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Nr. 115 Ministerrat, Wien, 1. September 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Wessenberg; BdE. 2. 9. und anw. Doblhoff (keine BdE.), Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE. Franz Karl (12. 9.).

MRZ. 2064 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 1. September 1848 unter dem Vorsitze des Conseilspräsidenten, Ministers des Hauses und des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.

I. Militärische Angelegenheiten

Der Kriegsminister Graf Latour brachte folgende Gegenstände in Antrag: a) mit dem au. Vortrage vom 25. August d. J., KZ. 2845, die Ah. Bewilligung eines Generalpardons für die Deserteurs der k. k. italienischen Truppenkörper vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts auf die Dauer von drei Monaten und Ausdehnung dieses Ah. Gnadenaktes auf alle innerhalb des erwähnten Zeitraumes zurückkehrenden Deserteurs der ganzen k. k. österreichischen Armee1; b) mit dem au. Vortrag vom 25. August d. J., KZ. 2848, den pensionierten Titulargeneralmajor Ignaz Szereday v. Szent Karamsay für den erledigten Elisabeth Theresianischen Stiftungsplatz dritter Klasse2; c) mit dem au. Vortrage vom 20. August d. J., Z. 2849, die Ag. Bewilligung einer Badeunterstützung von 40 fr. für jeden der zwölf im Vortrage namentlich aufgeführten mittellosen subalternen Offiziere, welche wegen ihrer vor dem Feinde erhaltenen Wunden das Badner Bad im dortigen Militärbadhause und in der zweiten diesjährigen Badeperiode daselbst gebraucht haben3; d) mit dem Vortrage vom 29. August d. J., Z. 2847, die Versetzung des Generalmajors und Brigadiers zu Triest, Victor v. Pontis, in den zeitlichen Ruhestand mit der höheren Generalmajorspension von 2000 fr.4; e) mit dem Vortrage vom 29. August d. J., Z. 2846, die Ag. Genehmigung der Erhöhung des Standes der wirklichen Obersten im Generalquartiermeisterstabe von vier auf sechs5.

II. Unterstellung beider slawonischer Grenzinfanterieregimenter unter den Befehl des Warasdiner-Karlstädter Generalkommandos

Mit dem weiteren au. Vortrage vom 29. August d. J., Z. 22416, erstattet der Kriegsminister die Anzeige, daß sich die beiden slawonischen Grenzinfanterieregimenter (das Broder und Gradiskaner) zur Sicherung ihrer Nationalität und um die durch die separatistischen Tendenzen des ungarischen Ministeriums bedrohte Integrität der österreichischen Monarchie aufrecht zu erhalten, freiwillig unter die Befehle des Warasdiner-Karlstädter Generalkommandos gestellt haben und nicht mehr von dem die Befehle des ungarischen Ministeriums befolgenden slawonisch-syrmischen Generalkommando abhängen wollen7. Das Generalkommando in Agram hat, um diese Regimenter vor einer gänzlichen Auflösung zu bewahren (wie dieses mit den in Syrmien und im Banate liegenden leider schon der Fall ist), solche der Brigade zu Vinkovcze und dem Divisionskommando zu Agram bezüglich des vorgeschriebenen Dienstganges zugewiesen.

Der Kriegsminister findet diese, unter den gegenwärtigen außerordentlichen Verhältnissen des Grenzgebietes notwendige Verfügung des Generalkommandos zu Agram nicht zu beanständen8.

III. Organisationsänderung des Kriegsministeriums

In dem au. Vortrage vom 28. August d. J., Z. 22409, findet sich der Kriegsminister aus Anlaß der Ah. genehmigten Umgestaltung des ehemaligen Hofkriegsrates in das Kriegsministerium10 und um aus der fortschreitenden Entwicklung dieser neuen Gestaltung auch den Finanzen eine Erleichterung zu verschaffen, zu folgenden Anträgen veranlaßt: die Hofräte Jakob Rosner und Bernhard Weckbecker, von denen der erstere 81 Lebens- und 65 Dienstjahre, der letztere 71 Lebens- und 46 Dienstjahre zählt, mit ihrem bisherigen Aktivitätsgehalte in den Ruhestand zu versetzen und jedem von ihnen das Ritterkreuz des kaiserlich-österreichischen Leopoldordens taxfrei zu verleihen; das bisherige Sanitätsdepartement N aufzulassen, dessen Geschäfte mit jenem des Departements D durch Hofrat Joachim v. Einkhemmer unter Beigabe des dirigierenden Stabsfeldarztes Dr. Kottmayer für wichtige Sanitätsgegenstände und die Angelegenheiten des feldärztlichen Personales mit der ihm zu bewilligenden Zulage von 400 fr. und dem kompetenten Quartiersgenusse besorgen zu lassen; den Hofsekretär Franz Winkler, welcher 68 Jahre alt ist und 47 Jahre dient, in den Pensionsstand mit seinem bisherigen Gehalte normalmäßig zu versetzen und ihm den Titel und Charakter eines Amtsrates zu verleihen; an die Stelle desselben den Oberverpflegsverwalter Hermann Keller v. Schleitheim zum Ministerialsekretär im Zentralmilitärverpflegsdepartement zu ernennen; seinen Ersatz aber beim niederösterreichischen Generalkommando durch den Oberverpflegsverwalter Ehrler aus Peterwardein leisten zu lassen; ferner den Expeditsdirektor Regierungsrat Sartorius und den Registratursdirektor Johann Bugel (welche über 70 Jahre alt sind und über 50 Jahre dienen) mit ihren Aktivitätsgehalten in den Ruhestand zu versetzen und dem ersteren das Ritterkreuz der eisernen Krone III. Klasse || S. 610 PDF || taxfrei, dem letzteren aber eine Personalzulage jährlicher 300 fr. zu verleihen und ihre Stellen, und zwar die Expeditsdirektorsstelle durch den Hofsekretär Paulin Feuerle und die Registratursdirektorsstelle durch den Hofsekretär Johann Sommer zu besetzen. Schließlich trägt der Kriegsminister an, daß die Hofräte und Hofsekretäre des bestandenen Hofkriegsrates künftig, wie es bei den übrigen Ministerien der Fall ist, Ministerialräte und Ministerialsekretäre benannt werden11.

Gegen die Anträge des Kriegsministers sub I und III wurde von keiner Seite etwas zu erinnern gefunden.

IV. Wünsche der ungarischen Minister

Der Kriegsminister eröffnete dem Ministerrate, daß die gegenwärtig hier anwesenden ungarischen Minister, wie er aus einer mit ihnen gepflogenen Besprechung entnommen, drei Begehren stellen, nämlich: a) daß ein Befehl erlassen werde, alle in Ungarn befindlichen, auch nichtungarischen Truppen hätten unbedingt gegen die Serben zu kämpfen; b) daß allen kroatischen Zivil- und Militärautoritäten befohlen werde, keine Feindseligkeiten gegen Ungarn auszuüben, und c) daß Se. Majestät der Kaiser sich auch längere Zeit nach Pest begeben möchten.

Der Kriegsminister bemerkte ihnen, ohne sich in eine Erörterung des letzten Punktes einzulassen, daß hier nur die Vereinigung einiger Ministerien Abhilfe schaffen könne, wogegen dieselben erinnerten, daß kein ungarisches Ministerium bei dem gegenwärtigen Reichstage es durchzubringen vermöchte, das Gesetz des letzten Reichstages hinsichtlich der Minister zurückzunehmen12.

Der Kriegsminister Graf Latour bemerkte denselben weiter, daß das hiesige Ministerium seine Ansichten hierüber in eine Sr. Majestät überreichten Staatsschrift bereits ausgesprochen habe13.

V. Ansuchen Jellačić' um Geld zur Auszahlung der Truppe

Derselbe Minister brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß er ein dringendes Schreiben vom Ban, Baron Jellačić, erhalten habe, worin derselbe zur notwendigen Auszahlung der Löhnungen etc. abermals um Geldsubsidien bittet14 und den Bedarf mit Rücksicht auf die Rückstände für die Monate Juni, Juli und August d. J. und die zugewachsene Übernahme zweier slawonischer Grenzregimenter15 auf 481.000 fr., für den Monat September allein auf 170.000 fr. berechnet.

Nach der Ansicht des Kriegsministers bleibt, um die schon öfter besprochenen Nachteile von dem kroatisch-slawonischen Militär etc. und von Ungarn selbst abzuwenden, nichts anderes übrig, als den Ban abermals mit Geld zu unterstützen, weil das ungarische Ministerium bestimmt erklärt hat, ihm kein Geld zu schicken, und im Ministerrate || S. 611 PDF || bereits früher beschlossen wurde, den Ban zu unterstützen, wenn das ungarische Ministerium nicht bis zu Ende dieser Woche antwortet16.

Es wurde beschlossen, dem Banus aus der Kriegskasse, ohne übrigens von der Ursache zu sprechen, eine Vorschuß von 100.000 fr. für die Löhnungen der Truppen auf Rechnung der Einkommenszweige der Krone Ungarns anzuweisen. Die allenfällige Abrechnung mit den Finanzen kann am Schlusse des Verwaltungsjahres geschehen17.

VI. Getreideausfuhrverbot nach Krain

Der Minister des Inneren teilt eine Anzeige des Grafen Welsersheim mit, nach welcher der Ban von Kroatien, aus Rücksicht für die Verpflegung seiner Armee, die Ausfuhr von Getreide nach Krain verboten und die Kundmachung hievon auch in diesem Lande verlangt hat, welche von dem Gouverneur Grafen Welsersheim auch verfügt worden ist18.

Diese Maßregel des Banus läßt sich nach dem Dafürhalten des Ministerrates keineswegs rechtfertigen. Während man den Ban hierorts nach Tunlichkeit mit Geld unterstützt, soll Krain durch das erwähnte Verbot nicht in Nachteil versetzt werden. Derselbe wäre demnach bei Übersendung des oberwähnten Vorschusses dringend aufzufordern, das gedachte Ausfuhrverbot wieder rückgängig zu machen, was der Kriegsminister ernstlich zu tun übernahm19.

VII. Künftige Organisierung der italienischen Besitzungen

Auf die vom Minister des Inneren gestellte Anfrage, ob in Beziehung auf die künftige Organisierung von Italien das Nötige bereits vorbereitet sei, erwiderte der Minister der auswärtigen Angelegenheiten , daß er den Grafen Montecuccoli angegangen habe, seine Ansichten diesfalls mitzuteilen20. Graf Montecuccoli habe bereits seine vorläufige Äußerung mitgeteilt21, welche gute Daten enthalte, aber einen ausführlichen Bericht über diesen Gegenstand nachzutragen versprochen, welcher abgewartet werden müsse22.

Hinsichtlich der Organisierung der Justiz bemerkte der Justizminister , daß seine und des Grafen Montecuccoli ausgesprochenen Ansichten, jemanden vom Obersten Gerichtshofe mit einer bestimmten Instruktion dahin abzusenden, vollkommen übereinstimmen und sich bereits begegnet haben23.

VIII. Projektierte Eisenbahn vom neuen Kärntnertor nach Hütteldorf

Aus Rücksicht für die Beschäftigung von Arbeitern und in der Hoffnung, ihrer fünf- bis sechstausend durch zwei Jahre bei einer Privatunternehmung anbringen zu können, machte der Minister der öffentlichen Arbeiten auf ein vor mehreren Jahren bereits verhandeltes, nun neuerdings zur Sprache gebrachtes Projekt aufmerksam, nämlich das Projekt von Sichrowsky und Konsorten, eine Eisenbahn vom neuen Kärntnertor am linken Wienufer nach Hietzing und Hütteldorf als Anfang einer künftigen Reichsbahn gegen Salzburg auf Aktien zu bauen, bei welchem Unternehmen mehrere tausend Arbeiter durch zwei Jahre Beschäftigung finden könnten24. Die Unternehmer verlangen bloß eine mäßige Garantie vom Staate.

Gegen dieses Projekt wurde im Ministerrate geltend gemacht, daß eine Eisenbahn von Wien nach Hietzing und Hütteldorf selbst für Vergnügungszwecke nicht notwendig erscheine, indem dieser Zweck viel leichter auch von Hetzendorf aus nötigenfalls erreicht werden könnte, die Ausführung der gedachten Bahn großen Schwierigkeiten und Anständen in Expropriationshinsichten unterworfen wäre und die Rentabilität dieser kurzen Strecke Bahn mit Grund in Zweifel gezogen werden müßte25.

IX. Beschäftigtenstand bei öffentlichen Arbeiten

Schließlich brachte der Minister der öffentlichen Arbeiten zur Kenntnis des Ministerrates, daß die Zahl der bei öffentlichen Bauten beschäftigten Arbeitern, welche in den Tagen vor der Lohnherabsetzung26 14.800 betrug, heute sich auf 11.200 beläuft und mit Ende der Woche auf 10.500 herabsinken wird. Neue Arbeiter werden nicht mehr aufgenommen27.

Anhergelangt den 11. 9. 1848. Ges. 12. September. Franz Karl. Vidi.