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Nr. 121 Ministerrat, Wien, 17. September 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Wessenberg; BdE. 18. 9. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer (keine BdE.), Wessenberg.

MRZ. 2671 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 17. September 1848 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern und des Hauses Freiherrn v. Wessenberg.

I. Note an die englische und französische Regierung wegen Friedensverhandlungen

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Verlesung des Entwurfs einer an die englische und französische Regierung gleichlautend zu richtenden Note1, worin die Bereitwilligkeit, die Friedensunterhandlungen sofort zu eröffnen, ausgedrückt und vorgeschlagen wird, die Bevollmächtigten der Regierungen zu diesem Ende in Innsbruck zu versammeln2.

II. Proklamation an die Bewohner des lombardisch-venezianischen Königreiches

Nachdem wiederholte Berichte aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche die Dringlichkeit der Erlassung einer Proklamation Sr. Majestät des Kaisers an die Bewohner jener Provinzen herausstellt3, wodurch dieselben über die wohlwollenden Absichten der österreichischen Regierung beruhigt würden, so verlas der Ministerpräsident den Entwurf einer solchen Proklamation4.

Sämtliche Minister erklärten sich mit dem Inhalte der Entwürfe zu 1. und 2. völlig einverstanden.

III. Abberufung Carl Graf Pachtas

Der Minister der Justiz teilte aus einem ihm vom Hofrate Pederzani in Mailand zugekommenen Briefe5 eine Stelle mit, woraus erhellt, daß der große Einfluß, welchen der Gubernialrat Graf Pachta seit der Wiedereroberung der Lombardie auf die Verwaltungsgeschäfte nimmt, allgemein unter der Bevölkerung, namentlich unter den Beamten den ungünstigsten Eindruck hervorbringt, nachdem Graf Pachta zwar viel || S. 635 PDF || Gewandtheit besitzt, aber hinsichtlich des Charakters dortlands gar keine Achtung genießt, so daß dessen Entfernung sehr wünschenswert wäre.

Die Minister Freiherr v. Wessenberg, Graf Latour und Baron Krauß bestätigten, daß die äußerst zerrütteten Vermögensverhältnisse des Grafen Pachta demselben in der öffentlichen Meinung sehr geschadet haben, und vereinigten sich mit dem Antrage des Justizministers, daß er ehestens aus den italienischen Provinzen abzuberufen wäre6.

IV. Vortrag über die Regierungseinheit der deutsch-österreichischen und der ungarischen Länder

Der Minister des Inneren verlas den infolge Ministerratsbeschlusses vom 16. September 1848 7 verfaßten Entwurf eines an Se. Majestät zu erstattenden au. Vortrages mit Anträgen, welche die Erhaltung und Befestigung der Einheit in der Regierung der österreichisch-deutschen, dann der ungarischen Staaten bezielen.

Obgleich mit den dort gestellten au. Anträgen im wesentlichen einverstanden, glaubten doch die übrigen Minister dem Vorschlage des Ministers der Justiz beitreten zu sollen, daß die Erstattung dieser Anträge vorderhand noch auf sich zu beruhen hätte, da die ungarischen Angelegenheiten eben in diesem Augenblicke zu einer Krisis gelangt zu sein scheinen und die in deren Folge voraussichtlich eintretende neue Gestaltung der Verhältnisse in Ungarn vielleicht auch eine Modifikation der au. Anträge des tg. Ministerrates zur Folge haben könnte8.

V. Wiederbesetzung der Oberkommandantenstelle der Wiener Nationalgarde

Der Minister des Inneren brachte die Notwendigkeit der Ernennung eines Oberkommandanten der Wiener Nationalgarde zur Sprache9. Die Dringlichkeit der Wiederbesetzung dieses überhaupt und besonders unter den gegenwärtigen Umständen äußerst wichtigen Postens wird allgemein gefühlt, und auch der Oberkommandantenstellvertreter, Major Steffleur, hat darum gebeten.

Graf Latour erwiderte, daß es sehr schwer sei, einen für diesen Posten geeigneten höheren Militär zu finden, der sich demselben auch unterziehen will. Nachdem General Frank das diesfalls an ihn ergangene Ansinnen abgelehnt habe, glaube der Kriegsminister auf den General Bredy hindeuten zu sollen, der sich auch zur Übernahme dieser Stelle – für welche er vollkommen geeignet ist – bereitfinden dürfte. Baron Doblhoff wird sich an ihn wenden10.

VI. Ansuchen um Dotierung der Agramer Kriegskasse

Der Minister des Krieges eröffnete, er habe soeben von dem kroatischen Generalkommando das dringende Ansuchen um Dotierung der Agramer Kriegskasse mit einem Betrage von etwa 500.000 fl. aus den österreichischen Finanzen erhalten11. Da nämlich || S. 636 PDF || der Ban, Freiherr v. Jellačić, alle Barschaft der Kriegskasse vor seinem Ausmarsch12 an sich gezogen hat, so fehlt es an allen Dotationsmitteln, um Militärpensionen und andere Gebühren, dann die Ausgaben der Verpflegsbranche zu bestreiten. Graf Latour glaubt, daß der gedachten Kasse auch dermal wieder, so wie in früheren Fällen13, ein barer Betrag von 100.000 fl. zu übermitteln wäre.

Der Finanzminister entgegnete, er könne unter den dermaligen Konjunkturen für eine abermalige Dotierung der kroatischen Kriegskasse aus den österreichischen Finanzen nicht stimmen, sondern er wäre des Erachtens, daß vorläufig abzuwarten wäre, bis die in Umschwung begriffene ungarisch-kroatische Angelegenheit eine entschiedene Wendung genommen haben wird, was allem Anscheine nach schon in kurzem stattfinden dürfte14.

VII. Militärische Ernennungen

Der Kriegsminister überreichte seinen Vortrag vom 16. September 1848 15, worin a) auf normalmäßige Pensionierung des FML. v. Turszky16, b) auf Ernennung des FML. Baron Welden zum Zivil- und Militärgouverneur von Dalmatien17 und c) auf Ernennung des FML. Baron Piret zum Kommandanten des 2. Reservearmeekorps18 angetragen wird. Gegen diese Anträge wurde von keiner Seite etwas erinnert19.

VIII. Militärische Ernennungen und Versetzungen

Graf Latour überreichte ferner folgende au. Vorträge: 1. wegen Rückversetzung des Obersten Andreas v. Melczer aus dem ungarischen Kriegsministerium in das Infanterieregiment Fürst Schwarzenberg20; 2. über die ablehnende Äußerung des Obersten v. Benedek in betreff der ihm von dem ungarischen Ministerium zugedachten Ernennung zum Brigadier der ungarischen mobilen Nationalgarde21; 3. den au. Vortrag, || S. 637 PDF || worin sich gegen die vom ungarischen Ministerium vorgeschlagene Beförderung der Obersten G[raf] Kolowrat, v. Kiss, Baron v. Bákonyi und v. Blomberg zu Generalmajoren erklärt wird22; 4. den au. Vortrag wegen Ernennung des Majors v. Mertens zum böhmischen Generalkommandoadjutanten23, statt des zum Regimente einrückenden Obersten v. Schobeln; 5. den au. Vortrag wegen Beförderung des Rittmeisters Grafen Stürgkh zum sup[ernumerären] Major24 in seiner Anstellung bei Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzog Ernst; 6. den neuerlichen Vortrag über die Wahl eines Stabsoffiziers für den Dienst der inneren Kammer Sr. Majestät des Kaisers25.

Gegen die in den au. Vorträgen des Kriegsministers 1. bis 6. gestellten ehrerbietigen Anträge wurde von Seite des Ministerrates keine Erinnerung erhoben.