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Nr. 98 Ministerrat, Wien, 23. Juli 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. fehlt; anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer; abw. Wessenberg; BdE. Doblhoff (24. 7.), Hornbostel (13. 8).

MRZ. 1987 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 23. Juli 1848.

I. Leitung der Generalgeniedirektion durch Bernhard Graf Caboga

Der Kriegsminister übergab seinen Vortrag vom 23. Juli 1848 1 wegen Benennung des dermal an der Spitze der Generalgeniedirektion stehenden FML. Grafen Caboga und dessen Beteilung mit der üblichen Zulage, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde2.

II. Seefriedensverhandlungen mit dem sardinischen Blockadegeschwader

Anzeige des Gouverneurs von Triest Grafen Salm3, daß er im Einvernehmen mit dem dortigen Militärkommandanten FML. Grafen Gyulai und unter Vorbehalt der höheren Ratifikation mit dem Kommandanten des sardinischen Blockadegeschwaders eine Seefriedensunterhandlung angeknüpft habe, deren Hauptstipulation dahin ginge, daß das sardinische Geschwader sich in die Gewässer von Venedig zurückziehen, die k. k. Flottille aber sich auf die Gewässer von Triest und Istrien beschränken und keiner der beiden Teile eine Belästigung des Seehandels sich erlauben solle4.

Nachdem, wie der Kriegsminister bemerkte, durch den Abschluß eines derlei Seefriedens die militärischen Operationen gegen Venedig beirrt werden könnten, wurde einstimmig beschlossen, die Ratifikation der diesfälligen Unterhandlung dem Ministerrate vorzubehalten und zu diesem Ende den Gouverneur Grafen Salm aufzufordern, vor dem Abschlusse nicht nur die gegenwärtig nicht vorliegende Äußerung des Grafen Gyulai hierüber, sondern auch die vom sardischen Flottenkommandanten Albini einlangende Antwort einzusenden5.

III. Antrag Johann Boncza Skrzyneckis auf Rückkehr

Durch das Ministerium des Äußern wurde dem Minister des Inneren mitgeteilt ein von der königlich belgischen Gesandtschaft unterstütztes Gesuch des aus Galizien gebürtigen ehemaligen polnischen Generals Skrzynecki um Bewilligung zur Rückkehr6 in sein Vaterland.

Der Finanzminister bezweifelte, daß Skrzynecki noch als österreichischer Untertan anzusehen sei, nachdem er sich vor sieben Jahren aus seinem Geburtslande entfernt hatte und in fremde Dienste getreten war. Er trug daher vorläufig auf eine Rückfrage hierwegen an das galizische Landespräsidium an. Diese schien dem Justizminister nicht nötig, denn ist Skrzynecki österreichischer Staatsbürger, so muß er in seinem Vaterlande aufgenommen werden, ist er es nicht mehr, so kann ihm, wenn er mit einem regelmäßigen Passe kommt, der Eintritt nach Galizien auch nicht verwehrt werden. Allein, der Finanzminister machte den Umstand geltend, daß, nachdem zwischen der k. k. österreichischen und der russischen Regierung in Ansehung der Auslieferung der an dem russisch-polnischen Aufstande Beteiligten Verträge bestehen7, es für Skrzynecki als ehemaligem Oberbefehlshaber der polnischen Insurrektion von 1830 und 1831 bedenklich werden dürfe, wenn er nach Galizien käme.

In dieser Rücksicht ward daher auf den Antrag des Ministers des Inneren beschlossen, hierwegen das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten um Mitteilung näherer Aufschlüsse anzugehen, wobei dann unter einem auch die oben angedeutete Rückfrage an das galizische Landespräsidium stattfinden könnte8.

IV. Istrianische Petition um Nichtverwendung der dortigen Rekruten im Krieg in Italien

Drei beim Ministerium des Inneren eingebrachte Petitionen aus Istrien (namentlich eine aus Capo d’Istria) um Sistierung der dort im Zuge befindlichen Rekrutierung oder, wenn nicht, doch um Erteilung der Zusicherung, daß die dort ausgehobenen Rekruten im italienischen Kriege nicht werden verwendet werden, erbat sich der Kriegsminister zur tunlichen Berücksichtigung.

Es wurde beschlossen, dem Kriegsminister diese Petitionen mit der nachdrücklichen Verwendung des Ministers des Inneren für die Gewährung der zweiten Alternative umso mehr zu empfehlen, als diese Rekrutierung ohnehin nur die Aufstellung einer || S. 546 PDF || Reserve beabsichtigt, deren Bestimmung zunächst der Dienst im Inneren des Landes und nicht im Felde ist9.

V. Keine offizielle Veröffentlichung über die Mission Montecuccolis; Rechtfertigung über seine Rolle am 26. 5. 1848

Gesuch der Gemahlin und der Freunde des an die Seite des Feldmarschall Grafen Radetzky zur Landesverwaltung der von den k. k. Truppen besetzten Teile des lombardisch-venezianischen Königreichs abgeordneten Grafen Montecuccoli um Veröffentlichung seiner dermaligen ämtlichen Bestimmung durch die Zeitungsblätter10.

Dieses Ansuchen wurde zur Gewährung nicht für geeignet erkannt, nachdem durch eine solche Veröffentlichung das dermalige Ministerium den vom vorigen ausgegangenen Akt der Mission des Grafen Montecuccoli auf sich nehmen würde.

Die öffentliche Meinung, bemerkte insbesondere der Justizminister , bezeichnet den Grafen Montecuccoli als einen an den Ereignissen des 26. Mai Schuldtragenden, der, dem Ministerialbeschlusse vom 27. zufolge, vor ein öffentliches Gericht gestellt werden sollte11. Diesem ist Graf Montecuccoli durch seine Entfernung von hier entgangen, ohne seine Rechtfertigung eingebracht zu haben12. Von dieser Rechtfertigung, die Graf Montecuccoli, wie der Minister nicht zweifelt, zu geben imstande ist, hängt der Fortbestand seiner Mission im lombardisch-venezianischen Königreiche und das Einstehen des gegenwärtigen Ministeriums dafür ab. Er wäre daher aufzufordern, diese seine Rechtfertigung unverzüglich einzureichen13.

VI. Gesetzentwürfe zum Schutz des Reichstages und zur Sicherheit der Abgeordneten

Der Justizminister trug vor zwei Gesetzentwürfe: 1. zum Schutze der Reichsversammlung gegen gewaltsame Störungen von außen und gegen Aufreizungen dazu; 2. zum Schutze der persönlichen Sicherheit der einzelnen Abgeordneten und zwar nach dem doppelten Prinzipe, daß kein Abgeordneter wegen seiner Reden in der Reichsversammlung zur Verantwortung gezogen oder beleidigt werden dürfe (§ 1 und 2) und daß keiner während des Reichstags wegen eines Verbrechens etc., den Fall der Ergreifung auf der Tat ausgenommen, ohne Einwilligung der Reichsversammlung solle gerichtlich verfolgt oder verhaftet werden können (§ 3). Hierbei versteht sich von selbst, || S. 547 PDF || daß diese Bestimmung auf Fälle solcher Amtshandlungen vor der Wahl des Betroffenen zum Abgeordneten sich nicht beziehen könne14.

Gegen den Inhalt des Gesetzentwurfs sub 1. ergab sich kein Anstand. Rücksichtlich des Gesetzentwurfs ad 2. wünschte der Finanzminister § 2 den Ausdruck „Beleidigung“ näher bestimmt, etwa durch „Mißhandlung“ ergänzt, und § 1 die Motivierung weggelassen zu sehen, als ob das Gesetz zum Schutze des Abgeordneten gegen Angriffe der Regierung allein (welche gar nicht vorauszusetzen sind) erlassen worden, endlich die § 2 bezeichnete Handlung ausdrücklich als schwere Polizeiübertretung bezeichnet zu sehen, insoferne sie nicht schon als solche oder als Verbrechen nach dem allgemeinen Strafgesetze angesehen werden müsse.

In der Form glaubt derselbe, daß beide Gesetzentwürfe, nach dem Muster jener andrer konstitutioneller Regierungen, im Namen Sr. Majestät ausgefertigt und zur Einbringung in die Reichsversammlung vorläufig die Ah. Bewilligung eingeholt werden sollte.

In dieser Beziehung wurde der Justizminister vom Minister des Inneren eingeladen, sich – mit Rücksicht auf die Dringlichkeit dieser Sache – im kurzen Wege die höchste Zustimmung Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Reichsverwesers zur Einbringung jener Gesetzentwürfe zu erbitten.

Die Maßregeln zur Aufrechthaltung des durch diese Gesetze beabsichtigten Schutzes bleiben den Ministern des Inneren und des Kriegswesens überlassen15.

VII. Änderung von Beamtentiteln; teilweise Verwaltungsreform; Dotierung der Unterstaatssekretäre

Aus Anlaß eines vom Minister der öffentlichen Arbeiten beabsichtigten Vortrags wegen Organisierung des Personalstatus seines Ministeriums sprach der Finanzminister den Wunsch aus, daß sich die Ministerien wegen Änderung des Titels der bei ihnen bestehenden Hofräte, -Sekretäre und -konzipisten in „Ministerialräte etc.“ vereinigen mögen. Er sprach ferner seine Absicht aus, wegen Reform des Praktikantenstandes einen Antrag dahin zu stellen, daß selbe künftig beim Ministerio nur zeitweilig aus den Unterbehörden zugeteilt würden, und erklärte es endlich für ein Bedürfnis, bei den größeren Ministerien einen höheren Beamten, etwa einen Präsidenten, stabil anzustellen, welcher mit der Revision der kurrenten Geschäfte, die der Minister selbst nicht übersehen kann, beauftragt würde.

Endlich wünschte er die Festsetzung des Gehalts für die Unterstaatssekretäre, wo nicht mit 8000f., doch jedenfalls höher als jene der mit 6000f. dotierten Sektionschefs, wogegen der Minister des Inneren diesen letztern Betrag für ausreichend erkannte16.

VIII. Gesuch der Brünner Nationalgarde um Artillerie

Gesuch der Nationalgarde in Brünn um Erfolgung einer Batterie17.

|| S. 548 PDF || Die Minister der Justiz und des Handels etc. waren für die Bewilligung.

Die übrigen Stimmen aber, nachdem der Kriegsminister, der inzwischen die Sitzung verlassen hatte, schon früher gegen den Minister des Inneren auf das entschiedenste sich gegen die Gewährung dieses Gesuchs ausgesprochen hatte, erklärten sich der Konsequenzen wegen und da das Nationalgardeinstitut noch immer einer förmlichen Organisierung entbehrt, für die Ablehnung dieser Bitte18.

IX. Reform der „Wiener Zeitung“

Der Minister des Inneren lud den Finanzminister und den Minister der öffentlichen Arbeiten ein, wegen Reform der Wiener Zeitung, welche weder bezüglich ihrer Redaktion noch ihrer Ausstattung den Forderungen des Ministeriums entspricht, mit Zuziehung des Direktors Rambach in einem Komitee die erforderlichen Maßregeln zu beraten, welcher Aufgabe zu unterziehen sich die beiden Minister bereiterklärten19.

X. Waffenausfuhrverbot nach Italien durch die Schweiz

Der Finanzminister trug vor die Notwendigkeit der Erlassung eines Waffenausfuhrverbots nach den italienischen Staaten durch die Schweiz und zur See, nachdem dieselben mit Österreich im Kriege sind20.

XI. Zwanzig Jahre Steuerfreiheit für Neubauten in Wien

Bezüglich der Steuerfreiheit für die bis Georgii 1849 zur Gleiche des Erdgeschosses kommenden Neubauten in Wien vereinigte sich der aFinanzminister, der früher 15 Steuerfreijahre dafür für genügend gehalten hatte, mit dem Antrage des Ministers des Inneren auf 20 Jahrea,b,21.

XII. Verlängerung des Münzausfuhrverbotes

Nachdem das bestehende Münzausfuhrverbot nur noch bis Ende Juli zu gelten hat22, so gedenkt der Finanzminister auf Verlangen der Nationalbank dasselbe zwar || S. 549 PDF || noch über diesen Termin hinaus, jedoch nur auf so lange zu erstrecken, bis die Reichsversammlung, welcher diese Angelegenheit jedenfalls vorgelegt werden muß, hierüber entschieden haben wird23.

Gesehen 13. August. Hornbostl.