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Nr. 57 Ministerrat, Wien, 28. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 29. 4.), Krauß 30. 4., Bach 30. 4., Cordon 30. 4., Thinnfeld, Kulmer; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1306 – KZ. 1190 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 28. April 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Gesuch der Kleinhäusler von Aigen-Gaunersdorf.

Der Ministerpräsident übergab dem Justizminister in Vertretung des Ministers des Inneren ein Gesuch der Kleinhäusler von Aigen-Gaunersdorf um Gleichbeteiligung mit den übrigen Gemeindegliedern an dem Gemeindeeigentum und den sonstigen Gemeinderechten in Gemäßheit des Gemeindegesetzes, dann um Abstellung einiger bei der Rekrutierung zugunsten der reicheren Bauerssöhne eingetretenen Mißbräuche.

Der Ministerpräsident und der Finanzminister glaubten diese Eingabe zu einer eindringlichen Untersuchung dem Ministerium des Inneren empfehlen zu sollen; der Vertreter desselben versprach sich jedoch davon kein erhebliches Resultat und behielt sich vor, es den Unterbehörden zur Amtshandlung zuzuweisen1.

Ungünstige Nachrichten aus

II. Nachrichten aus Deutschland

Deutschland, daß der König von Württemberg dem Verlangen der Kammern wegen Anerkennung der Frankfurter Reichsverfassung nachgegeben2, daß man auch in Preußen mit der Klausel der Zustimmung aller deutschen Regierungen sich für Kaiserwürde mit Verfassung erklärt habe3, dann

III. Nachrichten aus Ungern und Siebenbürgen

aus Ungern, daß FML. Baron Wohlgemuth die Schütt räume und sich mit dem konzentrierten Armeekorps nach Preßburg zurückziehe, desgleichen aus Siebenbürgen, daß Bem fleißig unter Sachsen und Romänen rekrutiere, die Ausgehobenen nach Debreczin schicke und den Ersatz an Ungern dafür bekomme4, endlich

IV. Stand der Truppen in Italien

ein Schreiben des FM. Grafen Radetzky5 über den Stand seiner Truppen, welche sich nach – infolge der französischen Intervention ins Römische notwendig gewordenen – Detachierung eines Armeekorps von 15.000 Mann nach Toskana insonderheit zur Bändigung der Livornesen und eines zweiten per 10.000 Mann gegen Ancona, dann nach Abzug der 17.000 Mann im Piemontesischen und des Belagerungskorps vor Venedig nur mehr auf 38.000 Mann belaufen, gaben dem Justizminister Veranlassung zu der Bemerkung, daß es

V. Zweite Rekrutierung; wirklicher Stand und Geldverwendung für die gesamten k.k. Truppen

vielleicht erforderlich sein dürfte, eine zweite Rekrutierung für heuer vorzubereiten6. Auf die Gegenbemerkung des Finanzministers jedoch, daß dies neue Auslagen dem ohnehin ungeheuren Aufwande für den Militäretat hinzufügen würde, und in der Rücksicht, daß, wie schon jüngsthin (MRProt. v. 13. April 1849/III) bemerkt, das Nichtvorhandensein von Truppen dort, wo sie als vorhanden angegeben oder vorausgesetzt wurden, auf bedeutende Mißbräuche in der Verwendung der Gelder für die Truppen schließen lasse, vereinigte man sich in dem vom Kriegsminister durch entsprechende Weisungen an die Truppenkommandanten und die ihnen beigegebenen Oberkriegs­kommissäre etc. auszuführenden Beschlusse, sich über den Stand sämtlicher Streitkräfte und den für deren Erhaltung erforderlichen Aufwand die umfassendsten Nachweisungen liefern zu lassen7; azugleich aber auch die Landeschefs wegen der Tunlichkeit einer neuen Rekrutierung zu vernehmen, um darnach weitere Verfügungen treffen zu könnena .8

VI. Anrede der kroatischen Deputation an Se. Majestät

Der Minister Baron Kulmer verlas die Anrede der kroatischen Deputation, welche dieselbe bei Gelegenheit der Überreichung einer Petition um Ah. Erledigung der Landtagsbeschlüsse vom Juni 1848, um Einführung der selbständigen obersten Landesverwaltung, Erhaltung des Verbandes mit Dalmatien und Serbien etc. an Se. Majestät zu halten beabsichtigt.

Der Minister erklärte, daß in der der Deputation von Sr. Majestät zu erteilenden Antwort, wozu er den Entwurf vorbereiten wird, in die einzelnen Begehren nicht einzugehen, sondern nur auf allgemeine Versicherungen der geeigneten Berücksichtigung der Bitten, sofern sie dem Interesse der Gesamtmonarchie nicht widerstreben, sich zu beschränken sein dürfte9.

VII. Eventuelle Verhängung des Belagerungszustandes für Prag

Auf die Bemerkungen des Ministerpräsidenten über den immer mehr wahrnehmbaren üblen Geist eines Teils der Bevölkerung von Prag übernahm es der Vertreter des Ministers des Inneren, an den dortigen Landeschef, und der Kriegsminister an den Militärkommandanten die Aufforderung zu erlassen, daß, falls bedenkliche Symptome|| S. 257 PDF || sich zeigeten, sie sich wegen unverweilter Verhängung des Belagerungszustandes über Prag gegenseitig zu verständigen hätten10.

VIII. Anstellung eines zweiten Professors der Geschichte in Prag

Der Minister Ritter v. Thinnfeld , in Vertretung des Unterrichtsministers, brachte den ihm gemachten Antrag auf Bestellung eines zweiten Professors der Geschichte, und zwar mit tschechischem Vortrage, in Prag zur Sprache, mit dem Bemerken, daß ihm hierzu Dr. Palacký und, wenn dieser nicht beliebt würde, Dr. Tomek vorgeschlagen worden sei11.

Gegen die Anstellung Palackýs als Professor erklärte sich aus politischen Rücksichten der Ministerpräsident und mit ihm die übrigen Glieder des Ministerrates auf das bestimmteste, und es kam sohin zu dem Beschlusse, daß mit der fraglichen Anstellung vorderhand nicht zu eilen, sondern der regelmäßige Gang der Verhandlung einzuleiten sei12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 3. Mai 1849.