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Nr. 30 Ministerrat, Wien, 9. März 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 10. 3.), Krauß (28. 6.), Bach (28. 6.), Thinnfeld (27. 7.), Kulmer (28. 6).

MRZ. 711 – KZ. 744 –

Protokoll. Wien 9. März 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.

I. Patent zur Einführung der österreichischen Verfassung in Ungarn

Der Minister Baron Kulmer las den Patentsentwurf vor, mit welchem die neue österreichische Reichskonstitution in Ungarn eingeführt werden soll1. Gegen die Textierung desselben wurde im allgemeinen nichts erinnert und nur bemerkt, daß darin der Gleichberechtigung aller Nationalitäten keine Erwähnung geschieht. Diese Gleichberechtigung wurde vom Minister Baron Kulmer am geeigneten Orte des Entwurfes beigesetzt2.

II. Übergabe Adolf Fischhofs und Giovani a Pratos an die Gerichtsbehörde

Hinsichtlich der wegen demagogischer Umtriebe eingezogenen ehemaligen Deputierten des österreichischen Reichstages Fischhof und Prato wurde von den Ministern Grafen Stadion und Dr. Alexander Bach erinnert, es sei notwendig, die Anordnung zu treffen, daß dieselben vor Ablauf der in der Konstitution festgesetzten Frist von der Polizei dem kompetenten Gerichte übergeben werden, was sogleich ex consilio verfügt wurde. Zugleich wird der Zivil- und Militärgouverneur FML. Baron Welden auf den Stand der Angelegenheit unter einem aufmerksam gemacht3.

III. Leopoldorden für Franz Grillparzer

Der Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg teilte dem Ministerrate den Inhalt eines Vortrages mit, den er wegen Auszeichnung des berühmten vaterländischen Dichters Grillparzer an Se. Majestät zu erstatten sich veranlaßt gefunden hat. Sein Antrag ging dahin, dem Grillparzer, der unter den vaterländischen Dichtern unstreitig auf der ersten Linie steht, ein treuer Untertan, fleißiger Beamter und guter, von reinen politischen Gesinnungen beseelter Mensch ist und dem es zur vorzügliche Ehre gereicht, im Juni 1848 an Grafen Radetzky ein schönes, die Armee begeisterndes Gedicht gerichtet zu haben, welches seine Wirkung nicht verfehlt hat, das Ritterkreuz des kaiserlich österreichischen Leopoldordens taxfrei zu verleihen4.

Da Se. Majestät diesen Antrag bereits Ah. zu genehmigen geruhet haben, so will der Ministerpräsident zur Verstärkung des Eindruckes den Grillparzer hievon mittelst eines eigenen Briefes in die Kenntnis setzen5.

IV. Minister für Ungarn beim österreichischen Ministerium

Der Minister des Inneren Graf Stadion machte auf die Masse Geschäfte aufmerksam, die auf ihm lasten und die eine Erleichterung wünschenswert, ja notwendig erscheinen machen6. Der Ministerpräsident erinnerte, daß es notwendig sei, einen Minister für Ungarn dem österreichischen Ministerium einzuverleiben und zu diesem Behufe ein Portefeuille zu ermitteln. Ob dieses das des Kultus oder des öffentlichen Unterrichtes oder ein anderes sein solle, das sei die Frage7. Er habe diesfalls mit Grafen Apponyi8, einem gebildeten, allgemein geehrten und gut gesinnten Manne, gesprochen, dieser hat aber auf seine geschwächte Gesundheit hingewiesen, die es notwendig mache,daß er sich auf einige Monate nach Gräfenberg begebe. Wenn sich später eine Gelegenheit ergeben sollte, von seinem Dienste Gebrauch zu machen, so sei er dazu bereit. Graf Apponyi hat gleichzeitig auf den Grafen Emil Dessewffy9 hingedeutet, der ein vielseitig gebildeter, mit vielen Talenten und Kenntnissen begabter Mann sei.

Gegen die Anregung, daß ein Ungar dem österreichischen Ministerium beigesellt werde, wie auch gegen die Person des Dessewffy wurde von keiner Seite etwas erinnert, nur bemerkte der Justizminister Dr. Bach , daß diesem Minister speziell den öffentlichen Unterricht anzuvertrauen auf großen Widerspruch stoßen dürfte. Als früher Palacký zum Unterrichtsminister ernannt wurde (was aber nicht zur öffentlichen Kenntnis kam),|| S. 158 PDF || erhoben sich bereits viele Stimmen dagegen10. Gegen einen ungarischen Unterrichtsminister, bei welchem Ministerium gerade die Nationalitätsfrage praktisch hervortritt, würde nicht nur von slawischer, sondern auch von deutscher Seite nur noch mehr angekämpft werden.

Der Minister Ritter v. Bruck deutete hierbei an, ob man nicht auf eine Einrichtung bedacht sein sollte, durch die Presse auf das Publikum zu wirken und zu diesem Zwecke einen höher gestellten Mann zu benützen.

Der Gegenstand zu IV wird einer näheren Erwägung vorbehalten und später wieder vorgebracht werden11.

V. Russisches Anleiheprojekt

Der Finanzminister Baron Krauß hält sich verpflichtet, hinsichtlich der in einer früheren Ministerratssitzung besprochenen Petersburger Geldangelegenheit gegenwärtig zwei Punkte zur Kenntnis des Ministerrates zu bringen12. Der erste betrifft die Austauschung der französischen Rente gegen österreichische Metalliques. Die russische Regierung berechnet die Francs gegen österreichische Konventionsmünze mit 251 f. gegen 100 fr. Bei uns wird der Franc zu 23 1/2 Kreuzer Konventionsmünze angenommen. Diese verschiedene Berechnung macht bei dem Geschäfte eine Differenz von 220.000 fr. Der zweite Punkt betrifft den Wunsch der russischen Regierung, daß die Zinsen ausgeglichen werden. In diesem Falle müßten die verfallenen Zinsen in Barem nach Petersburg gesendet werden. Ein Auskunftsmittel, meint Baron Krauß, dürfte darin gefunden werden, daß die österreichischen Kupons von dem Tage zu laufen hätten, von welchem die französische Rente läuft. Hätten wir keine Konstitution, so würde der Finanzminister keinen Anstand nehmen, in diese Punkte einzugehen, aber unter dem gegenwärtigen Verhältnissen bedürfe es der Zustimmung des Ministerrates hierzu.

Es wurde beschlossen, die erwähnten Bemerkungen des Baron Krauß als Wünsche des Finanzminister­iums der russischen Gesandtschaft mitzuteilen13.

VI. Annullierung der vom Fürsten Windischgrätz erlassenen Kundmachung über die ungarischen Banknoten

Las der Finanzminister infolge des gestrigen Beschlusses (vide MRZ. 684, Protokollpunkt III) die an den Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zu erlassende Note wegen Bedeckung des Erfordernisses14 und wegen der am 2. d.M. vom Fürsten Windischgrätz erlassenen Kundmachung vor, daß eine Außerkurssetzung der ungarischen Banknoten im Privatverkehre keine Anwendung haben solle15. Diese letztere Verfügung || S. 159 PDF || des Fürsten wird als gefährlich, die Kräfte der Empörung unterhaltend und als eine Anerkennung dieses ungesetzlichen Papieres erklärt, welche alle jene benachteiliget, welche nach der ministeriellen Kundmachung diese Papiere annehmen. Der Ministerrat habe demnach beschlossen, die Kundmachung des Fürsten außer Kraft zu setzen. Der Fürst hätte schleunig den Vollzug hievon zu verfügen und den Ministerpräsidenten davon in Kenntnis zu setzen.

Diese Note wird von dem Ministerpräsidenten sogleich an den Fürsten Windischgrätz befördert werden16.

VII. Steuerausschreibung für das zweite Semester 1849

Hierauf erwähnte der Finanzminister der Notwendigkeit der weiteren direkten Steueraus­schreibung für 1849, welche von dem bestandenen Reichstage nur auf ein halbes Jahr bewilligt und so ausgeschrieben wurde17. Diese Ausschreibung dürfte mit Beziehung auf den Beschluß des Reichstages und die betreffenden Paragraphen der Konstitution geschehen, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde18.

VIII. Aufhebung des Stempels für periodische Schriften

Brachte der Finanzminister die Aufhebung des Stempels von den periodischen Schriften zur Sprache, welcher Stempel ohnedies nur bei [ein] paar Blättern (den vom Staate unterhaltenen oder verpachteten) besteht und gegenwärtig anstößig gefunden wird. Der Finanzminister will den Stempel für die inländischen Blätter aufheben und dafür eine kleine Gebühr für jene Blätter aufnehmen, die das lukrative Recht haben, mit Inseraten ihre Spalten zu füllen. Freiherr v. Krauß kann in dem Stempel kein Mittel erblicken, die Presse zu regulieren. Er wird im kurzen wegen Aufhebung dieses Stempels ein Gesetz vorschlagen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte19.

Was die ausländischen Blätter anbelangt, so ist Baron Krauß auch für die Aufhebung des Stempels, insbesondere für die deutschen Blätter, was aber der weiteren Zukunft vorbehalten wird20.

IX. Sendung Karl Friedrich Freiherrn Kübeck v. Kübau nach Ofen

Der Ministerpräsident eröffnete, daß er infolge des erhaltenen Auftrages beim Baron Kübeck war, um mit ihm wegen der an Fürsten Windischgrätz zu übernehmenden|| S. 160 PDF || Sendung zu sprechen21. Baron Kübeck habe sich eine Bedenkzeit von 24 Stunden ausgebeten, es sei aber zu hoffen, daß er diese Sendung an den Fürsten, der ihn persönlich schätzt, übernehmen werde22.

X. Entwürfe bezüglich der Krönung und Titel Sr. Majestät und eines Patentes hinsichtlich der Bukowina und Krakau

Wegen der in der Konstitutionsurkunde vorbehaltenen Krönung und Titel Sr. Majestät, dann wegen Erlassung eines Patentes hinsichtlich der Bukowina und Krakaus wird der Ministerpräsident die nötigen Entwürfe verfassen lassen23.

XI. Gesetzesentwurf des provisorischen Vereins- und Assoziationsrechts

Hierauf wurde der Entwurf eines provisorischen Gesetzes über die Vereine und das Assoziationsrecht der ersten Lesung und Beratung unterzogen24.

Es wurde für angemessen erachtet, die ersten Paragraphe 1–8 einer Umarbeitung und kürzeren Fassung (Zusammenziehung in etwa zwei Paragraphen) zu unterziehen. Hierbei soll im Prinzipe ausgesprochen werden, welche Vereine der Bewilligung der gesetzgebenden Gewalt und welche der Bewilligung der Staatsverwaltung bedürfen, dann welche sich frei konstituieren können. Der Justizminister wird diese Paragraphen einer nochmaligen Prüfung mit seinen Räten unterziehen und das Resultat neuerdings vorbringen. Derselbe wird auch am geeigneten Platze des Gesetzes den Satz einschalten, daß in einem Umkreise von fünf Meilen keine Versammlung gehalten werden darf, solange der Reichs- oder der Landtag dauert.

Der § 8 wäre nach der Ansicht des Finanzministers Baron Krauß zu streichen, weil er nicht wesentlich ist. Aus dem § 9 wäre nach Baron Krauß und Ritter v. Bruck der Satz „welcher aus mehr als zwölf Mitgliedern besteht“, wegzulassen.

Am Schlusse dieses Paragraphes „und spätere Änderungen derselben (Statuten) anzuzeigen“, wäre nach Baron Krauß im Sinne der früheren Sätze des Paragraphes zu setzen: „die Änderungen 14 Tage, ehe sie in Wirksamkeit treten, anzuzeigen“.

Zu § 12 bemerkte Baron Krauß, daß man sich die Hände nicht so binden sollte, wie es dieser Paragraph enthält. Ihm scheint der Gegenstand zur Vorlage an die Statthalter geeignet zu sein, welche die Polizeiaufsicht über die Vereine zu führen haben.

§ 14. Baron Krauß findet den Schluß des Paragraphes „so kann sich der Verein als gesetzlich konstituiert betrachten“ zu viel gewährend. Statt desselben wäre besser zu setzen: „so kann der Verein seine Sitzungen beginnen“.

§ 15 wäre nach Ritter v. Thinnfeld mit Rücksicht auf die im § 14 bestimmten 14 Tage für den Rekurs an den Kreischef ebenfalls eine Frist von 14 Tagen zu bestimmen.

Der Finanzminister Baron Krauß meint, daß in diesem Paragraphe statt des Satzes „so steht ihnen das Recht der Berufung an den Kreischef zu“ zu setzen wäre: „so steht ihnen frei, den Rekurs an die höhere Behörde zu ergreifen“. Dann wäre bei diesem Paragraphe der Zusatz zu machen: „oder sofern er seine Sitzungen begonnen hat, dieselben bis zur Erledigung des Rekurses nicht fortsetzen“.

|| S. 161 PDF || Der Justizminister Dr. Bach fände dies mit § 14 im Widerspruche. Lieber wäre nach seiner Ansicht § 14 ein größerer Termin zu erteilen. Das Auflösen eines Vereines sei bedenklicher als die frühere Nichtgestattung desselben. Nach seiner Ansicht wäre der erwähnte Zusatz nicht aufzunehmen.

§ 33 wäre statt „zu ziehen beginnt“ „zieht oder zu ziehen versucht“ zu setzen.

§ 43 wäre nach Baron Krauß als nicht notwendig zu streichen.

§ 44. Mit diesem Paragraphe könnte sich der Finanzminister Freiherr v. Krauß auch nicht einverstanden erklären. Wenn z.B. ein Verein sich gegen das Verbot konstituiert, so unterliegt er als verbotene Gesellschaft den Bestimmungen des II. Teiles des allgemeinen Strafgesetzbuches.

Die Paragraphen dieses Gesetzes werden übrigens noch einmal kombiniert und zur Beratung gebracht werden25.

XII. Provisorische Verordnung über den Mißbrauch der Presse

Schließlich wurde die provisorische Verordnung gegen den Mißbrauch der Presse einer Beratung unterzogen26.

Zu § 3 wurde bemerkt, daß für mechanische Mittel „technische“ zu setzen wäre.

Im § 4 „Herausgeber oder Verleger“ wäre statt des Wortes „oder“ „und“ zu setzen, weil dies zwei verschiedene Personen sein können.

§ 6 wäre statt des unbestimmten „vorläufig“ die Zeit genau zu bestimmen, etwa „24 Stunden vor der Herausgabe“.

§ 7 wäre statt „unter gleicher Sanktion“ „unter gleichen Rechtsfolgen“ zu setzen.

§ 9 würde der Finanzminister es für angemessener halten, daß periodische Druckschriften, wenn sie auch nur einmal des Monates oder noch seltener erscheinen, zum Erlage einer Kaution verpflichtet würden, wodurch alle periodischen Schriften einer gleichen Regel unterworfen wären.

§ 10. Die Bestimmung dieses Paragraphes, nach welcher in allen Städten außer Wien nur die Hälfte der für Wien bestimmten Summe als Kaution zu erlegen wäre, fand der Ministerrat nicht angemessen. Die Betrachtung, daß große Städte in Ansehung der Presse vorzüglich gefährlich sein können, gelte auch für Prag, Pest und Ofen, Lemberg, Mailand etc. etc. Um aber die Presse als ein wichtiges Vehikel für die Regierung nicht einer allzu großen Beschränkung zu unterwerfen, einigte sich der Ministerrat in dem Beschlusse, daß für Städte, welche mit einem Rayon von zwei Meilen 60.000 Einwohner zählen, die für Wien bestimmte Kaution, für die anderen aber nur die Hälfte dieser Summe als Kaution anzunehmen wäre.

|| S. 162 PDF || Zu § 11, wo es am Schlusse heißt, daß die Kaution von dem Tilgungsfonds mit vier Prozent verzinset wird, bemerkte der Finanzminister, daß der Tilgungsfonds nur drei Prozent zahlt. Es wäre daher nebst dem, daß die Kaution auch in Staatspapieren geleistet werden könne, nur zu sagen: „gegen die für die Anlegung der Kautionen vorgeschriebenen Prozente“.

§ 13. Gegen die Bemerkung, ob in diesem Paragraphe statt des Wortes „beim Beginne“ nicht besser „vor dem Beginne“ zu setzen wäre, fand der Justizminister zu erinnern, daß eine solche Bestimmung nicht zu überwachen wäre, und daß es genüge, den Zeitpunkt der Herausgabe genau zu bestätigen. Die Drucksachen, die von einer öffentlichen Behörde herausgegeben werden, sind ohnehin ausgenommen.

Zu § 20 bemerkte der Finanzminister, daß außer dem, daß die Blätter in Hochverratsfällen in diesem Paragraphe zu nachsichtig behandelt werden, im Absatze d) statt „werden soll“ gesetzt werden möge „werden kann“.

Zu § 21 bemerkte derselbe, daß die Textierung des Anfanges etwa so vorgenommen werden dürfte: „Wer in Druckschriften die Unverantwortlichkeit und Unverletzlichkeit des Staatsoberhauptes angreift“, und des Schlusses: „verfällt einer Strafe von 500 f., die aus der Kaution eingebracht wird“.

§ 29 wurde als zweckdienlich erkannt, zwischen den verschiedenen Vergehen verschiedene Strafen festzusetzen.

§ 34 scheint die Verjährungsfrist von drei Monaten zu kurz zu sein, und es wäre eine unseren Strafgesetzen angemessenere (der Minister Ritter v. Bruck meint von sechs Monaten) zu setzen.

§ 35 wäre der ganze erste Satz als nicht notwendig wegzulassen27.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Olmütz, den 25. März 1849.