MRP-1-2-01-0-18490223-P-0022.xml

|

Nr. 22 Ministerrat, Wien, 23. Februar 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 24. 2.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Bruck, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 543 – KZ. 760 –

Protokoll, Wien, den 23. Februar 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.

I. Windischgrätz‘ Änderungswünsche zum Verfassungsentwurf

Der Justizminister Dr. Bach las dem Ministerrate einen von ihm verfaßten Aufsatz vor, welcher als Entgegnung auf eine Zuschrift des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz hinsichtlich seiner Ansichten über die Volksvertretung und über den Wahlmodus für den besagten Fürsten bestimmt ist. Der Fürst Windischgrätz hat sich nämlich für eine kleinere Anzahl von Volksvertretern, nämlich für je einen auf 300.000 Seelen, und für die indirekten Wahlen ausgesprochen.1

Der Minister Dr. Bach begründet in diesem Aufsatze unter umständlicherer Auseinandersetzung des schon in dem Ministerratsprotokolle vom 20. Februar d.J. Angeführten die entgegengesetzte Ansicht des Ministeriums.2 So würde z.B. Bukowina mit 180 Quadratmeilen und seiner Bewohnerzahl keinen Abgeordneten ins Oberhaus und nur einen in das Unterhaus zu senden haben. Ähnliche Mißverhältnisse würden sich nach dem Antrage des Fürsten Windischgrätz auch anderwärts ergeben. Ferner bemerkte der Minister, daß direkte Wahlen dem konservativen Elemente weit zuträglicher seien als die indirekten. England besitze bei direkten Wahlen in seinen Häusern den festesten Damm gegen den Umsturz. Die in Deutschland gemachte Erfahrung, wo zum Teile indirekte Wahlen bestehen, empfehle diesen letzteren Modus gleichfalls nicht. So wenig zahlreiche Versammlungen, wie sie nach dem Antrage des Fürsten Windischgrätz sein würden, besäßen nur wenig Spezialitäten, schon die Zahl von 61 Stimmen würde die Majorität bilden und eine nur aus 120 Vertretern bestehende Versammlung würde das Vertrauen des Landes nicht im gehörigen Maße genießen. Der Minister erwähnte auch, daß der österreichische Reichstag, als er vollzählig war, d.i. 380 Mitglieder zählte, konservativ gewesen sei, als er aber im Oktober nur aus 190 bestand, war er revolutionär. Höchstens könnte, wie der Justizminister meint, die Dauer des Reichstagsmandats erhöht werden, wie es auch in dem redigierten Konstitutionsentwurfe wirklich geschehen ist. Die von ihm gleichfalls berührte Erhöhung des Zensus ist fallengelassen worden.

|| S. 131 PDF || Mit der vom Justizminister vorgetragenen Darstellung dieses Gegenstandes erklärte sich der Ministerrat einverstanden, und es wird ein eigener Beamter des Ministeriums des Äußern damit an den Fürsten Windischgrätz abgesendet werden.3

II. Ungarische Banknotenfrage

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf die bis zur Ankunft des Ministers für Handel und öffentliche Arbeiten Ritters v. Bruck zurückbehaltene, vom Fürsten Windischgrätz vorgelegte Nachweisung über den Stand der ungarischen Banknoten zum Vortrage.4 Die Anträge des Fürsten Windischgrätz gehen dahin, a) die 1 fr. und 2 fr. Banknoten gegen österreichische 5 fr. Banknoten einzuwechseln, b) die ungarischen Banknoten von 5 fr. zu 2 1/2 bei den Kassen annehmen zu lassen, die zu 100 fr. aber ganz zurückzuweisen.

Der Finanzminister erörterte die Genesis dieser verschiedenen ungarischen Banknoten und bemerkte, daß jene der 1 fr. und 2 fr. Noten wesentlich verschieden sei von der der anderen Noten. Die ersteren heißen Banknoten (weil zu ihrer Deckung fünf Millionen in Silber erlegt wurden und die Kommerzialbank das Recht erhalten hat mitzuwirken), die zu 5 fr. und 100 fr. heißen Geldnoten. Die ersteren sind vor dem Aufstande ausgegeben worden, sind unter dem großen Volke ausgebreitet und verdienen sonach vorzüglich berücksichtiget zu werden. Hinsichtlich dieser stimmt der Finanzminister dem Antrage des Fürsten Windischgrätz bei, daß nun ein Abschnitt gemacht und diese Banknoten gegen österreichische umgewechselt werden. Die Bank, mit welcher Freiherr v. Krauß diesfalls gesprochen, ist bereit, vier Millionen gegen Erlag dreiprozentiger Kassaanweisungen zu diesem Ende herzugeben. Dagegen ist Baron v. Krauß mit dem zweiten Antrage des Fürsten Windischgrätz nicht einverstanden. Würde man diese Noten einlösen, so hieße das den Kossuth auffordern, ihrer noch einmal so viel fabrizieren zu lassen. Eine solche Einlösung erscheint nach dem Dafürhalten des Finanzministers auch nicht notwendig. Es ist zwar vom Fürsten Windischgrätz bemerkt worden, daß sonst andere Zahlungsmittel fehlen würden, allein dagegen müsse erinnert werden, daß seit dem Einrücken der Truppen in Ungarn vier bis fünf Millionen dahin bar disponiert wurden und daß nach dem obigen nun auch die 1 fr. und 2 fr. Banknoten, welche umgewechselt werden, dazukommen.

Bei diesem Anlasse bemerkte auch Freiherr v. Krauß, daß die hiesige Börse Geschäfte mit ungarischen Banknoten zu guten Prozenten mache. Er vermutet eine Intrige dahinter und glaubt, ein Verbot zu erlassen, mit diesen Banknoten zu handeln. Gegen einen solchen Handel sprechen die Bankstatuten, weil nur die Bank allein Banknoten ausgeben darf. Was die Sanktion dieses Verbotes anbelangt, so besteht wohl eine alte Vorschrift über den Handel mit Scheidemünze, welche ihn mit Konfiskation belegt.

Diese könnte nun auch auf die Banknoten (obgleich das Papier gar keinen inneren Wert hat) als auf ein außer Kurs gesetztes Papier ausgedehnt werden.

|| S. 132 PDF || Gegen diese Anträge des Finanzministers ergab sich keine Erinnerung.5

III. Umtriebe auf dem Lande

Der Minister des Inneren Graf Stadion brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß der Zivil- und Militärgouverneur Freiherr v. Welden ihm die Anzeige gemacht habe, daß mehrere Studenten sich auf das Land begeben, um die Bauern gegen die jetzt statthabende Rekrutierung aufzuregen.6 Graf Stadion bemerkt, daß nach den ihm bisher zugekommenen Notizen es mit der Rekrutierung teilweise gut, teilweise schlecht geht. Im Königgrätzer Kreise spreche man nur bisher von einer Widersetzlichkeit. Ein gewisser Kampelik7 und ein protestantischer Geistlicher sollen sich an der Aufwieglung beteiligen, es zirkulieren lithographierte Briefe, welche die gegenwärtige Rekrutierung als etwas Ungesetzliches erklären. Der Minister hat zur Beseitigung dieser Übelstände und wegen Wegnahme der aufreizenden Schriften das Nötige eingeleitet, was dem Baron Welden auf seine Zuschrift zu erwidern wäre.8

IV. Verfassungsentwurf

Schließlich wurde der Entwurf der Konstitution einer nochmaligen Revision unterzogen, wobei einige stilistische Berichtigungen, Verkürzungen, Zusätze gemacht und die logische Reihung der Paragraphe vorgenommen wurde, welches Operat als das Ergebnis der bisherigen Beratungen des Ministerrates über den Konstitutionsentwurf mit der zu I. erwähnten Depesche dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz mitgeteilt werden soll.9

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Olmütz, den 27. März 1849.