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Nr. 49 Ministerrat, Wien, 14. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; [VS. Schwarzenberg]; BdE. und anw. Schwarzenberg, Krauß 18. 4., Bach 21. 4., Cordon 24. 4., Thinnfeld, Kulmer; außerdem anw. Augustin; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1144 – KZ. 1068 –

Protokoll der am 14. April 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Artilleriedepot außerhalb Wiens

Um über die in der Ministerratssitzung vom 13. d.M. besprochene Erbauung eines Artillerieetablissements vor der St.Marxer Linie1 und die von dem Finanzminister hierbei geäußerte Ansicht, daß dieses Etablissement vielleicht zweckmäßiger in dem Winkel zwischen den zwei Eisenbahnflügeln (der Gloggnitzer und Brucker Bahn) angebracht würde, eine nähere Aufklärung zu erhalten, wurde der FML. Freiherr v. Augustin eingeladen, darüber unter Darlegung der Pläne dem Ministerrate umständliche Aufschlüsse zu geben.

FML. Freiherr v. Augustin bemerkte, daß der Platz für dieses Etablissement nach reiflicher Erwägung aller Umstände aus dem Grunde vor der St. Marxer Linie gewählt wurde, weil von diesem Punkte aus alle Bewegungen nach Nord und Süd, der nahe Kanal und die Eisenbahnen beherrscht werden.

Die Wahl dieses Platzes mache allerdings die Erbauung eines kleinen Forts am Laaberge notwendig, von welchem, so wie von dem bereits befestigten Neugebäude, das neue Etablissement gehörig beschützt würde. Dieses Gebäude wäre nicht weit von der Stadt, und seine Geschoße, welche bis auf den Stephansplatz und weiter reichen würden, trügen viel zur Erhaltung der Ruhe der Stadt bei.

Die Hauptrücksichten bei der Wahl dieses Platzes waren das günstigste Terrain, von welchem die ganze Gegend dominiert wird, und der Standpunkt, [der] 5 bis 6 [Fuß] höher ist als jener der Eisenbahn, dann die verhältnismäßig mindeste Kostspieligkeit der Ausführung wegen der geringen Erdbewegungen, die dort einzutreten haben. Hierzu geselle sich noch die Nebenrücksicht, daß, da in dem Etablissement mehrere tausend Arbeiter beschäftigt sein werden, sie wegen der größeren Nähe an der Stadt ihre Bedürfnisse leichter aus derselben beziehen könnten.

Dies wurde in Ansehung der Situation geltend gemacht,worauf Freiherr v. Augustin in die nähere Erklärung des Planes im großen und kleinen, der inneren Einteilung und Einrichtung des Gebäudes einging. Es sollen hier alle bisher in der Stadt zerstreuten Artilleriewerkstätten konzentriert werden und darin große Geschütze und kleine Gewehre von der ersten bis zur letzten Arbeit erzeugt werden; es werden darin 3000 Mann (Offiziere und Mannschaft) untergebracht werden können. Das Werk || S. 225 PDF || wird mit Dampf betrieben, zu welchem Behufe zehn Brunnen gegraben werden sollen. Das Werk verteidigt sich durch sich selbst, und sollte in der Folge ein Graben für notwendig erkannt werden, so kann dieser leicht ausgeführt werden. Da vor der Linie wohlfeiler gearbeitet wird, so wird in einer Reihe von Jahren ein Teil der Auslagen hereingebracht sein, dann sollen die in der Stadt zerstreuten Artillerielokalitäten, welche man im Jahre 1848 auf 5,600.000 fr. angeschlagen hat und jetzt auf 3,80.000 fr. berechnet, zum Ersatze der auf fünf Millionen berechneten, in drei bis vier Jahren zu verausgabenden Baukosten verkauft werden. Gegenwärtig handle es sich bloß um die Genehmigung des Baues und um Anweisung einer Summe zum Beginne der Arbeiten.

Der Kriegsminister bemerkte, daß er den diesfälligen Vortrag an Se. Majestät fertig habe, wornach dieser Bau in thesi in der hier angegebenen Art genehmiget und die Minister des Inneren, der Finanzen und der öffentlichen Bauten von dieser Ah. Genehmigung in Kenntnis gesetzt werden sollen. Ist diese Ah. Genehmigung erfolgt, so wird ein Komitee niedergesetzt, welches den Plan zur Verwertung der Artilleriegrundstücke und Gebäude in Wien zu entwerfen und anzugeben hat, welche von ihnen und in welcher Ordnung sie entbehrlich sind, um aus ihrer Veräußerung die nötigen Mittel zur Erbauung des gedachten Etablissements hereinzubringen.

Dagegen wurde von keiner Seite etwas erinnert2.

II. Truppensendung nach Ungarn

Der Unterstaatssekretär im Kriegsministerium v. Schöllhaimb und der General Kellner wiesen dem Ministerrate die Truppenmassen nach, welche gegenwärtig in den einzelnen Provinzen befindlich sind, und welche Dispositionen getroffen worden sind, um die in den Provinzen entbehrlichen Truppen für Ungarn zur Verfügung zu stellen.

Der Kriegsminister bemerkte, daß an Reservebataillons, wenn die diesfälligen Behelfe sogleich erlassen werden, bis 10. Mai 40.000 Mann im Marchfelde stehen können. Er werde die diesfällige Ausfertigung sogleich veranlassen, um die Organisateurs dadurch zur Beschleunigung zu drängen3.

III. Friedensunterhandlung mit Sardinien

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate mit, daß er dem Feldmarschall Grafen Radetzky Bemerkungen über den Waffenstillstand gemacht habe4. Heute sei ihm ein Schreiben aus Mailand vom 10. April vom Minister Ritter v. Bruck zugekommen, worin gesagt wird, der piemontesische Ministerpräsident habe aus dem Schreiben des FML. v. Hess entnehmen wollen, daß Ricci zum Bevollmächtigten in Turin ernannt sei5. || S. 226 PDF || Ricci sei schuld an dem Kriege, verdiene kein Vertrauen und die erwähnte Bestimmung für denselben könne nur den Wert einer feindseligen Handlung gegen Österreich haben. Die sardinischen Minister verkennen vollkommen ihre Stellung gegen Österreich und spekulieren auf Eventualitäten. Er sei mit dem Feldmarschall übereingekommen, nicht länger als bis zum 13. d.M. die Ankunft der Piemontesen abzuwarten, bis wohin Ricci in Turin noch nicht angelangt sein kann, und sodann weiter vorzugehen. Zugleich erbat sich Ritter v. Bruck die Weisung für sein weiteres Benehmen.

Der Ministerpräsident wird noch heute dem Ritter v. Bruck schreiben, daß er ganz recht tue, nach Triest zu gehen und dort das Weitere abzuwarten, und fügte bei, daß, wenn die Piemontesen Winkelzüge machen, der Feldmarschall den Waffenstillstand aufkündigen und nach zehn Tagen feindlich vorgehen werde. Übrigens unterliege es keinem Zweifel, daß diese Sache mit den Ereignissen in Ungarn zusammenhänge6.

IV. Proklamation Joseph Philipp Freiherrn v. Böhm an die Bewohner Wiens

Da der FZM. Freiherr v. Welden weggeht und FML. Böhm zum kommandierenden Generalen in Niederösterreich und Gouverneurstellvertreter ernannt worden ist , habe der Ministerpräsident mit dem ersteren gesprochen und berührt, ob er nicht einen Abschied von seinen Truppen nehmen wolle. Baron Welden meinte das nicht, weil sie nicht glauben sollen, daß er sie für immer verläßt. Der Antretende müsse aber etwas sagen, deshalb habe der Ministerpräsident ihm eine Proklamation (paar Worte an die Einwohner Wiens) suggeriert, des wesentlichen Inhalts: „Da Se. Majestät dem FZM. Freiherrn v. Welden eine andere wichtige Aufgabe zu übertragen und mich inzwischen zum kommandierenden Generalen in Niederösterreich und Stellvertreter des Gouverneurs zu ernennen geruhet haben, so wird es nun meine Sorge sein, in der von Baron Welden bisher befolgten Weise die friedlichen Bewohner Wiens zu schützen, die Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, so wie ich auch den Übelgesinnten und Störern der öffentlichen Ruhe mit aller Strenge entgegenzutreten wissen werde.“

Dagegen ergab sich keine Erinnerung7.

V. Deputation von Mailand und Bergamo an den Kaiser

Der Ministerpräsident teilte weiter mit, daß die Städte Bergamo und Mailand Deputierte an Se. Majestät abschicken, um zu submittieren. Die Deputationen bestehen aus Bürgern, Kaufleuten u.dgl., aber keinen Nobile8.

VI. In Szegedin freigelassene und in Pest gefangengehaltene Precettati

Der Justizminister Dr. Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß Kossuth in Szegedin 500 italienische Deportierte (Precettati) freigelassen, wovon 120|| S. 227 PDF || nach und nach in Pesth aufgefangen wurden, die Fürst Windischgrätz nun hierher schickt9. Die Mehrzahl derselben besteht aus Leuten, die wegen Räubereien, Totschlag, zwei- und dreimaliger Aburteilung unter fortwährende Polizeiaufsicht gestellt worden sind. Hier können sie nicht belassen und nach Italien nicht geschickt werden.

Über die an den Kriegsminister gestellte Anfrage, ob nicht in irgendeiner Festung Platz für diese Deportierten wäre, und die erhaltene Antwort, daß ihm kein solcher bekannt sei, welcher nicht erst hergerichtet werden müßte, behielt sich der Justizminister die weitere Verhandlung wegen Ausmittlung einer Unterkunft für diese Leute vor10.

VII. Organisierung der Administration und Justiz in Ungarn

Derselbe Minister bemerkte weiter, daß es dringend notwendig sei, die Komitatsverfassung in Ungarn umzustalten, überhaupt die Organisierung der Administration und Justiz daselbst so bald als möglich vorzunehmen11. Hierbei dürfte eine vorzügliche Rücksicht darauf genommen werden, daß die Bauern für die Regierung gewonnen werden. Auch wäre bei diesem Anlasse nach der Ansicht des Finanzministers Freiherrn v. Krauß auszusprechen, daß jene Grundherrn, welche sich an den revolutionären Umtrieben in Debreczin beteiligt, Korps gestellt oder sich sonst der Regierung feindselig gezeigt haben, ihrer Urbarialrechte ohne Entschädigung verlustig werden. Dieser Antrag wäre so bald als möglich Sr. Majestät vorzulegen und der Ah. Beschluß dem Baron Welden mit der Weisung zu überschicken, den gehörigen Zeitpunkt wahrzunehmen, diese Maßregel in Ausführung zu bringen.

Der Justizminister wird nun ohne Verzug die ungarische Sache bearbeiten, um sie bald zum Vortrage bringen zu können12.

VIII. Annahme der österreichischen Banknoten in Italien als Zahlungsmittel

Über die schließlich vorgekommene Bemerkung, daß etwas zu verfügen wäre, um die Leute in Italien zur Annahme der österreichischen Banknoten als Zahlungsmittel zu verhalten, bemerkte der Finanzminister , daß er eben keinen besonderen Wert darauf lege, österreichische Banknoten daselbst in Kurs zu bringen. Es können auch andere Papiere sein, welche, wenn sich die Gemeinden dabei interessieren und wenn diese Papiere zur Bezahlung der Kriegskontributionen verwendet werden, leicht in Umlauf kommen können.

Es sei jetzt eine Verhandlung im Zuge, unter der Leitung der Congregazioni centrali Papiergeld auszugeben13.

|| S. 228 PDF || Hierbei erinnerte der Finanzminister, daß es gut wäre, wenn bei uns wie in England neben der Zentralbank auch noch Provinzialbanken bestünden; dann bräuchte die Zentralbank nicht so viele Banknoten auszugeben, indem die Provinzialbanken ihre eigenen Noten hätten, welche sie nicht in Münze, sondern in Noten der Haupt- oder Zentralbank auswechseln würden.

Schwarzenberg. Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Olmütz, 21. April 1849.