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Nr. 41 Ministerrat, Wien, 31. März 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld, Kulmer. BdE. (Schwarzenberg 1. 4.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 1003 – KZ. 876 –

Protokoll der zu Wien am 31. März 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.

I. Blockade von Venedig

Der Ministerrat beschloß, unter den gegenwärtigen Umständen, wo die sardinische Flotte nach den Bedingungen des Waffenstillstandes mit Sardinien demnächst in die dortigen Häfen zurückzukehren hat, die bereits vor mehreren Monaten begonnene, aber faktisch wieder unterbrochene Blockade Venedigs mit Energie fortsetzen zu lassen1. Es wurden sofort die nötigen Erlässe in dieser Beziehung an den Vizeadmiral Dahlerup und an den FML. Grafen Gyulai mit dem Beisatze ausgefertigt, daß nach Tunlichkeit von der Seeseite auch angriffsweise gegen Venedig zu operieren sein werde. Gleichzeitig erging die nötige Eröffnung an die Seemächte über die Wiederaufnahme der Blockade2.

II. Waffenstillstand mit Sardinien; Friedensunterhandlungen; Sendung des Ministers Bruck

Der Ministerpräsident verlas den vom Feldmarschall Radetzky am 26. März mit Sardinien abgeschlossenen Waffenstillstand samt dem die eingegangenen Bedingungen beleuchtenden und motivierenden Berichte ebendesselben3.

Der Kriegsminister fand diese Bedingungen gegenüber unseren Ansprüchen und glänzenden militärischen Erfolgen völlig ungenügend, sodaß man suchen müßte, die Feindseligkeiten bei der nächsten Gelegenheit wieder zu ergreifen, um den Frieden unter Bedingungen zu erzwingen, welche den Interessen der Monarchie besser zusagen.

Minister v. Bruck erklärte ebenfalls, er könne nicht begreifen, wie man auf so wenig günstige Bedingungen hin sich habe abhalten lassen können, den Frieden in|| S. 201 PDF || Turin zu diktieren. Er verstehe nicht, wie der tapfere Feldmarschall sich durch Rücksichten auf die persönliche Stellung des Königs gegenüber den sardinischen Kammern habe bestimmen lassen können, Konzessionen zu machen, welche die österreichischen Minister dem Reichstage gegenüber unmöglich rechtfertigen könnten.

Minister Bach äußerte, er vermisse in den Waffenstillstandsbedingungen die wichtigsten Stipulationen, z.B. die Erwähnung der Traktate vom Jahre 1815, die Zusicherung einer Kriegskostenentschädigung und wahre Garantien über die Zuhaltung der Bedingnisse4. Die in Aussicht gestellte Einberufung eines italienischen Kongresses sei eher geeignet, Beunruhigung bei uns zu erregen als sie zu beschwichtigen5.

Der Ministerpräsident fand die Waffenstillstandsbedingungen ausschließend vom militärischen Standpunkte aus betrachtet im ganzen annehmbar. Dagegen teilte er die von den Vorstimmen erhobenen gewichtigen Bedenken in politischer Beziehung und hob insbesondere noch heraus, daß die vom Feldmarschall zugesicherte Amnestie für die im feindlichen Lager befindlichen Lombarden, Polen und Ungarn zur Ah. Genehmigung durchaus nicht geeignet sei6. Der Widerruf dieses Punktes könne auch unter Androhung der Aufkündigung des Waffenstillstandes sofort erwirkt werden.

Insofern es sich aber jetzt um den Abschluß eines Friedensschlusses handelt, in welchem die Interessen Österreichs in jeder Beziehung die gebührende Geltung und Garantie erhalten, komme es vor allem auf die Wahl eines tüchtigen Negotiators an, der die österreichischen Ansprüche gegenüber den sardischen Winkelzügen mit aller Entschiedenheit vertrete und auch zugleich auf den Feldmarschall Radetzky jenen Einfluß übe, welcher die energische Förderung des Friedenswerkes von Seite des letzteren verbürgt. Alle diese Eigenschaften finde Fürst Schwarzenberg in der Person des Ministers Ritter v. Bruck auf das glücklichste vereinigt, und er beabsichtige daher, bei Sr. Majestät darauf au. anzutragen, daß der Handelsminister mit der wichtigen Mission der Friedensunterhandlungen in Verona betraut werde.

Nachdem dieser Antrag allseitig mit lebhafter Zustimmung aufgenommen war, erklärte Ritter v. Bruck seine Bereitwilligkeit, sich diesem ehrenvollen Auftrage, wenn er ihm zuteil würde, zu unterziehen, und erbat sich eventuell die Ermächtigung, den Waffenstillstand kündigen zu dürfen, wofern die Unterhandlungen auf der bisher gewonnenen Basis zu keinem befriedigenden Resultat geführt werden könnten könnten. Der Handelsminister ersuchte ferner seine Kollegen, ihm zu seiner Mission die dienlichen Informationen und Instruktionen zukommen zu machen7.

|| S. 202 PDF || Der Betrag der in Anspruch zu nehmenden Kriegsentschädigung wurde von dem Ministerrate auf 50 Millionen Gulden bestimmt, zumal der Aufwand für die ganze Armee in einem Monate bereits auf 10 Millionen Gulden gestiegen ist8!

III. Wahl des Königs von Preußen zum deutschen Kaiser, Zurückberufung der österreichischen Deputierten, des Erzherzog Johann und des Gesandten Anton Ritter v. Schmerling

Der Ministerpräsident besprach die neue Phase, in welche die deutschen Angelegenheiten durch die Wahl des Königs von Preußen zum Kaiser und dessen Hinneigung zur Annahme getreten seien9. Durch diesen Beschluß habe das deutsche Parlament über sich selbst den Stab gebrochen, und es sei somit der Zeitpunkt eingetreten, wo die österreichischen Deputierten von dorther zurückberufen werden müßten. Es wären ihnen daher die Diäten einzustellen und die Kosten der Rückreise anzuweisen, so wie sich von selbst versteht, daß keine Wahl oder Absendung neuer Deputierter nach Frankfurt mehr Platz zu greifen hätte10.

Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog Reichsverweser dürften durch Se. Majestät den Kaiser aufgefordert werden, seine Würde niederzulegen, eine Aufforderung, wodurch nur den schon längere Zeit gesagten Wünschen seiner kaiserlichen Hoheit entgegengekommen würde.

An den Rücktritt des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Johann würde sich die Abberufung des Gesandten v. Schmerling anreihen.

Allen diesen Anträgen wurde vom Ministerrate einstimmig beigepflichtet11.

IV. Versetzung von Generalen aus Italien nach Ungarn

Der Ministerpräsident teilte mit den Inhalt eines Vortrags des Fürsten Windischgrätz über den vom kommandierenden General in Galizien zu gewärtigenden militärischen Beistand12 und brachte bei diesem Anlaß die Frage in Anregung, ob nicht der ungarischen Armee einige der tüchtigsten k.k. Generale aus der italienischen Armee zuzuweisen wären, wenn sich die Ereignisse in der Halbinsel so gestalten, daß diese Generale dort entbehrt werden können.

Die Minister des Krieges und der Justiz glaubten sich von einer solchen Versetzung einzelner Generale verhältnismäßig nur geringen Erfolg für die Kriegsereignisse|| S. 203 PDF || im ganzen versprechen zu können, welcher hauptsächlich durch die oberste militärische Leitung der Operationen bedingt ist13.

V. Denkschrift des FZM. Ludwig Freiherr v. Welden über die Kriegsführung in Ungarn

Hierauf wurde die Denkschrift des FZM. Baron Welden über die in Ungarn zu ergreifenden militärischen Maßregeln im großen verlesen. Die Grundidee derselben ist, daß man den gegenwärtig unmöglichen Krieg in den Niederungen der Theiß vorderhand aufgeben und sich mit überwiegender Macht in die nördlichen Teile des Landes werfen sollte, wo das Terrain sowohl als die Nationalität der größtenteils slowakischen Bevölkerung unsern Operationen günstig sein würde. Tokaj wäre der geeignetste Zentralpunkt, um mit Schnelligkeit nach verschiedenen Richtungen erfolgreich zu operieren14.

VI. Gesuch des Emerich v. Péchy um Auszeichnung und regelmäßiges Gehalt

Die Beratung über das Gesuch des v. Péchy, 1. um eine Auszeichnung für seine politischen und polizeilichen Dienste und 2. um eine stabile Besoldung, führte zu dem Beschlusse, daß auf eine Ah. Auszeichnung für diesen, die Achtung der Welt nicht genießenden Mann nicht angetragen werden könne; dagegen aber, in Berücksichtigung seiner durch geheime Auskünfte und rechtzeitige Warnungen höchster und hoher Personen erworbenen Verdienste wie auch seiner weiteren Verwendbarkeit in polizeilichem Fache, dem Obgenannten aus der Polizeidotation ein jährlicher Bezug von 600 fl. zuzuwenden sei, wodurch seine Bezüge, da er auch aus der Ah. Privatkasse temporär 600 fl. bezieht, auf 1200 fl. jährlich steigen würden. Der Minister des Inneren wird das diesfalls Erforderliche einleiten.

VII. Gesuch Johann Eders um Strafnachsicht

Schließlich besprach der Justizminister das Gesuch des wegen schuldbaren Bankrotts zu sechswöchentlichem Polizeihausarrest verurteilten Johann Eder um Strafnachsicht. Der Bittsteller vermöge für sein Gnadengesuch keinen andern Grund anzuführen, als daß im Oktober 1848a bei der Belagerung Wiens sein Haus abgebrannt sei. Da nun dieser rein zufällige Umstand mit seiner Schuldbarkeit als Kridatar in keinem Zusammenhange steht, so glaubte Minister Bach unter Zustimmung seiner Kollegen, daß dieses Gesuch Eders zu einem au. Gnadenantrag bei Sr. Majestät keinen genügenden Anlaß biete.

Olmütz, 1. April 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 4. April 1849.