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Nr. 86 Ministerrat, Wien, 28. Juni 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner; abw. Wessenberg; BdE. Pillersdorf (29. 6.).

MRZ. 1309 et 1310 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 28. Junius 1848 unter dem Vorsitze des interimistischen Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Auszeichnung Bernhard Riccabonas v. Reichenfels

Der interimistische Ministerpräsident eröffnete, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Johann Höchstsich in einer unterm 25. Juni 1848 an das Ministerium des Inneren erlassenen gnädigen Zuschrift1 dafür auszusprechen geruhten, daß der Landrichter v. Riccabona zu Ampezzo wegen seiner um die Verteidigung des Landes Tirol in den letzten zwei Monaten erworbenen besondern Verdienste und wegen der durch ihn bei vielseitigen Hindernissen erzielten günstigen Erfolge mit der großen goldenen Zivilehrenmedaille ausgezeichnet zu werden verdiene und den Behörden zur Beförderung bei angemessener Gelegenheit zu empfehlen wäre.

Der Ministerrat beschloß sofort auf die Ag. Verleihung der obangedeuteten Auszeichnung au. anzutragen2.

II. Antrag des Sicherheitsausschusses auf Suspendierung und Bestrafung Leo Graf Thuns und Fürst Windischgrätz

Aus Anlaß einer von dem Sicherheitsausschusse an das Ministerium des Inneren unterm 26. I. M. gerichteten Zuschrift3, worin darauf angetragen wird, daß der kommandierende General Fürst Windischgrätz über den beleidigenden Empfang der Deputation dieses Ausschusses in Prag und über die Vorenthaltung der ihr abgenommenen Waffen4 zur Verantwortung gezogen, und daß Fürst Windischgrätz sowohl als Graf Leo Thun wegen ihres eigenmächtigen Benehmens in den letzten Zeiten von ihren Dienstposten entfernt würden5, wurde beschlossen, daß der Kriegsminister den Fürsten Windischgrätz zur Erstattung von Aufklärungen über den Empfang der erwähnten Deputation und zur Zurückstellung der ihr vom Militär abgenommenen Säbel auffordere. Zugleich wird von demselben die Äußerung eingeholt werden, ob die weitere Fortdauer des Belagerungszustandes in Prag notwendig erscheine, da derselbe mit || S. 496 PDF || mehreren Beschränkungen der Rechte der Bürger verbunden ist und auch die Vornahme der Wahlen für die Reichstagsversammlung in Prag hemmt6.

Der Ministerpräsident wird seinerseits aus diesem Anlasse den Gubernialpräsidenten abermals über die Zulässigkeit der Aufhebung des Belagerungszustandes vernehmen, nachdem die früheren Anfragen an ihn über diesen Punkt unbeantwortet geblieben sind7.

Auf den Antrag wegen Entfernung des Fürsten Windischgrätz und Grafen Thun von ihren Dienstposten wurde vom Ministerrat, im Verfolg seines in das Protokoll der Sitzung am 25. l. M. 8 aufgenommenen Beschlusses, nicht eingegangen und wird hierüber seinerzeit dem Sicherheitsausschusse ein ablehnender Bescheid erteilt werden9.

III. Zeitungsartikel über die Lage in Lombardo-Venetien

Der Minister des Handels trug im Auftrage des Freiherrn v. Wessenberg dem Ministerrate den Entwurf eines offiziellen Zeitungsartikels über Österreichs Stellung in bezug auf die Losreißung von Venedig und Mailand und auf die Pazifikation von Italien vor10.

Der Ministerrat erklärte sich mit dem Inhalte und der Form dieses Artikels völlig einverstanden und beschloß nur über Antrag des Kriegsministers, diejenige Stelle, wo von der Geneigtheit der österreichischen Regierung zum Abschluß eines Waffenstillstandes die Rede ist, in der Art näher bezeichnend zu stilisieren, damit es nicht den Anschein habe, als sei der Antrag wegen desselben vom Feldmarschall Grafen Radetzky an König Albert ausgegangen, während diese Bereitwilligkeit zu einer Einstellung der Feindseligkeiten nur in einer Note des Ministers Baron Wessenberg an die Mailänder Regierung ausgesprochen worden ist11. Dieser Artikel wird in der ministeriellen Wiener Zeitung vom 1. Julius erscheinen12.

IV. Entwurf über die Lenkung der Regierungspresse

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate den vom Regierungsrate v. Kleyle verfaßten Entwurf der Grundzüge über die Redaktion und Oberleitung des ministeriellen Organs der Presse vor13.

|| S. 497 PDF || Das Materielle des Redaktionsgeschäfts, der Korrespondenz, dann die Auswahl und Bearbeitung von politischen Artikeln über das Ausland, wie auch von Artikeln für den Feuilleton würde Dr. Schmidl besorgen und vorderhand als einziger Redakteur erscheinen, bis er sich nach und nach aus den Mitarbeitern des Blattes einen oder den anderen ausgezeichneten Publizisten als Mitredakteurs beigesellen kann.

Der auf das Inland und die innere Politik des Ministeriums Bezug habende Teil des Blattes würde unter die Leitung eines beim Ministerium des Inneren zu bildenden eigenen Departements gestellt, woselbst sich auch die Überwachung der gesamten Journalpresse zum Behufe der weiteren Mitteilung des Bemerkenswerten an die bezüglichen Ministerien konzentrieren würde. Von diesem Büro würden die leitenden Artikel entweder selbst verfaßt oder doch die Materialien dazu den Schriftstellern geliefert und die Arbeiten der letzteren vor dem Einrücken einer Revision unterzogen. Es bliebe jedem Ministerium unbenommen, die Anfertigung von Artikeln, welche in sein Fach einschlagen, selbst zu veranlassen; allein deren wirkliche Einrückung in die Wiener Zeitung hätte stets im Wege des Zentralbüros zu geschehen, damit die nötige Übereinstimmung in der politischen Richtung der einzelnen Artikel des Blattes erhalten werde.

Um sich der Mitwirkung bedeutender publizistischer Talente zu versichern, wären die Honorare, besonders anfangs, sehr reichlich – 60 fl., 80 fl., ja selbst 100 fl. für den Druckbogen – zu bemessen.

Die Leitung dieses Büros gedächte der Ministerpräsident dem v. Kleyle, welcher alle hiezu nötigen Eigenschaften besitzt, zu übertragen, und die Auslagen würden aus den Polizeigeldern bestritten werden.

Sämtliche Minister erklärten sich mit den vorgetragenen Organisierungsanträgen einverstanden, da sie ganz geeignet erscheinen, dem Ministerium den Beistand eines gut redigierten Journals zu sichern, welcher jetzt, beim Beginnen des konstituierenden Reichstages, dringender als jemals geworden ist14.

Für den Fall Ew. Majestät dem au. Antrag des tg. Ministerrates zu Zahl I Ag. zu genehmigen geruhen, wird hier der Entwurf des entsprechenden Ah. Handschreibens angereiht.

Erzherzog Johann. Wien, den 1. Juli 1848.