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Nr. 36 Ministerrat, Wien, 19. März 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; [VS. Schwarzenberg]; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 20. 3.), Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; abw. Cordon.

MRZ. 816 – KZ. 732 –

Protokoll der am 19. März 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Bestellung des Inneministers zum Ehrenchef der Akademie der bildenden Künste

Es wurde die Bestimmung des Ministers des Inneren zum Ehrenchef der Akademie der bildenden Künste besprochen. Der Umstand, daß ein anderer Minister Kurator der Akademie ist, der Minister des Inneren daher jenem unterstehen müßte, wurde als kein Hindernis der Annahme jener Würde dargestellt, weil der Minister des Inneren als Ehrenchef sich nur das Wichtigere vorbehalten und das Übrige an den eigentlichen Chef übertragen kann, und weil der Kurator dabei keine besonderen Geschäfte zu besorgen hat, ein Konflikt zwischen dem Kurator und dem Minister des Inneren sich daher nicht wohl ergeben dürfte1.

II. Verbot des Verkaufes und der Ausfuhr Florentiner und Venediger Kunstschätze

Der Justizminister Dr. Bach machte auf die unbedingte Notwendigkeit aufmerksam, dem Verkaufe und der Außerlandbringung der Kunstschätze in Rom, Florenz und Venedig entgegenzutreten.

Um den Verkauf und die Verführung solcher Kunstschätze möglichst zu hindern, wäre mittelst eines Zirkulars (das in Italien gewiß eine beifällige Aufnahme fände) jeder Verkehr damit unbedingt zu verbieten, jeder vor dem Erwerbe solcher Gegenstände zu wahren, und die Zollämter wären anzuweisen, die Ausfuhr derselben über die Zollinie nicht zu gestatten2.

III. Kategorien zur strafrechtlichen Verfolgung der am Oktoberaufstand Beteiligten

Derselbe Minister brachte die Aufstellung von Kategorien bezüglich der wegen Aufstandes und Aufruhrs im Oktober 1848 beinzichtigten Individuen zur Sprache, worüber ein eigener Vortrag an Se. Majestät erstattet werde3.

Bei der bedeutenden Anzahl von Individuen, welche wegen Teilnahme an dem Oktoberaufruhr der Amtswirksamkeit der strafenden Behörden verfallen, und bei der Unmöglichkeit, einer solchen Aufgabe in ihrem ganzen Umfange zu genügen, hat das Wiener Kriminalgericht und einverständlich mit demselben die höheren Justizbehörden die Notwendigkeit erkannt, das Einschreiten der Gerichte nur auf die schwerer Beteiligten zu beschränken, wie es auch früher in dem lombardisch-venezianischen Königreiche und in Galizien der Fall war, und zu diesem Behufe gewisse Kategorien festzusetzen, auf welche sich das strafgerichtliche Verfahren zu erstrecken hätte.

Nach der Äußerung des Zivil- und Militärgouverneurs Freiherrn v. Welden ist die Militärkommission bei ihren Untersuchungen mit solcher Ausscheidung vorgegangen, und es werden die wenigen bei ihr noch in Haft befindlichen Zivilindividuen des gleichmäßigen Verfahrens wegen an das Wiener Kriminalgericht abgegeben werden4.

Der Justizminister, den Ansichten der Justizbehörden beistimmend, wird in dem au. Vortrage an Se. Majestät antragen, daß nur jene Personen in Untersuchung und Strafe gezogen werden, welche als Urheber, Rädelsführer, Aufwiegler oder durch einen höheren Grad von Tätigkeit beanzeigt erscheinen, dann öffentliche Beamte und Seelsorger, und daß demgemäß die Untersuchung gegen die minder beteiligten Individuen, wenn sie sich nicht zugleich eines anderen Verbrechens schuldig gemacht haben, sogleich aufzulassen und die etwa Verhafteten gleich auf den freien Fuß zu setzen sind.

Der Ministerrat hat sich mit diesem Antrage einverstanden erklärt5.

IV. Ausdehnung des Gnadenaktes vom 19. August 1848 auf Michael Edler v. Schickh

Der Justizminister Dr. Bach brachte hierauf die Angelegenheit des Dr. Schickh zur Sprache. Dieser, früher vermöglich, durch das Falliment Steiner et Compagnie aber um sein Vermögen gebracht, hat am 13. März 1848 in einem Gasthause schändliche Lästerungen gegen die Ah. Familie vorgebracht.

Das Wiener Kriminalgericht hat gegen ihn die Untersuchung wegen Störung der öffentlichen Ruhe des Staates auf freiem Fuße eingeleitet und denselben schuldig erkannt.

Das niederösterreichische Appellationsgericht hat den von Schickh ergriffenen Rekurs verworfen. Der Präsident Baron Sommaruga nahm jedoch Anstand, diesen Beschluß ausfertigen zu lassen, nicht weil die Kriminalität der Handlung zweifelhaft ist, sondern in Berücksichtigung der Ah. Entschließung vom 19. August 1848 6, wodurch Se. Majestät das Justizministerium ermächtiget haben, von allen bisher überreichten Klagen, soweit sie die Übertretung des § 11 der provisorischen Verordnung in Preßsachen vom 18. Mai 1848 zum Gegenstande haben, Umgang zu nehmen, und dieser Gnadenakt umso mehr auch auf strafbare Reden, vor diesem Tage geführt, Anwendung finden|| S. 180 PDF || dürfte, als die Schandpresse in ihren Folgen gefährlicher ist als die in einem engeren Kreise geführte strafbare Rede.

Die oberste Justizstelle findet eine nähere Bestimmung hierüber wünschenswert. Der Justizminister erkennt den von Sommaruga erhobenen Zweifel vollkommen gegründet und wird mit Zustimmung des Ministerrates bei Sr. Majestät antragen, daß von jeder weiteren Untersuchung gegen Schickh wegen seines Benehmens am 13. März 1848 abgelassen und der Gnadenakt vom 19. August 1848 auch auf ihn in Anwendung gebracht werde7.

V. Behandlung der außer Aktivität gekommenen lombardisch-venezianischen Justizbeamten

Derselbe Minister bemerkte endlich, daß das Begünstigungsjahr rücksichtlich der italienischen Beamten nun bald zu Ende gehe8. In seinem Ministerium sind 40 bis 50 Beamte dieser Art, die aber größtenteils in Verwendung stehen. Ein Teil solcher Beamten (die Nationalen und Südtiroler) ist bereits angestellt worden. Es handle sich gegenwärtig nur noch um [ein] paar Monate bis zur definitiven Organisierung der Gerichtsbehörden, wobei ihnen die definitive Anstellung zuteil und in der Zwischenzeit ihr bisheriger Gehalt belassen werden dürfte. Der Umstand, daß in der Justiz wegen der vorhabenden Reorganisierung ein Jahr hindurch keine Besetzung stattfand, verdiene gleichfalls berücksichtiget zu werden.

Der Finanzminister erklärte sich im Prinzipe dagegen, hat aber einen Weg der Hilfe für diese Beamten damit angedeutet, daß ihnen die Differenz zwischen dem Quieszenten- und ihrem gegenwärtigen Gehalte, wenn nämlich diese Beamten in Verwendung stehen, als Remuneration angewiesen werden könnte. Was sie dadurch an der Dienstzeit verlieren kann nicht von Bedeutung sein, da die Justizbehörden bald organisiert werden dürften. Ein anderer Weg, diesen Beamten zu helfen, bestünde darin, daß ihnen der Justizminister definitiv bestimmte Dienstposten verleihe. Gegen diese Ansicht des Finanzministers wurde nichts erinnert9.

VI. Übersiedlung Johann Freiherrn v. Metzburg und Albert Zeno Grafen Montecuccoli-Laderchi von Mailand nach Crema

Der Ministerpräsident erwähnte, einen Bericht von Mailand vom 14. d.M. von Baron Metzburg erhalten zu haben, worin gemeldet wird, daß sich der kaiserliche Kommissär Graf Montecuccoli mit den Kassen nach Crema begeben habe10.

VII. Eindruck der österreichischen Reichsverfassung und der Waffenstillstandsaufkündigung von Seite Piemonts in Mailand

Derselbe brachte einen weiteren Bericht aus Mailand zur Kenntnis des Ministerrates, nach welchem die neue österreichische Reichsverfassung daselbst mit Beifall aufgenommen wurde11, die Aufkündigung des Waffenstillstandes von Seite Piemonts dagegen Bestürzung verursacht habe12. Die besitzende Klasse fürchtet die Plünderung des Pöbels, wenn die kaiserlichen Truppen abziehen. Der Feldmarschall Graf Radetzky hat übrigens der Stadt eine Munizipalgarde mit blanker Waffe gestattet und seinen Schutz zugesichert, solange sie sich ruhig verhalten und die Truppen respektieren. Die tapfere Armee jubelt über die ihr gegebene Gelegenheit, neue Taten vollführen und neue Lorbeeren sammeln zu können13.

VIII. Versetzung Triests in den Belagerungsstand

Ferner teilte der selbe Minister mit, daß infolge der Aufkündigung des Waffenstillstandes von Piemont Triest und sein Gebiet in Belagerungszustand versetzt worden sei14.

IX. Bewirtung der Abgeordneten des geplanten Landeskulturkongresses durch den Ministers für Landeskultur

Der Minister für Landeskultur und Bergbau bemerkte, daß bereits mehrere inländische Abgeordneten zu dem hier abzuhaltenden Kongresse wegen Hebung der Landeskultur eingetroffen seien. Er halte sich verpflichtet, für die Abgeordneten in sozialer Beziehung etwas zu tun, sie nämlich alle Wochen zwei- bis dreimal während ihres kurzen hierortigen Aufenthaltes abends zu versammeln und mit einigen Erfrischungen zu bewirten, wozu der Minister des Inneren ihm die nötigen Lokalitäten eingeräumt habe.

Da er keine Funktionszulage genieße, so behalte er sich vor, die Anzeige über die stattgehabten Kosten zu erstatten, wogegen nichts erinnert wurde.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 24. März 1849.