MRP-1-1-01-0-18480822-P-0109.xml

|

Nr. 109 Ministerrat, Wien, 22. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. fehlt; BdE. 23. 8. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer; abw. Wessenberg; BdE. Franz Karl (1. 9.).

MRZ. 2058 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 22. August 1848.

I. Petition verarmter Bürger

Der Minister des Inneren teilte mit das Resultat einer ihm heute von verarmten Bürgern in Massa übergebenen Petition um Unterstützung des Privatanlehenvereins nach einem von einem gewissen Swoboda ausgearbeiteten Projekte1.

Nachdem der Minister den Petenten das Unzulässige und Unausführbare des Begehrens in dessen ganzem Umfange vorgestellt hatte, beschränkten dieselben ihre Bitte darauf, daß ihnen Se. Majestät eine kleine Summe als Stock für einen Fonds zu ihrem Unterstützungsvereine bewilligen möge. Diese dürfte ihnen auch, nach dem Erachten des Ministers, mit etwa 10.000f. aus der Ah. Privatkasse Sr. Majestät, jedoch unter Vorsicht, damit die Verteilung gehörig erfolge, zugestanden werden2.

II. Unterstützung der Gewerbeleute; Arbeiterfrage

Derselbe verlas den von der beauftragten Kommission entworfenen Plan zur Bildung eines Komitees zur Unterstützung verarmter Gewerbsleute mit Arbeit oder Geld3 und sprach zum Behufe der Inslebensetzung dieses Komitees von dem Finanzminister vorderhand einen Fonds von 500.000a fr. an, welchen derselbe mittelst der National-bank unter Garantie der Finanzen zu beschaffen sich bereiterklärte4.

Aus Anlaß dieser beiden Vorträge und der gestrigen Vorgänge5 kam die Arbeiterfrage wieder zur Sprache. Der Minister des Inneren brachte das Wertheimsteinsche Projekt in Anregung, wornach jeder dermal bei den Staatsbauten angestellten Arbeiterin, wenn sie zu ihrer ursprünglichen Beschäftigung zurückkehrt, die Aufzahlung des von dem || S. 590 PDF || früheren Taglohn abgebrochenen Betrags von 5 Kreuzer von Sr. Majestät zugesichert werden solle. Dieses Projekt wurde jedoch zur Annahme durchaus nicht für geeignet gefunden, weil es im Grunde nur auf ein gefährliches Nachgeben in einer nach reiflichem Beschluß angeordneten Regierungsmaßregel hinausführen würde.

Ohnehin hat, bemerkte der Justizminister , der demokratische Verein es gewagt, gestern in einem Plakate die Partei der Arbeiter zu ergreifen und gewissermaßen als Autorität die diesfällige Verfügung der Behörden zu besprechen6, weshalb ihm eine ernstliche Verwarnung, sich solcher gesetzwidriger Vorgänge zu enthalten, zu erteilen sein dürfte.

Dagegen hoffte der Minister der öffentlichen Arbeiten eine befriedigendere Lösung der Frage von Aufrechthaltung der polizeilichen Strenge gegen die müßig, besonders nächtlicherweile herumstreichenden weiblichen Individuen, von der Wiederaufnahme städtischer Arbeiten von Seite der Stadt Wien (in welcher Beziehung er sich vorbehielt, dem Minister des Inneren die entsprechende Aufforderung mitzuteilen), endlich von der Ausführung des vom Kreishauptmann im Viertel unter dem Mannhartsberg bereits angebahnten Projekts zur Urbarmachung und Kolonisierung einiger Bodenstrecken auf den Gütern Sr. k.k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Rainer in jenem Kreise7.

III. Amnestie für Südtiroler Revolutionäre

Der Justizminister übergab seinen Vortrag vom 21. August wegen Erteilung einer Amnestie für die bei den revolutionären Umtrieben in Südtirol Kompromittierten8.

IV. Abschiebung italienischer Soldaten aus Ungarn

Derselbe teilte vorläufig als Notiz mit, daß das ungrische Ministerium die Freilassung von 500 italienischen Precettati in Szegedin und deren Hierhersendung nach Wien beschlossen habe9; die Entscheidung hierüber ward einstweilen bis zur nähern Information über die bezüglichen Verhältnisse ausgesetzt10.

V. Gesuch italienischer Justizbeamten um Entschädigung

Derselbe trug vor das Gesuch der italienischen Justizbeamten, welche während des Aufstands als Geiseln zurückgehalten worden waren, um eine Entschädigung. [Es wurde] beschlossen, diese Eingabe dem Ministerialkommissär im lombardisch-venezianischen Königreich, Grafen Montecuccoli, zur Berücksichtigung zuzusenden11.

Ges. 1. September. Franz Karl. Vidi.