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Nr. 12 Ministerrat, Olmütz, 6. Jänner 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 9. 1.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4,Bruck, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 522 – KZ. 72 –

Protokoll der zu Olmütz am 6. Jänner 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg

I. Komitee für die Reorganisierung Ungarns

Der Minister des Inneren eröffnete die Sitzung mit Verlesung eines von ihm an Se. Majestät zu stellen beabsichtigten Vortrages, welcher die Bildung einer eigenen Kommission für die Reorganisation des Landes Ungarn zum Gegenstande hat1. Diese Kommission wäre vorläufig aus dem gewesenen Hofkammerpräsidenten Baron Kübeck, dem jubilierten Staatsrate v. Purkhart und dem Hofrate Rosenfeld zusammenzusetzen und hätte dem Ministerium des Inneren Organisierungs­vorschläge zu erstatten. Andererseits wäre sie von den laufenden ungarisch-siebenbürgischen Administrations­geschäften fortan in Kenntnis zu setzen2.

Der Minister Baron Kulmer zollte zwar der Gesinnung und den administrativen Kenntnissen der drei genannten Kommissionsglieder volle Anerkennung, glaubte aber doch, daß, wenn diese Wahl in Ungarn bekannt würde, dies bei der magyarischen Bevölkerung einen sehr ungünstigen Eindruck hervorbringen und Mißtrauen gegen die Beschlüsse oder Anträge einer Kommission erzeugen würde, welche keinen dem ungarischen Volksstamm angehörigen und mit der gegenwärtigen Lage des Landes vertrauten Mann in ihrer Mitte hat. Nil pro nobis sine nobis! Dies ist jetzt der Wahlspruch der Nationen.

|| S. 73 PDF || Es fehlt nach Baron Kulmers Überzeugung in Ungarn keineswegs an wohlgesinnten und erleuchteten Männern, deren Mitwirkung bei dem Organisierungsgeschäfte vom größten Nutzen in jeder Beziehung sein würde. Vor allem schiene es daher nötig, sich an diese Männer zu wenden, und erst, wenn sie jede Beteiligung ablehnen, wäre die Kommission mit Ausschluß des magyarischen Elements zu konstituieren.

Die Richtigkeit dieser Bemerkungen wurde von dem Ministerrate anerkannt, und Baron Kulmer übernahm es, sich demnächst mit Baron Jósika und Graf Apponyi in der angedeuteten Absicht in Berührung zu setzen. Einstweilen wird Graf Stadion die Ansichten des Freiherrn v. Kübeck, dann Purkharts und Rosenfelds bloß im konfidentiellen Wege einholen3.

II. Höherer Zivilbeamter als Adlatus des Alfred Fürsten Windischgrätz

Was die vom Minister des Inneren weiters angeregte Absendung eines höheren Zivilbeamten, allenfalls des Sektionschefs im Finanzministerium Freiherrn v. Münch, um an der Seite des Feldmarschalls Fürst Windischgrätz die zu schaffende provisorische Administration in Ungarn in einer den Interessen der Gesamtmonarchie und ihrer inneren Einheit günstigen Richtung zu erhalten, wurde beschlossen, diesen Gegenstand vorderhand (da eben kein ganz geeignetes Individuum dazu disponibel ist) umso mehr auf sich beruhen zu lassen, als Fürst Windischgrätz das Organisierungsgeschäft der militärischen Landesverwaltung dem General Rousseau und dem Hofrat Torkos übertragen hat, welche beide in Absicht auf spezielle Kenntnis und Gesinnung volles Vertrauen verdienen4.

III. Ergänzung des Kabinettes durch einen ungarischen Minister

Da endlich der Ministerpräsident unter Zustimmung des Ministerrates sich über die Notwendigkeit aussprach, das Kabinett durch Beiziehung eines Ministers ungarischer Nation zu ergänzen, so übernahm es Baron Kulmer nach reifer Überlegung, diesfällige Vorschläge zu erstatten5.

IV. Grundsätze für die Gestaltung der inneren Verhältnisse Ungarns und dessen Stellung zur Zentralregierung

Auf die Bemerkung des letztgedachten Ministers, daß, bevor man Schritte zur Gewinnung von Kommissionsmitgliedern oder zur Auswahl eines ungarischen Ministers mache, der bestimmte Ausspruch notwendig sei, nach welchen Hauptgrundsätzen das österreichische Ministerium die inneren Verhältnisse Ungarns und seine Stellung zur Zentralregierung zu gestalten beabsichtigte, beschloß der Ministerrat, Baron Kulmer habe auf Befragen zu erklären, daß von einer Fortdauer der im März 1848 erwirkten Konzessionen keine Rede sein könne6, daß man jedoch den Ungarn die gleichen persönlichen Rechte und Freiheiten wie allen Deutschösterreichern zuerkennen und das Land zur Zentralregierung in dasselbe Verhältnis wie Kroatien bringen wolle. Ob und inwiefern eine weitere Scheidung Ungarns nach Nationalitäten einzutreten habe, wolle man jetzt noch nicht aussprechen, da man vor allem die Wünsche der Bevölkerung über diesen || S. 74 PDF || Punkt kennenlernen wolle, welche sich erst nach vollendeter Pazifizierung frei von Terrorismus und störenden Einflüssen werde aussprechen können7.

V. Verstärkung für die Korps Franz Graf Schlik zu Bessano und Weißkirchen und Anton Freiherr v. Puchner

Über die vom Minister Baron Kulmer erhaltene Mitteilung, daß Kossuth den ungarischen Reichstag nach Debreczin verlegt und auch die ungarische Armee dahin instradiert habe, von wo aus Graf Schlik in Nordungarn und Baron Puchner in Siebenbürgen durch die an Zahl sehr überlegene magyarische Macht hart bedrängt werden dürften, wurde beschlossen, dem Kommandierenden General in Galizien durch einen sofort ex consilio an ihn erlassenen Auftrag anzuweisen, den beiden Korpskommandanten Graf Schlik und Baron Puchner ohne Verzug Verstärkungen zuzusenden8.

VI. Besetzung Peterwardeins durch kaiserliche Truppen

Über Vorschlag des Ministers Baron Kulmer wurde beschlossen, den Fürsten Windischgrätz anzuweisen, daß er die geeigneten Maßregeln ergreife, damit der Besitz der höchst wichtigen Festung Peterwardein den k.k. Truppen vorbehalten bleibe, und dieser Platz nicht von den Serben besetzt werde9.

VII. Ernennung Johann Daubachys v. Dolje zum Ministerialsekretär

Der Minister Baron Kulmer äußerte, er beabsichtige bei Sr. Majestät um die Beigebung eines Hilfsarbeiters in der Person des zum Ministerialsekretär zu ernennenden v. Daubachy au. einzuschreiten.

Sämtliche Minister waren mit diesem Antrage einverstanden10.

VIII. Beibehaltung der bisherigen Eidesformel für Buchhaltungsbeamte

Der Ministerpräsident besprach den vom Minister des Inneren in seinem Vortrage vom 28. Dezember v.J. gestellten Antrag auf Ah. Gestattung, daß künftig die Klausel in betreff der Nichtteilnahme an geheimen Gesellschaften aus der Eidesformel der Buchhaltungsbeamten auszulassen sei und es von der Abforderung des diesfälligen Reverses abzukommen habe11. Diese Neuerung dürfte bei vielen Personen die ganz irrige Meinung erzeugen, daß es dermal den Beamten gestattet sei, an geheimen Gesellschaften sich zu beteiligen, während gerade in einem Lande, wo Freiheit des Assoziationsrechts || S. 75 PDF || herrscht, die Teilnahme an geheimen Gesellschaften umso strenger untersagt sein muß.

Graf Stadion verkannte nicht die Richtigkeit dieser Bemerkung und äußerte, er habe sich zu dem fraglichen Antrage wie auch zu der gleichen Modifikation der Eidesformel bei den politischen Beamten hauptsächlich dadurch bestimmt gefunden, daß die Klausel wegen der geheimen Gesellschaften aus den Eidesformeln der Justizbeamten durch eine bereits unter dem Ministerium Pillersdorf erflossene Vorschrift ausgeschieden worden sei.

Der Ministerrat beschloß hierauf, daß an der Eidesformel für Buchhaltungsbeamte dermal keine Änderung vorzunehmen sei12.

IX. Instruktion für die Schriftführer der Ministerratsprotokolle

Der Ministerpräsident äußerte, er habe sich von der Notwendigkeit überzeugt, die Schriftführer des Ministerrates mit einer genauen Instruktion über die Verfassung der Ministerratsprotokolle zu versehen, damit diese wichtigen Urkunden ihrem Zwecke völlig entsprächen und weder zu wenig enthalten, noch allzu umfangreich ausfallen.

Der im Ministerrate verlesene Entwurf der Instruktion wurde einstimmig gutgeheißen13.

X. Ankauf von Kriegsschiffen im Ausland

Der Minister des Äußern setzte den Ministerrat von dem Stande jener Verhandlungen in Kenntnis, welche in England wegen Ankauf des Schiffes „Caledonia“ und in Holland wegen Gewinnung eines höheren Seeoffiziers für unsere Kriegsmarine angeknüpft wurden14.

XI. Kaiserliches Geldgeschenk für die verarmten Bürger Wiens

Der Finanzminister eröffnete, er habe sich bereits mit dem Minister des Inneren in Verbindung gesetzt, damit der von Sr. Majestät den durch die letzten Ereignisse verarmten Bürgern Wiens bestimmte Unterstützungsbeitrag von 200.000 f. seiner Bestimmung zugeführt werde. Er wird darüber einen au. Vortrag erstatten15.

XII. Werbung Freiwilliger in Krakau; vertrauliche Mitteilung über die Rekrutierung an den Reichstag

Nachdem die für Krakau in Aussicht gestellte Rekrutierung in dieser Stadt eine bedeutende Aufregung hervorgebracht hat, welche dem dortigen Hofkommissär Hofrat v. Ettmayer Besorgnisse erregt, zumal er keine hinlängliche Militärmacht besitzt, um einen Aufstand sofort mit voller Sicherheit zu unterdrücken16, so wurde über Antrag des Grafen Stadion beschlossen, das Kontingent Krakaus nach Möglichkeit im Wege freier Werbung zu decken und erst den Abgang durch Rekrutierung sich zu verschaffen. Dadurch würde auch einer Diskussion im Reichstage über die letzte Rekrutierung ausgewichen, || S. 76 PDF || welche angeordnet worden ist, ohne den Reichstag vorläufig davon in Kenntnis zu setzen17. Es wurde auch beliebt, daß das Ministerium selbst dermal davon keine ämtliche, sondern nur eine konfidentielle Mitteilung mache, welche letztere Modalität selbst den Wünschen der Majorität entspricht18.

XIII. Ergänzungswahlen für den hiesigen Gemeinderat während des Belagerungszustandes

Einen Gegenstand der Besprechung bildete auch die vom Gouverneur Baron Welden angeregte Frage, ob die Vornahme der Ergänzungswahlen für den noch immer genug zahlreichen Gemeinderat während des Belagerungszustandes nicht einzustellen wäre19. Der Ministerpräsident und der Minister des Inneren neigten sich zur Ansicht des FML. Baron Welden wegen deren Untersagung, während die Minister der Justiz und der Finanzen gegen die Vornahme dieser Wahlen in Wien ebensowenig ein Bedenken fänden als gegen die zugestandene Wahl von Reichsdeputierten20.

XIV. Reorganisierung der Leitung des Medizinalwesens

Der Minister Graf Stadion entwickelte seine Ansichten über die höchst nötige Reorganisierung der Leitung des Medizinalwesens bei dem Ministerium des Inneren21. Die eigentlichen Bürogeschäfte würden künftig durch Beamte ohne medizinische Bildung besorgt, aber dem Sanitätsdepartement ein Kollegium von drei Ärzten als Autorität in den wissenschaftlichen Fragen beigegeben werden. Jeder von diesen Ärzten hätte sein bestimmtes Fach: I. Spitalwesen, II. Medizinische Polizei und Fakultäten, III. Quarantänen und Seesanität. Als Spezialitäten für jedes dieser Fächer bezeichnete Graf Stadion den Hofrat Dr. Güntner, den Dr. Well und den Reichstagsabgeordneten Dr. Gobbi.

Über die Bemerkung des Baron Krauß , es dürfte für den Dienst erwünschter sein, wenn sechs statt drei Individuen zu diesem Kollegium berufen würden, entgegnete Graf Stadion , daß den drei Ärzten der Frage jedenfalls die Befugnis eingeräumt würde, sich für ihre Sektion mit einem besonderen konsultativen Kollegium zu umgeben.

Sonst wurde gegen die Anträge des Grafen Stadion, welche auch mit keinem Mehraufwand verbunden sind, von keiner Seite eine Erinnerung erhoben22.

XV. Künftigen Gestaltung Österreichs in politisch-administrativer und kirchlicher Beziehung

Über die zukünftige Gestaltung Österreichs in politisch-administrativer Beziehung und das Verhältnis der Provinzialregierungen zur Zentralregierung sind drei Entwürfe (der Abgeordneten Mayer, Palacký und Gobbi) teils vollendet, teils der Vollendung nahe23.

Der Minister des Inneren verlas den Entwurf Mayers, der zu mancherlei Bemerkungen Anlaß gab, und zwar namentlich der dort aufgestellte Grundsatz, daß in der ganzen Monarchie ein gleiches bürgerliches Gesetzbuch einzuführen wäre24. Man vereinigte sich zu dem Beschlusse, daß die Zivilgesetzgebung den einzelnen Ländern nicht aufzudringen wäre, indem die Zeit auf friedlichem Wege ohnehin auch diese Einheit herbeiführen werde, welche bei Anwendung diktatorischer Maßregeln dem lebhaftesten Widerstande begegnen würde.

Ferner vereinigte man sich zur Ansicht, man solle dahin streben, a) daß die Giltigkeit der Staatsverträge mit fremden Staaten nicht von der Zustimmung des Reichstages abhängig gemacht würde, b) daß Gesetzvorschläge bei beiden Kammern eingebracht werden können und c) daß die Reichstagsmitglieder für die außer der Kammer vorgebrachten Äußerungen verantwortlich seien25.

Was die Stellung des Staates und der katholischen Kirche zueinander betrifft, vereinigte man sich mit dem vom Ministerpräsidenten gemachten Vorschlage, die Lösung dieser sehr schwierigen Aufgabe auf die Art zu vereinfachen, daß vorderhand nur das Prinzip im Gesetze ausgesprochen und der Regierung überlassen werde, die Details im Wege der Unterhandlung mit Rom nach dem angenommenen Prinzipe zu regeln26.

XVI. Grundrechteentwurf

Das Helfertsche Amendement zu dem Entwurfe der Grundrechte wurde einer eindringlichen Erörterung in allen Punkten unterzogen, und der Justizminister behielt sich vor, bei der reichstäglichen Beratung der Grundrechte auf die von den Ministern Fürst Schwarzenberg und Baron Cordon als wünschenswert bezeichneten Modifikationen des Textes nach Tunlichkeit hinzuwirken27.

XVII. Fortbestand des Reichstages

Der Minister Ritter v. Bruck entwickelte seine Meinung über die Rätlichkeit, den Reichstag in dem gegenwärtigen Augenblicke aufzulösen. Seiner Überzeugung nach würde diese Maßregel, welche von so vielen Seiten gewünscht wird, die Möglichkeit || S. 78 PDF || gewähren, entweder eine Verfassung zu oktroyieren oder doch eine neue Kammer aus besseren Elementen zusammenzustellen, mit deren Hülfe das Verfassungswerk auf eine weit befriedigendere Weise bewirkt werden könnte, als man es mit dem dermaligen Reichstage zu erreichen vermag. Dieser Körper habe die Achtung der Welt verloren, und seine Auflösung werde in der Monarchie allenthalben den besten Eindruck hervorbringen, den Staatskredit heben und auch dem Ansehen Österreichs im Auslande förderlich sein. Den geeignetsten Anlaß zu dieser Maßregel biete die Eroberung Ungarns und die Notwendigkeit, bei der Rekonstituierung der Monarchie auch dieses Land vertreten zu lassen.

Auch der Minister Baron Kulmer sprach die Meinung aus, daß eine oktroyierte Verfassung als Ausfluß der Krone in Ungarn weit bereitwilliger aufgenommen werden würde als eine mit dem „deutschen Reichstage“ vereinbarte. Die Minister Baron Krauß, Graf Stadion und Dr. Bach, obgleich die Meinung von der schlechten Zusammensetzung des dermaligen Reichstages vollkommen teilend, glaubten sich doch auf das bestimmteste gegen die Auflösung desselben in dem gegenwärtigen Augenblick aussprechen zu sollen, wo kein von dieser Versammlung ausgegangener illegaler Akt, kein Eingriff in die Rechte der Exekutivgewalt, kein die unantastbaren Rechte der Krone gefährdender Beschluß hiezu einen hinreichenden Anlaß gewährt. Nach den Vorgängen im Oktober hätte die Reichsversammlung mit vollem Rechte aufgelöst werden können; man hat es nicht getan; man hat sich mit der Prorogierung und Versetzung an einen andern Ort getan. Se. Majestät haben bei Ah. Ihrer Thronbesteigung dem Reichstage die Förderung des Verfassungswerkes aufgetragen28. Es würde eine Inkonsequenz in sich schließen, diese Versammlung schon wenig Wochen darauf, während sie mit den Arbeiten der Konstituierung beschäftigt ist, ohne mittlerweilen stattgefundenen Übergriff ihrerseits aufzulösen. Man könnte dann dem Ministerium die arglistige Absicht unterschieben, daß es die Existenz der Volksvertretung nur so lange haben fristen wollen, bis die Steuern und das Anlehen von 80 Millionen bewilligt sind29. Man darf auch nicht übersehen, daß der Kremsierer Reichstag, obgleich an vielen Orten unpopulär, doch in Österreich ob und unter der Enns, dann in Böhmen (unter Tschechen und Deutschen) Sympathien gefunden hat. Andererseits hegen die genannten drei Minister die Hoffnung, durch Benützung der vorhandenen guten Elemente des Reichstags und durch konfidentielle Verständigung mit den Führern der Opposition (welche selbst mit dem Verfassungswerke bald zu Ende zu kommen wünschen) eine Konstitution zustande zu bringen, die allen billigen Anforderungen entspricht, und die wenigstens als ein angemessener Übergang zur bleibenden Konstituierung des Kaiserstaates gelten kann – ein Werk, das wohl erst der Folgezeit (nach erfolgter Entwickelung unserer sozialen || S. 79 PDF || Zustände und Beendigung der dermaligen nationalen Gärungsprozesse) vorbehalten bleiben muß.

Die übrigen Minister, mit Ausnahme des Ritters v. Bruck, vereinigten sich zu dem Beschlusse, daß die Auflösung des Reichstages gegenwärtig nicht an der Zeit sei, und der Justizminister wurde ermächtigt, mit den Abgeordneten Mayer, Pinkas, Lasser, Gobbi und Feifalik über die Konstituierung nach dem Sinne des Ministeriums in konfidentielle Verhandlung zu treten30.

XVIII. Grundsätze über die Entschädigung für die aufgehobenen Urbariallasten

Der Finanzminister eröffnete, er habe über die Entschädigung für die aufgehobenen Urbarialgefälle mit dem bezüglichen Reichstagsausschusse Rücksprache gepflogen und die Überzeugung gewonnen, daß mit einem bloßen Provisorium in dieser ebenso dringenden als wichtigen Angelegenheit nichts gewonnen sei, und daß alle Beteiligten eine definitive Regelung der Sache wünschen31. Seiner Meinung nach müsse daher die Regierung mit einem Entschädigungsgesetze vor die Kammer treten, und es sei gegründete Hoffnung vorhanden, dasselbe in etwa 14 Tagen durch die verschiedenen Stadien bis zur Ah. Sanktion zu bringen.

Nachdem sich der Ministerrat mit diesem Antrage einverstanden erklärt hatte, verlas Baron Krauß die Grundsätze, nach welchen er den Gesetzentwurf zu bearbeiten gedenkt, und brachte dabei folgende Punkte zur Abstimmung des Ministerrates32,

a) ob auch der geistliche Zehent als durch das Patent vom 7. September aufgehoben zu betrachten und ob somit für die Entschädigung der geistlichen Zehentherren vorzudenken sei, wurde einstimmig bejaht, b) bei der Entschädigung sind die Bodenfrüchte nach den Katastralpreisen anzuschlagen, c) dem Grundherrn ist höchstens ein Dritteil der ausgemittelten Entschädigung abzuschlagen als Äquivalent für die ihm abgenommenen Lasten der Regie-, Konkurrenzauslagen etc.; nur die früher von den Dominien hie und da geleisteten, sogenannten „Robotergötzlichkeiten“ sind abgesondert zu berücksichtigen, d) das Drittel der Entschädigung, welches der Staat leistet, wäre nur als Vorschuß gegen Ersatz von Seite der betreffenden Länder aus ihren eigenen Mitteln zu behandeln, e) ein Dritteil der Entschädigung trägt der emanzipierte Untertan oder Zehenthold, f) zur Entschädigung für die Aufhebung des Laudemiums hätte der Untertan nichts beizutragen, sondern es würde ganz dem Staate zur Last fallen, der sich jedoch durch die einzuführende Registrierungsgebühr dafür decken wird, g) für aufgehobene Leistungen aus einem Vertrage, einer Stiftung etc. wird von Seite des Staates gar keine Entschädigung geleistet, h) bei den Rückständen des Jahres 1848, insoweit sie vor dem Patent vom 7. September bereits fällig waren, findet kein Nachlaß zugunsten der Zahlungspflichtigen etc. statt, i) die Servituten des Holz- und Weiderechts sind nicht als schon ex lege erloschen zu betrachten.

|| S. 80 PDF || Die Grundsätze b) bis h) wurden im Ministerrate einstimmig angenommen, über den Punkt i) ergab sich eine Kontroverse zwischen dem Justiz- und dem Finanzminister, welche nachträglich ausgetragen werden wird33.

XIX. Einführung der Einkommensteuer

Der Finanzminister entwickelte hierauf seine Anträge über die Einführung der Einkommensteuer34.

Es entspann sich hierüber eine umfassende Diskussion, worin überhaupt die politische Opportunität der Einführung neuer Steuern und namentlich der Einkommensteuer in reife Erwägung gezogen wurden. Nachdem jedoch Baron Krauß mit Bestimmtheit erklärt hatte, er müsse das Portefeuille der Finanzen niederlegen, wenn man ihm gegenüber des steigenden Staatsaufwandes und der um 100 Millionen zu erhöhenden Schuldenlast nicht gestatte, neue Einnahmsquellen aufzuschließen, erklärten die übrigen Minister, gegen die Einbringung der diesfälligen Gesetzvorschläge keine Erinnerung mehr erheben zu können. In bezug auf die Einkommensteuer vereinigte man sich dahin, daß das Perzent der untersten Klasse nur mit 3% zu bemessen, daß auf die Erwerbsteuer bis einschließig 10 fl. jährlich kein Einkommensteuerzuschlag zu legen sei, und daß das Steuergeschäft nicht von Gefälls-, sondern von den politischen Ämtern zu besorgen sei und alles Vexatorische möglichst zu entfernen sei. Auch wäre diese neue Steuer vorläufig nur auf ein Jahr einzuführen35.

XX. Zurückführung der Grundsteuer­perzente auf eine gleiche Ziffer

Die Einbringung des vom Finanzminister Krauß vorbereiteten Gesetzesvorschlages wegen Zurückführung der in den verschiedenen Provinzen sehr ungleichen Grundsteuerperzente vom Reinertrag auf eine gleiche Ziffer wurde genehmigt. Die daraus hervorgehende beträchtliche Erhöhung des Perzents im Salzburgischen wird zur Schonung des Kontribuenten, auf mehrere Jahre verteilt, erst allmählich eintreten36.

XXI. Herabsetzung der Hauszinssteuer

Die beantragte Herabsetzung der Hauszinssteuer von 18 auf 16 Perzent des Zinsertrages wurde einstimmig genehmigt. Gegen den Gesetzvorschlag wegen weiterer Ausdehnung der Hauszinssteuer auf gewisse Kategorien von Gebäuden, die bisher bloß der Hausklassensteuer unterlagen, wird genehmigt. Das Steuerperzent wird niedrig gestellt, und die Erstattung der Hauszinsfassionen als für das Publikum lästig auf jedes sechste Jahr beschränkt37.

XXII. Kreditoperationen

Schließlich besprach der Finanzminister noch die zu treffenden Kreditoperationen für die nächste Zukunft und deutete auf die Eröffnung eines Arrosement der noch nicht gezogenen, in Wiener Währung verzinslichen Staaatsschuldscheine als auf eine || S. 81 PDF || vorteilhafte Operation hin. Nachdem man gegenwärtig die Noten der Nationalbank nicht weiter vermehren kann, so dürfte der Rest des sogenannten Bankdarlehens per 20,000.000 fl. am besten durch Hinausgabe von a 3% verzinslichen Zentralkasse­obligationen von sehr niedrigen Beträgen, welche auch im gewöhnlichen Verkehr als Zahlungsmittel dienen, realisiert werden38. Dieses Papier ist sehr beliebt. Durch dieses Auskunftsmittel würde das laufende Defizit gedeckt, und binnen dieser Zeit hofft Baron Krauß, das große Anlehen per 80,000.000 fl. zu vorteilhaften Bedingungen abschließen zu können39.

Dem Bezuge einer großen Partie Silber zur Vermehrung des Bankschatzes aus Petersburg wird entgegengesehen, und der Handelsminister spricht den Wunsch aus, es möge bei diesem Anlasse gelingen, das schwankende Verhältnis der Nationalbank zum Staate in allen Teilen auf eine bestimmte und für den Staat vorteilhafte Weise festzustellen40.

Olmütz, 9. Jänner 1849. Felix Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt des vorliegenden Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph.