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Nr. 4 Ministerrat, Wien, 16. Dezember 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Cordon, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 16. 12.), Stadion, Krauß 8. 4., Bach 8. 4., Cordon, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; abw. Bach.

MRZ. 2886 – KZ. fehlt –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 16. Dezember 1848 unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Geschäftsführungsentwurf der Sanitätsangelegenheiten im Ministerium des Inneren

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit Vorlegung eines ihm zugekommenen Entwurfes der Geschäftsführung in Sanitätsangelegenheiten. Die Tendenz dieses Entwurfes geht dahin, für die Sanitätsangelegenheiten in Centro einen Ministerialrat vom Fache, wozu der Protomedikus Nadherny von Prag genannt wird, zu bestellen und die Leitung der Fakultät einem Komitee anzuvertrauen, wofür die Doktoren Skoda, Helm und Rokitansky angedeutet werden1.

Der Minister des Inneren Graf Stadion erklärte sich damit nicht einverstanden. Nach seiner Meinung ist zur Leitung des Sanitätsdepartements kein medizinischer Doktor notwendig. Ein gewöhnlicher Ministerialrat oder Sekretär, dem ein Kollegium, die medizinische Fakultät, zur Seite steht und in Medizinalangelegenheiten das Gutachten erstattet, sei hiezu vollkommen genügend. Über diese Sachen und die Bestellung des Sanitätsdepartements werde er übrigens in einer der nächsten Sitzungen des Ministerrates das Nähere vortragen2.

II. Künftige Verwaltung Ungarns

Der Minister Freiherr v. Kulmer , dem gestern die Andeutungen des Grafen Mailáth über die künftige Verwaltung Ungarns mitgeteilt wurden, denen aber das diesfällige Hauptblatt fehlte, teilte dem Ministerrate seine Ideen mit, was mit Ungarn geschehen sollte und könnte3.

Derselbe bemerkte vor allem, daß einzelne vom Grafen Mailáth angedeutete Maßregeln gut sein können; allein, solange kein definitiver Beschluß über die Einrichtung Ungarns || S. 25 PDF || gefaßt ist, wäre durchaus kein Provisorium zu erlassen. Würde dies Prinzip nicht angenommen, so liefe die ganze künftige Organisierung Gefahr.

Nach der Ansicht des Baron Kulmer wäre das Land Ungarn eine Zeitlang militärisch zu regieren, und Fürst Windischgrätz hätte zu diesem Ende die nötigen Kommissäre, deren Zahl keine große sein kann, zu bestellen, welche die Geschäfte zu führen, für die Einhebung und Abfuhr der Steuern zu sorgen, die Befehle zu vollziehen und ihre Vorschläge über die Einrichtung des Landes zu machen hätten. Die Urheber der Rebellion und ihre Helfer wären einzuziehen und ganz verläßliche Männer anzustellen. (Von beiden legte Baron Kulmer Verzeichnisse vor.) Dies seien nur die notwendigsten Andeutungen, der Hauptplan müsse aber baldmöglichst festgesetzt werden. Die Gutgesinnten wären schon itzt einzeln und im Vertrauen über die künftige Einrichtung des Landes zu vernehmen. Bei Beurteilung ihrer Anträge könnte dann auch die Arbeit des Grafen Mailáth berücksichtiget werden. Baron Kulmer deutete jene Individuen an, welche in Pesth und Ofen einzuziehen und welche von ihren Posten dort zu entfernen wären. Die Leitung der ungarischen Hofkammer hätte, nach seiner Ansicht, Duschek fortzuführen4.

Schließlich bemerkte Baron Kulmer, daß er gelegenheitlich mit dem früheren Hauptoppositionsmanne Nagy Pál gesprochen und daß auch dieser die (von dem Ministerium beabsichtigte) Teilung des Landes nach Nationalitäten für eine Notwendigkeit erklärt habe.

Der Ministerpräsident hat nun das ihm mittlerweile zugekommene Hauptblatt des Graf Mailáthschen Projektes (was gestern noch fehlte) vorgelesen. Es geht daraus hervor, daß die Ansichten des Baron Kulmer und Grafen Mailáth im wesentlichen zusammentreffen.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß glaubte den Andeutungen des Baron Kulmer nur beifügen zu sollen, daß das Land, selbst im Anfange oder auf kurze Zeit, nicht ausschließend militärisch zu regieren wäre. Wenn man die drei Teile der Verwaltung, nämlich die Justiz-, Finanz- und die politische Verwaltung, zergliedert, so liege es am Tage, daß das Militär keinen Einfluß auf die Justiz, mit Ausnahme der Militärjustiz und des Kriegsrechtes, nehmen werde. Dasselbe sei der Fall mit der Finanzverwaltung, und die Inspektorate müßten, so wie das Militär vorrückt, gleich dem Finanzministerium untergeordnet werden und mit ihm in Verbindung treten. In politischen Angelegenheiten wären die Komitate gleichfalls in ihren Funktionen zu belassen, und Fürst Windischgrätz hätte nur Männer des Vertrauens und mit Rücksicht auf die Nationalität vorzuschlagen.

Die obigen Ansichten des Barons Kulmer wie auch die Bemerkungen des Freiherrn v. Krauß sollen dem Fürsten Windischgrätz zur Benützung mitgeteilt werden5.

III. Übermittlung der Ah. Resolution an die serbische Nation

Der Minister Freiherr v. Kulmer machte den Antrag, die Ah. Resolution Sr. Majestät für die serbische Nation (nämlich die Resolutionen für den Woiwoden und Metropoliten und das Manifest Sr. Majestät an die Nation) durch einen eigenen Kurier an die Betreffenden zu senden, und sie nicht den Deputierten zur Überbringung zu übergeben. Diese seien nicht ganz vertrauenswürdig, und es komme viel darauf an, auf welche Art die gedachten Erlässe übergeben werden; auch würde dadurch der Nation eine Aufmerksamkeit erwiesen. Den Deputierten wäre bloß eine Kopie dieser Aktenstücke zu übergeben6.

Baron v. Kulmer brachte gleichzeitig ein Individuum, einen Serben, namens Kussenich zu diesem Ende in Antrag, welcher bei Gelegenheit der Reise die dortigen Verhältnisse selbst anschauen und darüber dann authentischen Bericht erstatten würde.

Der Ministerpräsident wird nach diesem, vom Ministerrate gebilligten Antrage das weitere einleiten.

IV. Akzeptanz der ungarischen Banknoten

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf eine an ihn gelangte Anfrage des FML. Grafen Schlik zur Sprache, ob ungarische Banknoten anzunehmen seien oder nicht7.

Freiherr v. Krauß meint, daß man die ungarischen Banknoten weder anerkennen noch verwerfen soll. An und für sich haben sie als illegal keinen Wert. Würde man sie aber ausdrücklich verwerfen, so würde, da sie im Lande jeder annehmen mußte, die Masse der Bevölkerung aufgeregt und eine Menge Feinde der Regierung dadurch verursacht. Sind wir einmal in Pesth, dann erst kann diese Frage offen besprochen werden, und dann können auch zur Tilgung der großen ungarischen Papierschuld aus der letzten Zeit die nötigen, selbst außerordentliche Maßregeln ergriffen werden. Daß das Militär im Lande die Banknoten annehme, kann man nicht verweigern, es benimmt sich wie in Feindesland und gibt die Banknoten wieder dort aus.

Dem Minister Grafen Stadion schiene es bedenklich, über die vom Grafen Schlik angeregte Frage nichts auszusprechen. Im ganzen mit dem Finanzminister einverstanden, würde er nur meinen, öffentlich zu sagen, daß diese Banknoten nicht bei öffentlichen Kassen und nicht vom Militär anzunehmen sind. Wenn die Kassen und das Militär sie annehmen, so werde dadurch eine große Gewalt in die Hand des Feindes gelegt.

|| S. 27 PDF || Der Minister Ritter v. Bruck , im wesentlichen gleichfalls mit dem Finanzminister einverstanden, äußerte die Meinung, daß man sich in dieser Angelegenheit, ohne mit Bestimmtheit etwas auszusprechen, auf die Beobachtung der gesetzlichen Form zu beschränken hätte. Das Militär soll nämlich protestieren, aber die Banknoten doch annehmen, um sie im Lande wieder auszugeben

Mit dieser Modifikation erklärten sich alle Mitglieder einverstanden, wornach nun Freiherr v. Krauß die Anfrage des FML. Grafen Schlik erledigen und davon auch dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz Mitteilung machen wird8.

V. Beantwortung der Interpellation über die Integrität Dalmatiens

Der Minister des Inneren Graf Stadion besprach nun die von ihm zu gebende Antwort auf die Interpellation der Dalmatiner in Ansehung der Integrität Dalmatiens aus dem Anlaß der Ernennung des FML. Baron Jellačić zum Zivil- und Militärgouverneur von Dalmatien9. Nach der Ansicht des Ministers hätte die Antwort in der Wesenheit dahin zu lauten, daß die Anstellung des Bans keinen Bezug auf eine Änderung in der Verwaltung habe; er sei Gouverneur, so wie die früheren (Tomasich und Turszky) es waren.

Da jedoch die Absicht der Interpellanten offenbar dahin geht, das Ministerium zu einer bestimmten Äußerung hinsichtlich Dalmatiens und unserer Küste zu vermögen, ob sie nämlich als slawisch zu betrachten und zu regieren seien, so wäre nach der Ansicht des Ministerrates noch weiter zu sagen, daß bei der Ernennung des Bans auch seine großen Verdienste in Anschlag gekommen seien, und daß man dabei allerdings auch der slawischen Nationalität in Dalmatien und in der Küste, wo sie die bei weitem überwiegende ist, die gebührende Rechnung tragen wollte.

Graf Stadion wird hiernach die Antwort auf die Interpellation aufsetzen und dieselbe im nächsten Ministerrate vorbringen10.

VI. Geschäftsabwicklung zwischen dem Innenministerium und den Militärautoritäten

Derselbe Minister brachte mit Beziehung auf den ihm gestern gewordenen Auftrag, mit dem FML. Baron Welden über gewisse Gegenstände zu sprechen, zur Kenntnis des Ministerrates, daß dies geschehen, und daß Baron Welden mit den ihm gemachten Propositionen vollkommen einverstanden war11. In Ansehung der Justiz machte er wohl einige Bedenken, allein auch diese wurden ausgeglichen. Baron Welden wird das Ministerium von allen seinen Verfügungen in Kenntnis setzen und Aufträge von demselben || S. 28 PDF || annehmen, nur äußerte er den Wunsch, daß diese unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu bindend sein mögen12.

VII. Beiziehung von Italienern zur Besprechung über die künftige Stellung des lombarisch-venezianischen Königreiches

Ferner bemerkte dieser Minister, daß Baron Welden bei Gelegenheit der vorerwähnten Besprechung auch seine Ansichten über Italien geäußert habe. Er meinte, daß man gewisse Leute aus diesem Lande hierher zu berufen hätte, um sich mit ihnen über die künftige Einrichtung des Landes zu besprechen. Den Italienern gegenüber müsse man offen die Richtung angeben, welche die Regierung einzuhalten beabsichtiget.

Graf Stadion hatte dieselbe Idee und hat sie noch, nämlich dem Grafen Montecuccoli zu sagen, daß man sich gewisse Leute zu dem gedachten Ende hierher wünscht, und um ihnen zu erkennen zu geben, daß man die Absicht habe, das Band zwischen Italien und Österreich fest zu knüpfen, daß das Land auf dem hiesigen Reichstage vertreten und überhaupt national behandelt werden soll u. dgl. Graf Stadion wird die Details hierüber später vorbringen; gegenwärtig wünscht er nur im Prinzipe die Weisung, ob eine solche Hierherberufung von Italienern stattfinden soll oder nicht. Nach vorläufiger Erwägung, ob nicht schon jetzt von jeder Provinzialkongregation ein Individuum ihrer Wahl hierher zu senden ausgesprochen werden solle, einigte sich endlich der Ministerrat in der Ansicht, daß vorläufig nur [ein] paar vernünftige Leute zu dem beabsichtigten Zwecke hierher geschickt werden sollen13.

VIII. Beantwortung der Interpellation über die Salzburger Forstangelegenheit

In Absicht auf die Interpellation von Fischer über die Salzburger Forstangelegenheit14, welche dem Finanzminister zu beantworten bevorsteht, bemerkte derselbe zur Aufklärung, daß die Waldkultur­verhältnisse und Forstangelegenheiten im Salzburgischen und in Tirol beinahe gleich sind und gleichen Beschränkungen unterliegen. Es bestehen Vorbehalte von allen Hochwaldungen, ja auf einzelne Bäume sogar.

Was Tirol betrifft, haben Se. Majestät vor [ein] paar Jahren erklärt, daß die Gemeinden das, was sie besitzen, behalten sollen, und das ist nun zufrieden. Im Salzburgischen ist es noch nicht so weit gediehen; indessen habe der Finanzminister zur Ordnung auch dieser Angelegenheit eine Kommission aufgestellt, die ihre Arbeiten soeben beginne.

Auf die Interpellation wäre daher zu antworten, daß über die Behandlung der Salzburger Forstangelegenheit bei dem Finanzministerium eine eigene Kommission niedergesetzt ist, welche dieselbe Richtung zu befolgen hat, welche in Tirol stattfand und das Land befriedigte15.

IX. Geheimgesellschaft in Wien

Hinsichtlich der im gestrigen Protokolle erwähnten vermuteten geheimen Gesellschaft, deren Glieder sich durch kleine schwarzrote Federn kenntlich machen, bemerkte der Minister Freiherr v. Kulmer in Erfahrung gebracht zu haben, daß die solche || S. 29 PDF || Federn tragenden Individuen Überbleibsel des gewesenen hiesigen demokratischen Vereines, Concordia genannt, sind16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph.