatsverwaltung gelangenden Gütern der ungrischen Rebellen zu geschehen habe, erklärte der Finanzminister , daß dieselben einstweilen zu sequestrieren wären, und behielt sich vor, das hierwegen vom Kameralrate Andreanszky in Arbeit genommene Elaborat seinerzeit in Vortrag zu bringen19.

XII. Behandlung der außer Dienst kommenden ungarischen Beamten

Der Finanzminister entwickelte seine Ansichten in betreff der Behandlung der außer Aktivität kommenden ungrischen Beamten. Solcher sind zwei Kategorien: 1. diejenigen, welche bei Errichtung der getrennten ungrischen Ministerien außer Aktivität gekommen und seither nicht wieder angestellt worden sind, 2. diejenigen, welche infolge der Auflösung der jetzigen Verwaltung außer Aktivität kommen. Jene sub 1. haben infolge § 25, Art. III de 184820, den ganzen Gehalt bis zur anderweitigen Unterbringung oder bis zu ihrer Pensionierung zu beziehen. Ihnen wäre dermal und zwar von jetzt an ein weitres Begünstigungsjahr zuzugestehen. Die sub 2. benannten ungrischen Beamten wären zu unterscheiden, je nachdem sie früher gedient haben oder nicht. Die letzteren wären ohne weiters zu entlassen und die ersteren mit Rücksicht auf die frühere Dienstzeit – versteht sich, soweit ihnen nicht etwa Teilnahme an der Rebellion zur Last fällt – normalmäßig zu behandeln, d.i. zu pensionieren oder zu quieszieren.

Bei diesem Anlasse brachte der Justizminister (welcher übrigens die ganze zweite Kategorie zur Entlassung geeignet gefunden hätte) das Schicksal der dienstlos gewordenen Beamten des lombardisch-venezianischen Königreichs zur Sprache, welche mit Rücksicht auf die Gleichheit der Verhältnisse auf eine gleiche Verlängerung des Begünstigungsjahrs Anspruch haben dürften21.

Allein, der Finanzminister entgegnete, daß die Verhältnisse nicht gleich seien, indem die ungrischen Beamten ein Gesetz für sich haben; daß es ferner bei der Menge der durch Justizorganisierung sich ergebenden Aperturen leicht sein werde, die italienischen Quieszenten unterzubringen; daß jene unter ihnen, welche inzwischen aushilfsweise zu Diensten verwandt werden, ohnehin ihre Genüsse behalten haben, und daß in einzelnen Rücksicht verdienenden Fällen durch besondere Gnadenanträge nachgeholfen und das Schicksal Würdiger verbessert werden könne22.

Am 16. Mai 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 19. Mai 1849.