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Nr. 16 Ministerrat, Olmütz, 20. Jänner 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 21. 1.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Bruck, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 526 – KZ. fehlt –

Protokoll der zu Olmütz am 20. Januar 1849 in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Sitzung des Ministerrates.

I. Wahl von sechs Bankdirektoren der Oesterreichischen Nationalbank

Der Finanzminister erstattete Bericht über die von dem Ausschusse der österreichischen Nationalbank vorgenommene Wahl zur Ergänzung der durch den statutenmäßigen Austritt von vier Bankdirektoren, dann durch den Tod von zwei Bankdirektoren gelichteten Bankdirektion. Von den vier austretenden Direktoren sind drei durch Stimmenmehrheit wiedergewählt worden, und der vierte, v. Bruchmann, erhielt 24 Stimmen. Baron Krauß glaubte unter Zustimmung des Ministerrates, daß der Wiedereintritt dieser vier Individuen in die Bankdirektion nach dem Beispiele früherer Jahre Ah. zu genehmigen wäre. Für den einen der zwei anderen Plätze wurde nur Johann Mayer (Stametz) durch Stimmenmehrheit vorgeschlagen, von den übrigen Kandidaten hatte Murmann und nach ihm Miller relativ die meisten Stimmen. Der Finanzminister glaubte daher, daß nur Mayer Allerhöchsten­orts zum Bankdirektor zu ernennen, die zwölfte Stelle aber unbesetzt zu lassen wäre.

Nach längeren Debatten vereinigte sich der Ministerrat zu dem au. Antrage, daß sowohl Mayer als Murmann zu Bankdirektoren zu ernennen wären, ihren Rang aber erst nach den vier wiedereintretenden Direktionsmitgliedern zu nehmen hätten. Baron Krauß behält sich hierüber die Erstattung eines besondren au. Vortrages vor1.

II. Aufhebung der Sanitätstaxen

Der Handelsminister erbat sich hierauf unter Zustimmung der übrigen Minister die Ah. Erlaubnis zur Erstattung eines Vortrages wegen Aufhebung der für den Verkehr ungemein drückenden Sanitätstaxen an den Landesgrenzen gegen die Donaufürstentümer und die Türkei. An deren Stelle hätte eine mäßige Rekognitionsgebühr von 3 Kreuzer für 100 fl. Wert der Waren zu treten2.

III. Lombardisch-venezianische Eisenbahn

Der Minister für Handel und öffentliche Arbeitena entwickelte hierauf die Notwendigkeit, daß die Verwaltung und technische Bauleitung der lombardisch-venezianischen || S. 100 PDF || Eisenbahn, bei welcher die Staatsfinanzen und die Wiener Kapitalisten bei weitem am meisten interessiert sind, in verläßliche und intelligente Hände gelegt werde, da das in Venedig befindliche Komitee gar keine oder doch nur eine dem österreichischen Interesse feindliche Tätigkeit entwickeln könne. Ritter v. Bruck motivierte hierauf folgende Anträge: 1. Der Sitz des Komitees wäre von Venedig nach Wien zu verlegen. 2. Die Mitglieder desselben, Baron Eskeles und Baron L. Pereira hätten sofort die Vertretung der Gesellschaft und die Leitung der Geschäfte zu übernehmen. 3. Das lf. Bauinspektionsbüro wäre nach Verona zu verlegen, und hätte der Ministerialkommissär Negrelli statt des in politischer Beziehung bemakelten Baron Guido Avesani die Oberleitung davon zu führen. 4. Wäre eine Versammlung der Gesellschaftsaktionäre nach Wien einzuberufen.

Nachdem diesen Anträgen einstimmig beigetreten wurde, wird Ritter v. Bruck um die Ah. Genehmigung der diesfalls mit Beschleunigung zu treffenden Verfügungen mittelst au. Vortrages einschreiten3.

IV. Provisorischer Jagdgesetzentwurf

Der Minister für Landeskultur und Bergwesen verlas hierauf den Entwurf eines provisorischen Jagdgesetzes, dessen Erlassung aus Rücksicht für die öffentliche Sicherheit, für Erhaltung des mit Ausrottung bedrohten Wildstandes und für die vertragsmäßig erworbenen Befugnisse von Jagdbe­rechtigten wahrhaft dringend nötig geworden ist4.b

Sämtliche Minister waren über beinahe alle Hauptpunkte des Entwurfes mit dem Referenten einverstanden, und nur jene Bestimmung gab zu einer Kontroverse Anlaß, daß der für das verpachtete Jagdrecht im Gemeindebezirke eingehende Pachtschilling unter die einzelnen Grundbesitzer nach Verhältnis ihrer Grundflächen zu verteilen wäre. Der Minister Graf Stadion glaubte, daß eine solche Teilung, wobei die Kleinhäusler und Inleute gar nichts erhielten, einen ungünstigen Eindruck hervorbringen und dem Zwecke des Jagdgesetzes hinderlich sein würde, während, wenn der Pachtschilling in die Gemeindekasse fließt, jedes Gemeindeglied ohne Unterschied des Grundbesitzes davon Vorteil zieht. Minister v. Bruck , dieselbe Ansicht teilend, hob insbesondere heraus, daß die Verteilung an die Grundbesitzer eine nutzlose Versplitterung der Pachtschillinge zur Folge haben würde, während dieselben einen sehr erwünschten Zufluß für die Gemeindekassen bilden könnten, welchen nach dem neuen Systeme so viele neue Lasten zuwachsen werden. Hierauf wurde von dem Minister Thinnfeld entgegnet, daß die Überweisung des Pachtschillings an die Gemeindekasse mit dem Prinzipe nicht übereinstimme, wonach das Jagdrecht ein Befugnis des Grundeigentümers ist und er allein also pro rata Anspruch auf den Pachtschilling hat. Andererseits würde der Antrag des Grafen Stadion eine andere Ungerechtigkeit involvieren, daß nämlich jene Gemeindeglieder, welche Grundflächen über 200 Joch als Jagdrevier entweder selbst benützen || S. 101 PDF || oder verpachten, gleichzeitig auch von den Zuflüssen der Gemeindekasse aus der Verpachtung des Jagdrechts auf den Grundstücken der übrigen Gemeindeglieder Vorteil ziehen würden, was eine unbillige Begünstigung der großen Grundbesitzer wäre. Endlich ließe sich der Vergeudung der Tantiemen der Grundbesitzer infolge deren baren Hinauszahlung dadurch begegnen, daß der Anteil am Pachtschilling jedem Grundbesitzer mittelst Abschreibung an seiner Konkurrenz zu den Gemeindelasten zugewendet würde.

Schließlich vereinigte sich Se. Majestät der Kaiser und die übrigen Minister mit dem Antrage des Ritters v. Thinnfeld in Absicht auf die Teilung der Pachtschillinge unter die Grundbesitzer. Bei einigen Gesetzesparagraphen wurden auch Veränderungen der Textierung beschlossen, um jede Dunkelheit zu beseitigen.

Der Minister der Landeskultur wird den dergestalt berichtigten Entwurf der Ah. Sanktion unterziehen5.

V. Leopold-Ordensverleihung an den Vizegespan Joseph Bunjevac

Der Minister des Inneren erbat sich die Ah. Genehmigung zur Einbringung eines au. Vortrags wegen Verleihung des Leopoldordens an den Vizegespan Bunjevac, welcher sich durch die ebenso kühn als glücklich vollbrachte Besetzung Fiumes ein hervortretendes Verdienst erworben hat6.

VI. Begnadigung von Leander Kastner und Ignaz Trebal; Pensionierung der böhmischen Appellationsgerichtsräte Johann Schmidt und Franz Schleichert Ritter v. Wiesenthal

Der Justizminister überreicht a) die Vorträge vom 16. und 17. Jänner 1849 mit den Begnadigungsanträgen für die wegen Mord zum Tode verurteilten Leander Kastner und Ignaz Trebal (alias Kaller7), und b) die Vorträge vom 14. und 17. l.M. wegen Versetzung der böhmischen Appellations[gerichts]räte Schmidt und v. Wiesenthal in den Ruhestand mit Beibelassung ihres ganzen Gehaltes.

Gegen diese Anträge wurde von keiner Seite eine Erinnerung erhoben8.

VII. Auflösung des Reichstages

Der Ministerpräsident erörterte hierauf die eingetretene Notwendigkeit, den Reichstag zu Kremsier wegen seiner in der neuesten Zeit unverhohlen hervorgetretenen radikalen Tendenz und seiner feindseligen Haltung gegen das Ministerium, welche jede geordnete Regierung unmöglich zu machen strebt, aufzulösen9.

Der Ministerrat ist zu diesem Beschlusse nach reifer Erwägung aller Verhältnisse, namentlich der Stellung der Parteien in und außer des Reichstages, gelangt, hat es aber auch für rätlich anerkannt, daß dieser wichtige Schritt der Welt gegenüber nicht durch || S. 102 PDF || das Benehmen der Reichsversammlung motiviert, sondern vielmehr durch die Notwendigkeit begründet werde, gegenwärtig, wo nach der Eroberung Ungarns alle Länder durch ein gemeinsames, engeres Band verbunden werden sollen, die Konstituierung Österreichs auf einer breiteren Basis vorzunehmen, als sie ein bloß von den deutschen und slawischen Abgeordneten gebildeter Reichstag zu geben vermag. Um jedoch die von der Auflösungs­maßregel unzertrennliche Aufregung zu beschwichtigen und die Besorgnisse des Bauernstandes wegen Wiedereinführung der Robot etc. zu zerstreuen, welche von gewissen Seiten auf alle mögliche Weise werden angeregt werden,c müßten gleichzeitig mit dem Ausspruche der Auflösung nachstehende Publikationen erfolgen: 1. Eine oktroyierte Charte für die ganze Monarchie, in allgemeinen Umrissen. 2. Das Entschädigungsgesetz für die Urbarialgaben. 3. Das provisorische Jagdgesetz10. 4. Ein Assoziations­gesetz als notwendiges Koerzitiv gegen die Übergriffe der Slowanska Lipa und anderer demokratischer Vereine11.

Nachdem Se. Majestät die vorstehenden au. Anträge des Ministerrates Ah. zu genehmigen geruhten, wurde wegen großer Dringlichkeit der Sache beschlossen, daß der Ministerrat sich sofort in zwei Sektionen teile, welche sich noch heute mit der Zustandebringung des Konstitutionsentwurfes und mit der Finalisierung des bereits dem größten Teile nach vollendeten Entschädigungsgesetzes zu beschäftigen hätten12.

VIII. Kreierung eines Reichsrates

Schließlich wurde noch die Zusammensetzung eines Reichsrates aus Vertrauensmännern der einzelnen Provinzen, rücksichtlich Völkerstämmen, besprochen. Es kam jedoch hierüber mit Hinblick auf die Schwierigkeiten der Wahl und das Hindernis, welches in einer zu großen Zahl von Reichsräten läge, zu keinem definitiven Beschlusse13.

Olmütz, 21. Jänner 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt des gegenwärtigen Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph.