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Nr. 54 Ministerrat, Wien, 25. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 26. 4.), Krauß 28. 4., Bach 28. 4., Cordon 28. 4., Thinnfeld, Kulmer; außerdem anw. Kellner; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1281 – KZ. 1187 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 25. April 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Vereinswesen in Sachsen

Der gefertigte Ministerpräsident teilte Notizen aus einem Berichte aus Leipzig vom 19. d. [M.] über das Vereinswesen in Sachsen mit, woraus zu entnehmen, daß die Umsturzpartei in den verschiedenen Clubs ihre Umtriebe über die Landesgrenzen ausdehnt und ihre Bestrebungen nunmehr vorzüglich gegen die Nationalversammlung in Frankfurt richtet1.

II. Ungarische Flüchtlinge in Wien

Der Minister Baron Kulmer äußerte den Wunsch nach einigen Modifikationen der angeordneten rücksichtslosen Ausweisung aller nicht nach Wien zuständigen Individuen, welche sich über einen bestimmten Zweck ihres Aufenthalts hier nicht ausweisen können, zugunsten derjenigen Ungern, welche sich infolge der jüngsten Ereignisse in ihrem Vaterlande hierher schon geflüchtet haben oder noch flüchten dürften; auch glaubte er, daß, nachdem den in die Walachei geflüchteten Siebenbürgern Unterstützungen bewilligt worden sind2, solche auch den nach Österreich flüchtenden Ungern, die im Dienste der Regierung gestanden und ihre Habe im Stiche gelassen haben, billigerweise nicht versagt werden dürften3.

III. Artillerieverstärkung für das Wohlgemuthsche Korps und Garnisonsverstärkung in Olmütz

Das von FML. Baron Wohlgemuth geäußerte Verlangen nach Verstärkung seiner Artillerie mit 12-Pfündern, allenfalls gegen Auswechslung von 6-Pfündern, mit denen er hinreichend versehen ist, veranlaßte den gefertigten Ministerpräsidenten, den Generalmajor v. Kellner zum Ministerrate einzuladen und ihn zu befragen, ob jenem Verlangen entsprochen werden könne.

|| S. 242 PDF || GM. v. Kellner erklärte, eine oder zwei Batterien 12-Pfünder sogleich zur Disposition des genannten Korpskommandanten stellen zu wollen4. Weiters aufgefordert, die dermalen sehr schwache Garnison von Olmütz zu verstärken, um es vor möglichen Eventualitäten sicherzustellen, die, wenn auch zu keinem wirklich nachteiligen Resultate, doch zu einiger Kompromittierung führen könnten, versicherte GM. v. Kellner, sogleich ein Bataillon von Wellington Infanterie aus Böhmen mittelst telegraphischen Befehls nach Olmütz beordern zu wollen5.

IV. Reisegeld für Erzherzog Johann

Der Ministerpräsident übergab das Einschreiten Sr. k.k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann, deutschen Reichsverwesers, um Anweisung der nötigen Gelder zur Rückreise von Frankfurt dem Finanzminister zur weiteren Verfügung6; auch teilte er

V. Schreiben Radetzkys wegen Nichtverminderung seiner Armee

zwei Schreiben, des Ministers v. Bruck7 und des FM. Grafen Radetzky über den Stand der italienischen Angelegenheiten mit, aus deren letzteren nur die Weigerung des Feldmarschalls zu bemerken sein dürfte, schon gegenwärtig, wo eine vollständige Pazifizierung des Landes und die Unterwerfung Venedigs noch nicht bewirkt ist, einen Teil seiner Truppen nach Ungern zu disponieren8.

VI. Witwenpension bei Wiederverehelichung für Bertoletti

Der Ministerpräsident trug weiters vor das Gesuch der Feldzeugmeisters- und Gardekapitänswitwe Baronin Bertoletti um Belassung der Hälfte ihrer mit 1000 fl. aus dem Militärärar und mit 1000 fl. aus dem Gardefonds angewiesenen Pension auf die Dauer ihres Ehestandes mit dem Oberstleutnant v. Mertens.

Der um seine Wohlmeinung befragte Finanzminister erklärte, dieses ganz systemwidrige und, wie ihm dünkt, bisher beispiellose Gesuch, welches im Gewährungsfalle zu den bedenklichsten Exemplifikationen führen würde, umso weniger unterstützen zu können, als es der Bittstellerin bevorsteht, sich entweder mit einem dreijährigen Pensionsbetrage abfertigen zu lassen oder die Pension für ihren abermaligen Witwenstand zu reservieren, ja, sie vermöge der zweifachen Gattung ihrer Pension sogar in der günstigen Lage sein würde, sich von der einen Hälfte die Abfertigung, von der anderen die Reservierung zu erwirken9.

VII. Unterstützung für Albert Hugo

Der Ministerpräsident übergab das Gesuch des ehemaligen Redakteurs der Pesther Zeitung, Albert v. Hugo, um eine Unterstützung dem Ministerium des Inneren, damit dasselbe diesem nach Bestätigung des Baron Kulmer geschickten und nunmehr der Ordnungspartei angehörigen Journalisten gegen angemessene Verwendung seiner Fähigkeiten allenfalls in hiesigen Journalen eine Aushilfe von 300 fl. aus den Polizeigeldern zukommen lasse10.

VIII. Antwort Radetzkys auf die Adresse des preußischen Gardekorps

Der FM. Graf Radetzky hatte die Antwort, welche er dem Offizierskorps des königlich preußischen Offizierskorps auf dessen Adresse gegeben, mit der Anfrage, ob selbe durch den Druck veröffentlicht werden könne, eingesandt.

Der Ministerrat fand kein Bedenken gegen deren Veröffentlichung11.

IX. Bericht aus Paris wegen 70 Millionen sardinischer Kriegskostenentschädigung

Ein Schreiben aus Paris bestätigt den üblen Eindruck, welchen die Forderung von 70,000.000 fl. Kriegskostenentschädigung an Sardinien hervorgebracht hat12.

Der Ministerpräsident bezog sich hierwegen auf dasjenige, was er bereits unterm 22. April an den Minister v. Bruck erlassen hat (Ministerratsprotokoll vom 22. April 1849/III13).

X. Wiener Bischofsynode

Der Justizminister , in Vertretung des Ministers des Inneren, verbreitete sich über die Gegenstände, welche bei der demnächst stattfindenden Versammlung der österreichischen Bischöfe in Wien in Beratung kommen werden14, mit dem Vorbehalte, auf die wichtigeren derselben, welche die Interessen der Staatsverwaltung berühren, seinerzeit zurückkommen, vorderhand aber nur zwei voreinleitende Maßregeln berühren zu wollen, als 1. dem Konzil für seine Sitzungen ein Lokale von Seite der Regierung anzubieten, 2. den Vertrauensmann der Regierung, der den Sitzungen des Konzils beizuwohnen haben wird, zu bezeichnen.

Ad 1. ward der Ratssaal im neuen niederösterreichischen Regierungsgebäude oder eine Lokalität des Landhauses vorgeschlagen, und bei dem Umstande, wo bereits von geistlichen Instituten Anerbieten hierwegen vorliegen, dem Minister überlassen, hierüber vorläufig mit dem hiesigen Erzbischofe Rücksprache zu nehmen.

Ad 2. vereinigte sich der Ministerrat in der Wahl des niederösterreichischen Appell[ationsgerichts]präsidenten Baron Sommaruga und in der Ansicht, demselben in der zu erteilenden Instruktion die Aufgabe zu stellen, daß er den Verkehr der Versammlung|| S. 244 PDF || mit dem Ministerium vermittle und ohne direkte Teilnahme an den Beratungen doch mit gehöriger Vorsicht und richtigem Takte dahin wirke, daß keine dem Interesse der Regierung feindliche oder nachteilige Beschlüsse gefaßt werden15.

XI. Befestigung der Wiener Basteien

Der Kriegsminister referierte über das bereits früher (Ministerratsprotokoll vom 13. April 1849/II) besprochene Projekt wegen Befestigung der Wiener Basteien. Nach einer neuerlichen Rücksprache mit den Geniebehörden würde sich dieses Projekt vorderhand auf die Herstellung eines Abschlusses der Mölkerbastei, eines Bauhofes und der Kanzlei der Fortifikationsdirektion, dann auf Überbauung des Schottentores beschränken, die weitere Befestigung aber mittelst einer die Konzentrierung einer größeren Truppenmasse ermöglichenden Zitadelle aber dem Zeitpunkte vorbehalten bleiben, wann das seit Jahren im Zuge befindliche Projekt wegen Erweiterung der inneren Stadt durch Vorrückung der Stadtmauern vor dem Kärntnertor zur definitiven Genehmigung vorliegen wird16.

Im Ministerrate ward sich allseitig gegen die Überbauung des Schottentores ausgesprochen; die Herstellung des Fortifikationsbauhofes und der anderen Gebäude wurde zwar vom Finanzminister (welcher übrigens den Hügel zwischen dem Schottenhofe und der Bastei, höchsten Punkt der Stadt, als zu einer Befestigung am geeignetsten erkannt hätte) insoferne für unbedenklich erklärt, als die Notwendigkeit der Errichtung solcher Ubikationen besteht und der Platz dazu bereits vorhanden ist. Allein, der Justizminister erklärte sich aufs entschiedenste gegen jede derlei Befestigungs- oder andere Bauführung auf den Basteien. Denn die Erfahrung des Jahres 1848 hat gelehrt, daß die Umwallung der inneren Stadt niemals zum Vorteil der Regierung benutzt werden konnte, und daß die Zersplitterung der Garnison auf vielen einzelnen Punkten jederzeit die größten Nachteile mit sich brachte. Darum würden solche einzelne kleine Zwinger auf den Basteien übel angebracht sein. Was aber den Bauhof und die Kanzleien betrifft, so würde deren Herstellung die Passage auf der Bastei erschweren und die Rücksichten, welche auf das äußere Dekorum einer großen Residenzstadt zu nehmen sind, beeinträchtigen, nicht zu gedenken, daß bei der Beschränktheit der Zufahrt in der dortigen Gegend ein Fortifikationsbauhof an dieser Stelle seiner Bestimmung nur sehr unvollkommen entsprechen würde. Das Augenmerk muß vielmehr auf die Erweiterung der inneren Stadt gerichtet und bei dieser Gelegenheit dann auf eine Befestigung gedacht werden, wo die Truppen konzentriert, mit Erfolg und Nachdruck zur Verteidigung oder zum Angriffe verwendet werden können. Der Justizminister war daher der Meinung, daß das Projekt der Basteibefestigung nach dem vorgetragenen Plane umso mehr auf sich zu beruhen hätte, als man nunmehr auch doch die Ansicht wird zur Geltung bringen müssen, daß der gegenwärtige Ausnahmezustand Wiens kein permanenter sein könne.

|| S. 245 PDF || Nach diesen Bemerkungen zog der Kriegsminister seinen Antrag zurück und behielt sich die weiteren Einleitungen vor17.

Am 26. April 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 2. Mai 1849.