Inhaltsverzeichnis des Bandes

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Nr. 111 Ministerrat, Wien, 24. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Wessenberg; BdE. 24. 8. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE. Franz Karl (3. 9.) a .

MRZ. 2060 – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 24. August 1848 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.

I. Pensionierung und Beförderungen von Militärs

Der Kriegsminister überreicht seinen Vortrag vom 23. l. M. 1, worin auf die Pensionierung des Artilleriegenerals Racca mit Feldmarschalleutnantscharakter und der höheren Generalmajorspension per 2000f. angetragen und zugleich vorgeschlagen wird, den Generalmajor Hauslab für die durch Vitalianis Versetzung nach Innerösterreich zu erledigende Artilleriebrigade in Wien zu ernennen2.

Diesen Anträgen wurde allseitig beigestimmt3.

II. Gnadengabe für den suspendierten Kaplan des Wiener Garnisonsspitals

Der Kriegsminister legt ferner seinen au. Vortrag vom 22. August 1. J.4 vor, worin in Übereinstimmung mit dem apostolischen Feldvikariate darauf angetragen wird, dem wegen offenen Übertritts zum Deutschkatholizismus ab omni officio jurisdictionis et ordinis suspendierten Kaplan des Wiener Garnisonspitales Johann Hirschberger5 eine Gnadengabe von 200 fl. Ag. zu verleihen, damit dieser verirrte unglückliche Priester vor Mangel geschützt sei.

Sämtliche Minister pflichteten diesem, auf politische Rücksichten gestützten Antrage bei, glaubten jedoch, daß der Bezug der Gnadengabe von der Bedingung abhängig zu machen wäre, daß Hirschberger seinen Wohnsitz in einer von Wien entfernten Provinz aufschlage6.

III. Finanztechnische Forderungen des Reichstages

Der Finanzminister erinnerte, die Reichsversammlung habe ihn, bei Gewährung der jüngst von ihm angesuchten Ermächtigung zur Aufnahme eines Darlehens von 20 || S. 596 PDF || Millionen Gulden aufgefordert7, a) wegen schleuniger Aufhebung des bestehenden Münzausführungsverbotes8, b) wegen Beseitigung der bestehenden Beschränkung bezüglich der Auswechslung von Banknoten in Silbermünzen bei der Nationalbank9 und c) wegen Zurücknahme der Vorschrift über den Zwangskurs der Banknoten10 das Geeignete zu erlassen.

Die Reichsversammlung hat diese Maßregeln nicht selbst beschlossen, sondern nur deren Vollzug dem Finanzministerium empfohlen. Da nun Baron Krauß, nach gepflogener Rücksprache mit den Bankdirektoren11, den gegenwärtigen Augenblick noch keineswegs als den geeigneten erkennen kann, um diese hochwichtigen und folgenreichen Maßregeln in Vollzug zu bringen, so glaubt er auch nicht die Verantwortung dafür übernehmen zu können, sondern gedenkt, diese Gegenstände unter Auseinandersetzung der vorhandenen und durch den Finanzausschuß mittelst unmittelbarer Rücksprache mit der Bankdirektion zu konstatierenden Bedenken der Schlußfassung der Reichsversammlung zu unterziehen12.

IV. Direkte Steuern für das Verwaltungsjahr 1849; Aufhebung der Urbarial-, Zehent- und Judensteuer

Der nicht mehr ferne Beginn eines neuen Verwaltungsjahres13 macht es nötig, auf die Ausschreibung der direkten Steuern für dasselbe vorzudenken und hiezu die Zustimmung der Reichsversammlung zu erwirken. Diese Ausschreibung wäre auf sämtliche bisher bestehende direkte Steuern auszudehnen, und der Finanzminister glaubt, daß nur bezüglich zweier direkter Steuern mit dem Jahre 1849 eine Änderung einzutreten hätte, nämlich bezüglich der Urbarial- und Zehentsteuer und bezüglich der Judensteuern. Da nämlich die Aufhebung der Urbarialleistungen und Zehenten ohne Zweifel demnächst beschlossen werden wird14, so können die Dominien und Zehentherren aus diesem Titel nicht mehr einer besonderen Steuer unterzogen werden, und es wird daher auch der bisherige Unterschied in der If. Besteuerung des belasteten und || S. 597 PDF || unbelasteten Grundbesitzes aufhören. Die Aufhebung der Urbarial- und Zehentsteuer wird jedoch keinen Ausfall an der Einnahme verursachen, weil der diesfällige Steuerentgang den urbarial- und zehentfrei werdenden Grundstücken zur Last geschrieben werden wird.

Dagegen wird die Aufhebung der Judensteuern15 einen Ausfall von mehr als einer Million zur Folge haben; indes glaubt Baron Krauß, daß nichts erübrige, als für die Bedeckung dieses Ausfalles in anderen Wegen bedacht zu sein, da sich diese Ungleichheit in der Besteuerung der Bürger desselben Staates den Forderungen des Zeitgeistes und selbst denen der Gerechtigkeit gegenüber nicht wohl rechtfertigen lasse und insbesondere in Galizien der Druck der Judensteuer unerschwinglich geworden sei.

Der Entwurf des diesfälligen, der Reichsversammlung durch den Finanzminister demnächst zu unterziehenden Gesetzentwurfes wurde vorgelesen und erhielt die Zustimmung der übrigen Minister16.

Ges. 3. September. Franz Karl. Vidi.

Anmerkungen

a Für die Protokolle v. 23. und 24. 8. 1848 gibt es ein gemeinsames Deckblatt.

1 HHSTA., Kab. Kanzlei, MRZ. 1826/1848, und KA., HKR., KM., Präs. 4676/1848.
2 Vitaliani war auf Vortrag Latours v. 17. 5. 1848 mit Ah. E. v. 22. 5. 1848 zum Generalmajor und Brigadier in Lemberg befördert worden, HHSTA., Kab. Kanzlei, MRZ. 705/1848. Hauslab war auf Vortrag Latours v. 12. 6. 1848 mit Ah. E. v. 21. 6. 1848 zum Generalmajor befördert und nach Brünn beordert worden, ebd., MRZ. 1087/1848.
3 Der in Anm. 1 zit. Vortrag wurde mit Ah. E. v. 30. 8. 1848 resolviert.
4 HHSTA., Kab. Kanzlei, MRZ. 1875/1848. Fortsetzung des Gegenstandes v. 16. 8. 1848/VII.
5 Das Kriegsministerium war mit Schreiben des apostolischen Feldvikariates v. 19. 8. 1848 darüber informiert worden, daß Hirschbergers im Odeon geäußerten Ansichten mit dem Glaubensbekenntnis eines römisch-katholischen Priesters nicht vereinbarlich sind und ihm die fernere Ausübung der geistlichen Funktionen und die Administrierung der heil. Sakramente unmöglich mache, KA., HKR., KM., Präs. 4656/1848.
6 Der in Anm. 4 zit. Vortrag wurde mit Ah. E. v. 30. 8. 1848 resolviert.
7 Krauß hatte gleichzeitig mit seiner programmatischen Rede am 5. 8. 1848 in der 14. Sitzung des Reichstages über die Staatsfinanzen dem Parlament diesen Antrag überreicht, Verhandlungen des Österreichischen Reichstages 1, 372–376. Der Text ebd. 556. Die Bewilligung erteilte der Reichstag in seiner 26. Sitzung am 21. 8. 1848, ebd., 677–701; zu der hier genannten Aufforderung siehe ebd., 699.
8 Zum Münzausfuhrverbot siehe MR. v. 18. 6. 1848/IV und MR. v. 23. 7. 1848/XII.
9 Siehe dazu MR. II v. 20. 5. 1848/VI. MR. v. 21. 5. 1848/XIV, MR. v. 22. 5. 1848/XXII und MR. v. 25. 5. 1848/IX.
10 Zum Zwangswechselkurs der Banknoten siehe MR. v. 21. 5. 1848/XIV, MR. v. 22. 5. 1848/XXII, MR. v. 25. 5. 1848/IX, MR. v. 8. 6. 1848/V und MR. v. 11. 7. 1848/VII.
11 Vgl. dazu das Schreiben Mayer-Graveneggs v. 22. 7. 1848, in dem er um Verlängerung des Münzausfuhrverbotes bittet, HHSTA., RTA. 111, Fasz. VII, fol. 137 ff.
12 Mit Antrag v. 26. 8. 1848 ersuchte Krauß den Reichstag um die Anhörung der Nationalbank vor dem Finanzausschusse und um vorläufige Belassung der Bestimmungen wegen Umwechslung der Banknoten gegen Silber und wegen des Geld- und Silbergeldausfuhrverbotes, bis sich die finanzielle Lage des Staates entsprechend stabilisiert habe, ebd., fol. 127–136. Siehe dazu auch Brandt, Neoabsolutismus 1, 169f. Das Ausfuhrverbot für Gold- und Silbergeld wurde schließlich mit Erlaß des Finanzministeriums v. 10. 9, 1849 aufgehoben, RGBL. Nr. 387/1849.
13 Das neue Verwaltungsjahr begann mit 1. 11. 1848.
14 Auf Vortrag des Ministerrates v. 7. 9. 1848 wurden die vom Reichstage angenommenen Beschlüsse über die Aufhebung der Untertänigkeit und die Grundentlastung mit Ah. E. vom selben Tag angenommen, HHSTA., Kab. Kanzlei, MRZ. 1979/1848; anbei das gedruckte Patent, datiert ebenfalls mit 7. 9. 1848.
15 In Galizien war die sog. Judensteuer schon so gut wie aufgehoben, siehe dazu MR. v. 22. 5. 1848/XVIII und MR. v. 24. 5. 1848/XVI.
16 Mit Antrag v. 6. 9. 1848 ersuchte Krauß den Reichstag um die Ausschreibung der direkten und indirekten Steuern für das Jahr 1849, wobei er gleichzeitig bat, die Judensteuer und die Urbarial- und Zehentsteuer mit 1. 11. 1848 zu abolieren, HHSTA., RTA. 111, Fasz. VII, fol. 205–209. In seiner 52. Sitzung am 7. 10. 1848, Verhandlungen des Österreichischen Reichstages 3, 16, bewilligte die Vollversammlung des Reichstages alle diese Punkte für das erste Semester 1849 mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß nach Vorlage näherer Details Änderungen eintreten können, Schreiben (K.) des Reichstagsvorstandes an das Ministerium v. 10. 10. 1848, HHSTA., RTA. 111, Fasz. VII, fol. 217 ff.

Zitierhinweis

Sitzung 111, in: ÖMR, Abteilung I, Die Ministerien des Revolutionsjahres 1848, Band 1 (=Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867 online), URL: https://mpr.oeaw.ac.at/pages/show.html?document=MRP-1-1-01-0-18480824-P-0111.xml, abgerufen 19.04.2024.