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Nr. 10 Ministerrat, Wien, 28. Dezember 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Cordon, Bach, Bruck, Thinnfeld; BdE. Stadion, Krauß 8. 4., Bach 8. 4., Bruck, Cordon, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 3056 (1848) – KZ. KZ. 226 (1849) –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 28. Dezember 1848 (Wien) unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.

I. Pensionierung des erzherzoglichen Erziehers Ferdinand Kaschnitz Edler v. Weinberg

Der Ministerpräsident besprach zu Anfang der Sitzung einen Vortrag des Grafen Stadion, worin dieser zwar auf die Pensionierung des Kaschnitz, aber nicht auf eine Auszeichnung für denselben angeraten hat, wie es gewünscht werde.

Graf Stadion bemerkte, daß Beamte wie Kaschnitz eigentlich dem Staatsschatze mit der Pension nicht zur Last fallen sollten, er habe indessen doch darauf angetragen. Allein, ihm eine Auszeichnung (einen Orden) zu verleihen, habe ihm nicht einleuchten wollen, weil Orden nur für Staatsverdienste und, damit sie nicht als Abfindung für das eingezogene Quartiergeld gelten, noch zur Zeit der Tätigkeit verliehen werden sollen, welcher Ansicht er noch immer sei. Indessen hat Graf Stadion den gedachten Vortrag zurückgenommen, um seinen Antrag zu modifizieren1.

II. Memoire Johann v. Pawlikowskis über die Ruthenen und die Teilung Galiziens

Ebenso hat Graf Stadion von dem Ministerpräsidenten ein demselben überreichtes Memoire des Pawlikowski an das Ministerium übernommen, worin dieser sich gegen die Ruthenen (als vermeintliche Anhänger der Russen) und gegen die Teilung Galiziens ausspricht und die Polen als gutgesinnte Untertanen schildert u. dgl. – mit dem Bemerken, daß auch ihm ein ähnliches Memoire vom Pawlikowski übergeben worden sei, und daß er diese Memoires in Verbindung bringen werde2.

III. Dienstesenthebungsgesuch des Unterstaatssekretärs Andreas Freiherr v. Stifft

Brachte der Ministerpräsident das ihm für den Ministerrat übergebene Gesuch des Unterstaatssekretärs im Finanzministerium Freiherrn v. Stifft um seine Dienstesenthebung || S. 64 PDF || zur Sprache3. Baron Stifft bemerkt darin, daß er unter Doblhoff diese Stelle in der Absicht übernommen habe, um das Seinige zur Aufrechthaltung des gesunkenen Kredits und zur Ordnung des Finanzwesens beizutragen, die stattgehabten unglücklichen Ereignisse seien aber als Hindernis der Ausführung in den Weg getreten. Er habe bereits unterm 6. Dezember ein gleiches Gesuch dem Minister Freiherrn v. Krauß übergeben, und da dieses keinen Erfolg hatte, so richte er nun ein gleiches an den hohen Ministerrat4.

Freiherr v. Krauß bemerkt, daß ihm ein solches Gesuch des Baron Stifft in Kremsier übergeben worden, er habe hierauf in Wien mit ihm gesprochen, und so sei die Sache ruhen geblieben. Er habe den Baron Stifft über alles vernommen, daß aber der Finanzminister ohne den Unterstaatssekretär keinen Schritt tun sollte, könne man doch nicht fordern. Freiherr v. Krauß sei sich bewußt, keinen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben, wohl aber viele Bitterkeiten von Stifft erfahren zu haben, an welchen seine zu große Reizbarkeit schuld sein mag. Freiherr v. Krauß äußerte hierauf seine Vermutungen über die Ursachen, welche den Baron Stifft zu diesem neuerlichen Schritte bewogen haben dürften. Er habe nichts gegen seinen Austritt und werde, wenn er im Amte bleibt, einen Mann finden, der den Baron Stifft ersetzt. Da aber Baron Stifft ein sehr geschickter und tätiger Mann ist, ader sich besonders während des Oktobers 1848 durch seine Ausdauer und Festigkeit bedeutende Verdienste erworben hat,a so wäre ihm bei seinem Austritte, wenn nicht eine Ordensauszeichnungb, doch in verbindlichen Ausdrücken in einem an ihn zu richtenden Ah. Kabinettschreiben das Ah. Wohlgefallen zu erkennen zu geben.

Die Bewilligung einer Dekoration fand keinen Anklang, und der Ministerrat einigte sich zuletzt in der Ansicht, daß der Ministerpräsident den Baron Stifft noch heute zu sich rufen lasse und ihn wenigstens zum einstweiligen Verbleiben im Amte zu bewegen suche, unter Geltendmachung des Grundes, daß sein sogleicher Austritt dem Ministerium schaden und ihm Verlegenheiten verursachen könnte5.

IV. Beschwerde des Finanzministers Philipp Freiherrn v. Krauß über die Angriffe der ministeriellen Blätter gegen ihn

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte hierauf, daß nach dem Ministerprogramme sich die Minister verpflichtet haben, alle für einen und einer für alle einzustehen. Nun erscheinen aber in dem Lloyd, einem ministeriellen Blatte, Aufsätze, welche gegen Baron Krauß und die Bank gerichtet sind. Daß ministerielle Blätter einen Minister angreifen, sei nun nicht recht und nicht zu dulden. Er habe sich diesfalls an den Grafen Stadion gewendet, damit dieser Vorgang abgestellt werde, indessen fahre die Presse fort, wie früher Artikel gegen ihn zu richten. Erst am 22. Dezember brachte „Die Presse“ den Artikel, Krauß übergebe das Portefeuille an Stadion und Bach übernehme || S. 65 PDF || das Innere. Ein Artikel im „Lloyd“ vom 26. Dezember berichte, Schmerling werde in das Ministerium eintreten, Krauß austreten und Baron Kübeck das Finanzministerium übernehmen. Was den Baron Kübeck anbelangt, so sei dem Freiherrn v. Krauß bekannt, daß jener ohne sein Wissen über die Finanzfrage zu Rate gezogen worden ist6. So könne es nun nicht bleiben, er müsse sein öffentliches Leben berücksichtigen, unter ihm stehen mehrere tausend Individuen, und sein so notwendiges Ansehen müßte schwinden, wenn solche Anfälle gegen ihn fortdauern. Freiherr v. Krauß müsse daher um die bestimmte Darlegung bitten, ob er sich des ungeschmälerten Vertrauens des Ministeriums noch erfreue oder nicht, und er sonach nach Kremsier mitgehen solle oder nicht.

Was vor allem die Reise des Baron Kübeck nach Olmütz anbelangt, wurde vom Ministerpräsidenten bemerkt, daß darin nichts Inkonstitutionelles liege. Baron Kübeck kam in keiner ämtlichen Sendung, mit keinem ämtlichen Charakter da hin, sondern bloß, um Sr. Majestät seine Huldigung darzubringen. In Ansehung der Finanzfrage wurde ihm bloß gesagt, er möchte diesfalls mit Baron Krauß sprechen.

Graf Stadion leugnet nicht, daß Freiherr v. Krauß über die gedachten Artikel mit ihm gesprochen habe. Mit der „Presse“ habe er gar keine Verbindung, was aber den „Lloyd“ betrifft, so findet er es nicht in der Ordnung, daß ein ministerielles Blatt einen Minister angreife. Er wird Einfluß auf das Blatt nehmen und dafür sorgen, daß in den ministeriellen Blättern nichts ohne Wissen der Minister vorkomme. Dazu wäre es aber für die Zukunft notwendig, daß jedes Ministerium jemanden benenne, der in die leitenden Artikel Einsicht zu nehmen hat. Was die Dokumente aus den Oktobertagen anbelangt, diese kenne Graf Stadion nicht, müsse aber bemerken, daß die Lage des Freiherrn v. Krauß in dem Monate Oktober eine sehr schwierige war. Freiherr v. Krauß erinnerte hier, daß der Reichstag im Oktober Beschlüsse gefaßt hat, die er nicht unterschrieben habe. In einigen Fällen habe er, durch die Umstände gezwungen und stets von Todesgefahr umrungen, nachgegeben, cnicht nachgegeben, sondern habe einzelnes stillschweigend geschehen lassen, was er unter jenen Umständen nicht hindern konnte. Nicht erst im Oktober, sondern für den Mai 1848 sei keines der bestandenen Ministerien frei gewesen, was insbesondere von den Ministern Pillersdorf und Doblhoff unter ganz anderen Verhältnissen gelte.c Daß die zur Unterstützung der armen Gewerbsleute votierten Gelder7 zum Teile zur Besoldung des Proletariats verwendet wurden, sei eine Sache der Notwendigkeit und deshalb gut gewesen, weil das Proletariat dadurch dbeschäftigt undd einigermaßen diszipliniert wurde und sonst schon 14 Tage früher das Ärgste zu besorgen gewesen wäre eund weil eben der gefährlichste Teil des Proletariats aus den kleinen, beschäftigungslosen Gewerbsleuten bestand, die stets zur Auflehnung geneigt waren und große Forderungen an die Regierungsbehörden stelltene und weil eben der gefährlichste Teil des Proletariats || S. 66 PDF || aus den kleinen, beschäftigungslosen Gewerbsleuten bestand, die stets zur Auflehnung geneigt waren und große Forderungen an die Regierungsbehörden stellten.

Die Minister fanden sich bestimmt, dem Freiherrn v. Krauß ihr vollkommenes Vertrauen auszusprechen und zu erklären, daß, da wegen der ministeriellen Zeitungen das Nötige zur Beseitigung der Mißstände eingeleitet werde, kein Grund zum Austritte desselben vorhanden sein dürfte.

Der Minister Ritter v. Bruck äußerte hierbei nur den Wunsch, daß der Finanzminister seine Vorschläge, in denen es sich speziell um Geld handelt, jederzeit früher den Ministern mitteilen möge, um darüber nachdenken zu können, was dieser zu tun versprach, und der Minister Ritter v. Thinnfeld hielt sich verpflichtet, als Augenzeuge insbesondere zu bemerken, daß Baron v. Krauß in den schwierigen Oktobertagen sich so gut benommen, als unter den gegebenen Umständen möglich war, und daß er sich durch sein Bleiben im Amte ein großes Verdienst um den Staat erworben habe8.

V. Forderung des FMLs. Ludwig Freiherr v. Welden nach Herausgabe der Gemeinderatsprotokolle vom Oktober 1848

Der Minister Dr. Bach erwähnte nun der Papiere (Protokolle) des Gemeinderates, von welchen FML. Baron Welden wünscht, daß sie herausgegeben werden, um das Verhältnis darzustellen, in welchem sich der Gemeinderat im Oktober zum Reichstagsausschusse und zu dem Ministerium befand, und um die Summen zu ermitteln, für welche die Gemeinde einzustehen haben wird. Dr. Bach bemerkte, daß J.P. Kaltenbäck diese Darstellung machen werde9.

VI. Pensionierungsgesuch des Bankgouverneurs Joseph Mayer Ritter v. Gravenegg

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf noch das Gesuch des Bankgouverneurs Mayer v. Gravenegg um seine Pensionierung zur Sprache. Mayer v. Gravenegg dient über 50 Jahre mit Auszeichnung, und seine körperlichen Kräfte nehmen nun derart ab, daß er sich nach Ruhe sehnen muß. Seine Pensionierung dürfte hiernach keinem Anstande unterliegen, nur wäre ihm nach dem Dafürhalten des Freiherrn v. Krauß auch eine Auszeichnung, und zwar mittelst des österreichischen kaiserlichen Ordens der Eisernen Krone II. Klasse, taxfrei zu gewähren, wodurch zugleich eine Aufmerksamkeit der Bank erwiesen würde.

Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern10.

VII. Aufhebung der vom ungrischen Ministerium auf österreichische Waren gelegten Zölle

Ferner besprach dieser Minister die vorhabende Ausfertigung über die ungarischen Sachen im Zollwesen. Die ungarischen Minister haben nämlich ohne die hierortige Zustimmung unsere Waren mit Zöllen belegt. Diese Anordnung muß nun außer Wirksamkeit gesetzt und hievon der Feldmarschall Fürst Windischgrätz in die Kenntnis gesetzt werden11.

Auch dagegen fand der Ministerrat nichts zu erinnern, sowie auch nichts

VIII. Dotationserhöhungsgesuch Erzherzog Rainers

gegen den Antrag des Freiherrn v. Krauß, daß dem Ansuchen Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzoges Rainer um Erhöhung der aus dem Ärar bezogenen Dotation von 45.000 fr. bei den gegenwärtigen finanziellen Verhältnissen keine Folge gegeben werden dürfte12.

IX. Verhalten der Minister bei den bevorstehenden Reichstagssitzungen

Hierauf besprachen sich die Minister über einen Plan, welcher von ihnen bei den bevorstehenden Reichstagssitzungen einzuhalten wäre, und zwar bezüglich der Entschädigungsfrage, der Grundrechte als eines Teils der Verfassung und der Verfassung selbst.

Rücksichtlich der Entschädigungsfrage wäre sogleich eine Kommission zusammenzusetzen, welche eine Verordnung zu entwerfen hätte, welche die Hauptgrundsätze der Entschädigung zur Beruhigung der Berechtigten und Verpflichteten enthielte (daß ein Drittel die Bauern, ein Drittel die Gutsbesitzer zu tragen und ein Drittel der Staat vorzuschießen hätte) und bei welcher Kommission zugleich zu erörtern wäre, wie die Vorschüsse des Staates so bald als möglich zu bewirken wären13.

Was die Grundrechte und die Verfassung anbelangt, meinten Graf Stadion, Freiherr v. Krauß und Ritter v. Bruck, daß man die Verfassungsurkunde vom 25. April 1848 als Basis annehmen, sie komplettieren, die Grundrechte darin aufnehmen und so vor die Kammer treten sollte14. Man sollte, wie Baron Krauß bemerkte, sich bloß an das Manifest vom 16. Mai 1848 halten, weil der Reichstag kein anderes Recht hat, als was ihm dieses Manifest einräumt15. Hierdurch würde gleich der erste Paragraph der Grundrechte, die sogenannte Volkssouveränität, aus der Verhandlung verschwinden. Da jetzt noch nicht vorauszusehen ist, wie sich Österreich gestalten werde, so sollten gegenwärtig auch noch nicht die Grundrechte für die ganze Monarchie beraten werden. Gestalten sich die ungarischen Sachen anders, dann kann man dem Reichstage sagen, der frühere Gesichtskreis war beschränkter, jetzt ist eine Verfassung für die ganze Monarchie zu verfassen, || S. 68 PDF || an welcher Abgeordnete aus den bisher nicht vertretenen Provinzen teilzunehmen haben u. dgl.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach wäre, ohne sich in die Verfassungfrage noch einzulassen, vor dem Reichstage bloß mit den Grundrechten zu lavieren. Kommen wir in Ungarn vorwärts, dann werden ohnehin auch die übrigen Provinzen zu konstituieren sein. Gegenwärtig sollte man sich bloß über die Art und Bestimmung der Grundrechte einigen und erwägen, ob sich das Ministerium dabei selbst beteiligen oder vertraute Männer als Sprecher gewinnen soll. Der Minister Bach meint das letztere, weil dadurch die Minister die Zukunft frei behalten und Zeit gewinnen. Über diese Beratung dürften mehrere Wochen hingehen, während welcher Zeit sich die Umstände sehr verändern können. Dann kann man vor den Reichstag treten und sagen: Eure Mission reicht nicht mehr aus, die Aufgabe ist eine größere geworden, nun muß die Verfassung für die ganze Monarchie gegeben werden, an welcher auch Mitglieder aus anderen Provinzen teilnehmen müssen u. dgl. Würde man den Reichstag auf den Boden stellen, daß er eine Verfassung für die ganze Monarchie gebe (jene vom 25. April 1848 war nicht für alle Provinzen berechnet), so würde man ihm eine Aufgabe zumuten, die ihm nicht zusteht und wozu ihm auch das nötige Vertrauen mangelt und das er nicht verdient. (Kroatien, Ungarn und Siebenbürgen haben keine Sympathien für diesen Reichstag.) Der Minister Bach meint, daß man sich gegenwärtig bloß auf die Grundrechte beschränken sollte. Bei diesen könnten die preußischen, welche den deutschen entnommen sind, zur Grundlage genommen und bei dem § 1 speziell eine von den Ministern gefaßte Erklärung abgegeben werden16. Der Minister Bach wird eine kombinierte Zusammenstellung der Grundrechte der konstitutionellen Staaten verfassen und sie dann in einem Conseil mit den Ministern besprechen. Hierbei wäre von der Volkssouveränität Umgang zu nehmen, die Freiheit der Kirche, die Schule und die Selbständigkeit des Militärs zu wahren. Die Minister würden dann zu den Paragraphen, wo es nötig ist, ihre Bemerkungen machen und den Klubs sagen, dies seien die Grundrechte, wie sie gewünscht werden, sie mögen für ihre Durchbringung Sorge tragen, sonst sei die Auflösung des Reichstags oder der Rücktritt des Ministeriums unvermeidlich17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt des gegenwärtigen Protokolles zur Nachricht genommen. Franz Joseph.