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Nr. 93 Ministerrat, Wien, 6. Juli 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner; BdE. Pillersdorf (7. 7.).

MRZ. 1397 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 6. Juli 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Besprechung mit der Deputation des Frankfurter Parlaments über den Reichsverweser Erzherzog Johann

Der Minister des Inneren Freiherr v. Pillersdorf teilte dem Ministerrate das Ergebnis der Besprechung mit, welche derselbe heute gemeinschaftlich mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Freiherrn v. Wessenberg und dem Minister des Handels Freiherrn v. Doblhoff mit den Frankfurter Deputierten gepflogen hat1.

Der Gegenstand dieser Besprechung war die Reise Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Johann nach Frankfurt am Main, um die Reichsverweserstelle daselbst förmlich anzutreten2, die Notwendigkeit der baldigen Zurückkunft Höchstdesselben nach Wien wegen der demnächst bevorstehenden feierlichen Eröffnung des österreichischen Reichstages3, eine Bekanntmachung an das Publikum darüber und eine dem Erwähnten angemessene Proklamation Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzoges an die Österreicher.

Die Bekanntmachung an das Publikum, welche schon morgen in der Zeitung erscheinen wird4, enthält im wesentlichen folgende Hauptgedanken: Zwei höchst wichtige Ereignisse der Gegenwart scheinen sich zu kreuzen, nämlich, daß Se. kaiserliche Hoheit Stellvertreter Ew. Majestät5 ist und daß Höchstdieselben nun auch von der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt zum deutschen Reichsverweser erwählt worden sind. Se. kaiserliche Hoheit haben beide Funktionen, welche einander nicht widersprechen und daher recht wohl nebeneinander versehen werden können, übernommen; nur die drängende Zeit erheischt Zugeständnisse. Frankfurt fordert den Reichsverweser, Österreich den Stellvertreter Ew. Majestät. Opfer müssen von beiden Seiten gebracht werden. Se. kaiserliche Hoheit der Herr Erzherzog Johann haben beschlossen, am 8. d. M. nach Frankfurt am Main sich auf eine kurze Zeit zu begeben, um daselbst die Reichsverweserstelle förmlich anzutreten, und am 18. d. M. wieder in Wien zurück zu sein, um an diesem Tage den hiesigen Reichstag (nachdem sich dieser mittlerweile konstituiert haben wird) feierlich zu eröffnen. Se. kaiserliche Hoheit werden demnach, der Zustimmung Ihres Kaisers gewiß, an dem oben genannten Tage Wien auf eine kurze Zeit verlassen. Die Minister bleiben mit Höchstdemselben fortan in ämtlicher Verbindung.

|| S. 524 PDF || Da Se. kaiserliche Hoheit wünschen, daß der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Freiherr v. Wessenberg Höchstdieselben auf Ihrer Reise nach Frankfurt begleite, welchem Wunsche willfährig entsprochen werden wird, so wird Graf Colloredo aufgefordert, die dadurch entstandene Lücke auszufüllen und das Provisorium für Baron Wessenberg einstweilen zu übernehmen6.

Die von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzog Johann aus dem erwähnten Anlasse an die Österreicher zu erlassende und eben auch morgen in der Zeitung erscheinende Proklamation wird in der Wesenheit dieselben Gedanken enthalten7.

II. Ministerielle Schritte zur Konstituierung des Reichstages

Derselbe Minister bemerkte, daß, da nunmehr bereits 200 Deputierte in Wien angekommen und sich bei der Reichstagskommission gemeldet haben, somit schon über die Hälfte der zum Reichstage zu wählenden Deputierten anwesend ist, sich diese Abgeordneten zum Reichstage konstituieren sollten8. Da sie aber in dieser Beziehung bisher noch keinen Schritt getan haben, so liege es nun dem Ministerium ob, diesfalls selbst die Initiative zu ergreifen. Dasselbe wird sonach, mit allseitiger Zustimmung der Mitglieder, Montag, dem 10. d. M., den anwesenden Abgeordneten zum Behufe der Konstituierung zum Reichstage die dazu bestimmten Lokalitäten übergeben und sie darin einführen9.

Die Anwesenheit der sämtlichen Minister bei diesem Akte der Übergabe scheint nicht notwendig und genügend zu sein, wenn dabei nur die zu Abgeordneten gewählten Minister (Baron Pillersdorf und Baron Doblhoff) intervenieren.

Diese Einleitung wird durch einen Artikel in der Zeitung bekannt gemacht und gleichzeitig die für die Vorbereitungen zum Reichstage aufgestellte Kommission und die Minister hievon ämtlich in die Kenntnis gesetzt werden10.

III. Militärische Beförderungen

Der Kriegsminister Graf Latour brachte aus Anlaß der Verstärkung der italienischen Armee um 20.000 Mann mit dem au. Vortrage vom 5. Juli d. J., Z. 2434, die Beförderung zu mehreren Generälen in Antrag11.

Dieser Beförderungsantrag, welchem der Ministerrat seine Zustimmung gegeben hat, wird seiner Dringlichkeit wegen abgesondert behandelt und Sr. kaiserliche Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Stellvertreter noch vor der Abreise nach Frankfurt zur höchsten Genehmigung vorgelegt werden12.

In Ansehung der darin vorkommenden Ungarn wird Graf Latour dem ungarischen Kriegsminister die nötige Mitteilung zu machen nicht unterlassen13.

IV. Rückkehr des Kaisers nach Wien

Der Minister des Handels, der Industrie und des Ackerbaues, Baron Doblhoff , machte endlich die Motion, Ew. Majestät bei den gegenwärtigen Verhältnissen, wo Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Johann, Stellvertreter Ew. Majestät, eine neue Bestimmung in Frankfurt erhalten haben14 und zufolge derselben nach dem oben Angeführten schon gegenwärtig Sich auf eine Zeit von Wien entfernen, neuerdings und dringend au. zu bitten, recht bald in Allerhöchstihre Residenz zurückkehren zu wollen.

Der Ministerrat wird diesfalls einen neuerlichen au. Vortrag mit der erwähnten Bitte an Ew. Majestät erstatten15.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Erzherzog Johann. Wien, den 8. Juli 1848.