MRP-1-1-01-0-18480625-P-0083.xml

|

Nr. 83 Ministerrat, Wien, 25. Juni 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner; abw. Wessenberg; BdE. Pillersdorf (26. 6.).

MRZ. 1259 et 1260 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 25. Junius 1848 unter dem Vorsitze des interimistischen Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Proklamation über die Reichstagseröffnung und die Regierungsführung durch Erzherzog Johann

Der Minister Baron Doblhoff eröffnete die Sitzung mit der Verlesung der von ihm nach den gnädigen Andeutungen Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Johann entworfenen Proklamation Höchstdesselben an die Völker Österreichs über die von Sr. Majestät dem Kaiser erhaltenen Aufträge zur Eröffnung des Reichstages und zur einstweiligen Führung der Regierungsgeschäfte1.

Nachdem der Ministerrat sich mit dem Inhalte dieses Entwurfes vollkommen einverstanden erklärt hatte, wurde die höchste Genehmigung desselben sofort eingeholt und die Drucklegung der Proklamation zu deren Kundmachung in Wien wie auch die Verlautbarung in den Provinzen eingeleitet2.

II. Finanzielle Hilfe für Kroatien

Der Finanzminister teilte den Inhalt eines Schreibens des Vizebanus von Kroatien v. Lentulay mit3, worin derselbe dringend bittet, daß dem Defizit der dortigen Landeskasse durch Verläge aus den Zentralfinanzen des Kaiserstaates abgeholfen werden möchte, da die vom ungarischen Finanzministerium getroffenen Gelddispositionen bisher keinen Erfolg hatten und der Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Kroatien und Ungarn vor der Türe sei.

Hierüber wurde beschlossen, dem v. Lentulay zu erwidern, daß seinem Ansinnen nicht willfahrt werden könne, indem die österreichischen Finanzen seit dem 11. April l. J. gesetzlich aus allem Zusammenhange mit den Finanzen Ungarns und seiner Nebenländer getreten seien4. Gegen die Willfahrung des vom Vizebanus weiters vorgebrachten Ansuchens um fortgesetzte Abgabe von Istrianer Salz an die kroatischen Salzämter wurde jedoch kein Anstand erhoben, um keinen Mangel an diesem Lebensbedürfnisse || S. 478 PDF || entstehen zu lassen, und wird über die Vergütung der Erzeugungskosten seinerzeit mit dem ungarischen Finanzministerium die Abrechnung gepflogen werden5.

III. Bedrohliche politische Lage in Kroatien

Der Kriegsminister las einen Bericht des FML. Dahlen aus Agram6 über den Eindruck vor, welchen das von Sr. Majestät am 10. l. M. aus Innsbruck erlassene Ah. Manifest an die Kroaten und Slawonier hervorgebracht hat7. Es wurde nämlich sofort eine außerordentliche Landtagsversammlung in Agram abgehalten, wobei sich die Unzufriedenheit und Leidenschaft auf das heftigste äußerte, die Absendung einer Deputation wegen wiederholter Einsetzung des Banus Jellačić, die Zurückberufung der in Italien dienenden Kroaten zur Verteidigung des Vaterlandes gegen die Ungarn, ein Aufruf an die Serben, Bosnier, Montenegriner und Tschechen zur Hülfeleistung gegen die Unterdrücker der Nationalität und noch mancherlei andere exzentrische Anträge zur Sprache kamen, von denen viele durch den Landtag auch angenommen wurden8. Nach der Meinung des FML. Dahlen ist hier schnelles Eingreifen von der Regierung nötig, wenn es nicht zum äußersten kommen soll. Mit diesem Berichte stimmen die Auskünfte, welche der gewesene Obergespan Baron Kulmer dem Kriegsminister heute mündlich erteilt hat, vollkommen überein.

Der Minister Baron Doblhoff teilte den Inhalt eines Schreibens vom Freiherrn v. Jellačić9 mit, worin letzterer den stattgefundenen Konflikt bei Karlowitz10 bedauert und andeutet, wie dringend es sei, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Johann das Höchstdemselben von Sr. Majestät Ag. anvertraute Amt eines Vermittlers zwischen Kroatien und dem ungarischen Ministerium baldmöglichst zu üben geruhen.

Es wurde vom Ministerrate einstimmig anerkannt, daß er sich einer schweren Verantwortung aussetzen würde, wenn er in einer für das Wohl der Gesamtmonarchie so wichtigen Angelegenheit nicht durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel im geeigneten || S. 479 PDF || Wege alles versuchen würde, um zu hindern, daß nicht ein Bürgerkrieg ausbreche, wo österreichische Truppen in zwei Lagern einander feindlich gegenüberstünden, ein Bürgerkrieg, der in dem gegenwärtigen Zeitpunkte, wo nationale Sympathien und Antipathien allenthalben auf die Spitze getrieben werden, leicht zu einer Brandfackel für alle slawischen Volksstämme werden könnte.

Das österreichische Ministerium sei zum Einschreiten in dieser Angelegenheit selbst durch eine an dasselbe gerichtete Petition des serbischen Volkes aufgefordert worden11. Baron Doblhoff übernahm es, nach reiflicher Erwägung der obwaltenden Verhältnisse, über den vom österreichischen Ministerium einzuschlagenden Gang und über die Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Johann zu erstattenden ehrerbietigen Anträge in dieser Angelegenheit einen Vorschlag zu erstatten12, und der Ministerrat behielt sich auch vor, sofort unter einem in Überlegung zu nehmen, auf welche Weise den vom Grafen Latour in seinem au. Vortrage vom 20. Junius 184813, dargestellten Übergriffen des ungarischen Ministeriums im Fache des Kriegswesens zu steuern sei14.

IV. Antrag des Sicherheitsausschusses auf Suspendierung und Bestrafung Leo Graf Thuns

Der Wiener Sicherheitsausschuß hat sich an den Minister des Inneren mit einer schriftlichen Eingabe gewendet15, worin er in Antrag bringt, daß Graf Leo Thun und alle übrigen Beamten, welche an der Bildung der provisorischen Regierung zu Prag Anteil genommen haben16, suspendiert und wegen dieser eigenmächtigen und strafbaren Handlung in Anklagestand versetzt würden.

Der interimistische Ministerpräsident bemerkte, es handle sich hier um Beschlüsse über zwei Fragen: a) was ist dem Sicherheitsausschusse über seine Eingabe zu erwidern, und b) was ist in merito zu tun? Nach der Meinung des Freiherrn v. Pillersdorf wäre dem Sicherheitsausschusse die Versicherung zu geben, daß das Ministerium seine Pflichten in dieser Angelegenheit wohl erkenne und sie auch zu erfüllen wissen werde17. Über die Frage b) sprach sich der Ministerpräsident dahin aus, daß ihm der gegenwärtige Augenblick nicht der geeignete erscheine, um gegen den Grafen Leo Thun wegen der von ihm eigenmächtig vorgenommenen Bildung einer provisorischen Regierung eine Suspension oder in Anklagestandversetzung zu verfügen.

|| S. 480 PDF || Die blutige Katastrophe von Prag ist kaum beendigt und dort noch eine große Gärung vorhanden18. Die Enthüllung einer weitverzweigten Verschwörung befindet sich im Zuge. Der Wechsel in der Person des Gubernialpräsidenten könnte jetzt leicht das Resultat der Nachforschungen über die Fäden des Komplotts vereiteln, ja selbst neue Krisen hervorrufen. Andererseits wäre man bei der beschränkten Auswahl unter den Kandidaten für diesen Posten wirklich in Verlegenheit um einen geeigneten Nachfolger für Graf Leo Thun, und doch müsse man eines solchen versichert sein, bevor man mit der Suspension vorgehen könne.

Da endlich die Akte der provisorischen Regierung sich bloß allein auf ihre Konstituierung beschränkten und auch selbst dabei die Ratifikation Sr. Majestät vorbehalten wurde, so erscheint die Schuld des Gubernialpräsidenten und der übrigen Beteiligten in einem minder ungünstigen Lichte und jedenfalls von der Art, daß das Ministerium – nachdem es die Rüge des Vorgefallenen bereits ausgesprochen hat – füglich abwarten könne, bis sich die Prager Verhältnisse mehr konsolidiert und aufgeklärt haben, bevor es gegen die Glieder der provisorischen Regierung etwas weiteres verfügt.

Der Kriegsminister äußerte , alle die Gründe, welche das Einschreiten gegen Graf Thun im jetzigen Augenblicke nicht rätlich machen, sprächen noch in weit höherem Grade für den Kommandierenden Fürsten Windischgrätz, welcher sich der provisorischen Regierung der letzte anschloß, dabei aber die Unterordnung unter das Kriegsministerium fortgesetzt beobachtete und mit demselben in Verbindung blieb. Jeder Schritt gegen Fürst Windischgrätz von Seite des Ministeriums würde von der Gegenpartei sogleich als eine Rüge seines Benehmens während des Prager Aufruhrs betrachtet werden und seine Stellung daselbst – mittelbar daher auch jene der Regierung – schwächen.

Sämtliche Minister erklärten sich mit den Anträgen des Ministerpräsidenten und des Kriegsministers völlig einverstanden19.

V. Vergütung der Naturalleistungen in der Steiermark

Der Ministerpräsident überreichte seinen au. Vortrag vom 22. Juni 1848 20, worin er darauf anträgt, daß, dem neuerlichen Ansuchen der steiermärkischen Stände gemäß, Ah. ausgesprochen werde, die im Patente vom 11. April 1848 21 genannten Naturalleistungen seien auch für das Jahr 1848 nach jenem Maßstabe und nach jenen Bestimmungen zu reluieren, welche in dem für Steiermark zu erlassenden allgemeinen Ablösungsgesetze werden festgesetzt werden – unbeschadet freiwilliger Übereinkommen und bestehender Verträge22.

Der Ministerrat vereinigte sich mit diesem au. Antrage23.

VI. Stenographen für den Reichstag

Der Ministerpräsident machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Stenographen für den konstitutionellen Reichstag zu bestellen. Das Bedürfnis ist unabweisbar und eine Vorkehrung mit Rücksicht auf den nahen Zeitpunkt der Reichstagseröffnung dringend. Bis jetzt sind zwei Anträge von Stenographen gemacht worden. Der eine vom Advokaten Krause zu Dresden, welcher die erforderliche Zahl von sieben Stenographen, dann die Kopisten unterhalten und das Geschäft in Gang erhalten will, wogegen er 1630f. monatlich für das Personal, dann einen fixen Gehalt von 1200f. nebst 6f. tägliche Diäten während des Reichstags für sich und noch eine Anstellung für seinen Bruder zur Bedingung macht. Der Professor der Stenographie am Polytechnischen Institute Heger würde sich dagegen für das ganze Geschäft nur eine Pauschalsumme von 1600f. monatliche bedingen.

Der Ministerrat beschloß von diesem letzteren, bei weitem minder kostspieligen Antrage Gebrauch zu machen, in der Voraussetzung, daß die Stenographen Hegers bei der mit ihnen vorzunehmenden praktischen Probe vollkommen entsprechend befunden werden24.

VII. Unterstützung der „Constitutionellen Donau-Zeitung“

Infolge eines Ministerratsbeschlusses hat der Regierungsrat Hock die Herausgabe der Constitutionellen Donau-Zeitung im Sinne der Regierung gegen einen Redaktionsbeitrag von 5000 fl. jährlich übernommen25. Dieses Verhältnis wurde in der Folge wieder aufgelöst, und Hock ist von der Redaktion gänzlich abgetreten26. Der Verleger dieses Journals – der Wiener Buchhändler J. Klang – hat nun gebeten, daß die Subvention der Regierung für die konstitutionelle Donauzeitung, von welcher bloß das erste Quartal ausbezahlt worden ist, weiter flüssig erhalten und ihm für das ganze erste Jahr im vorhinein bezahlt werde27. Klang glaubt, diese fortgesetzte Zahlung nach Rechtsgrundsätzen ansprechen zu können, und macht außerdem geltend, daß dieses Journal, welches durch seine gemäßigten und gediegenen Artikel auf die öffentliche Stimmung sehr wohltätig gewirkt habe, ohne diese Beihilfe eingehen müsse, da es nur 550 Pränumeranten habe.

Nach genauer Prüfung des mit Dr. Hock geschlossenen Übereinkommens erkannte der Ministerrat, daß dieses Übereinkommen, bei welchem Klang gar nicht beteiligt war, in einer Art gelöst worden sei, daß dem Verleger der Constitutionellen Donauzeitung daraus nicht der geringste Anspruch auf eine fortgesetzte Entschädigung oder Subvention erwachsen könnte. Indessen glaubte doch der Ministerrat, daß dem Bittsteller aus Billigkeitsrücksichten und in Anbetracht der guten Tendenz seines Blattes noch eine Quartalsrate per 1250 fl. zu erfolgen wäre. Der Finanzminister war aber des Erachtens, daß, wenn schon noch eine weitere Zahlung stattfindet, dieselbe auch füglich || S. 482 PDF || unter dem Betrage einer Quartalsquote bemessen werden könnte, da dem Klang durchaus kein Rechtsanspruch zur Seite steht28.

Für den Fall Ew. Majestät den zur Zahl V des gegenwärtigen Protokolls gestellten au. Antrag Ag. zu genehmigen geruhen, wird der Entwurf der entsprechenden Ah. Resolution hier beigerückt.

Ah. E. Ich habe den Inhalt des vorliegenden Protokolles zur Wissenschaft genommen. Erzherzog Johann. Wien, den 28. Juni 1848.