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Nr. 82 Ministerrat, Wien, 24. Juni 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Pillersdorf; anw. Wessenberg, Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner; BdE. Pillersdorf (25. 6.).

MRZ. 1237 et 1238 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 24. Juni 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Gesundheitsbesserung des Kaisers

Der provisorische Ministerpräsident Freiherr v. Pillersdorf eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung der erfreulichen, von dem Gouverneur in Innsbruck erhaltenen Nachricht, daß sich die Gesundheit Ew. Majestät fortan bessere1.

II. Ankunft Erzherzog Johanns in Wien

Derselbe teilte dem Ministerrat mit, daß der Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Johann entgegengesendete Hofrat Böhm2 mit Höchstdemselben in Vordernberg zusammengetroffen sei und sich die höchsten Befehle Sr. kaiserlichen Hoheit erbeten habe. Nach dem Schreiben des Hofrates Böhm werden Se. kaiserliche Hoheit erst heute, aber ganz incognito, ankommen, heute niemanden mehr sehen, es sei denn, der Freiherr v. Pillersdorf wolle nach 7 Uhr zu Höchstdenselben kommen3.

Freiherr v. Pillersdorf wird diesem höchsten Befehle Folge leisten und sich zugleich die Weisung erbitten, ob das Ministerium nicht morgen Sr. kaiserlichen Hoheit die ehrfurchtsvolle Aufwartung machen könnte. Ferner wird er die Bitte stellen, wann Se. kaiserliche Hoheit die Chefs der Nationalgarde, den kommandierenden Generalen und die beiden Ausschüsse4 zu empfangen geruhen. Sr. kaiserlichen Hoheit wird ein Ordonnanzoffizier der Garnison und einer der Nationalgarde beigegeben werden. Ferner wird die höchste Weisung eingeholt werden, ob und an welchen Tagen die Garnison und die Nationalgarde der Revue Sr. kaiserlichen Hoheit unterzogen werden sollen, was insbesondere dem Wunsche der letzteren entsprechen würde, um hierdurch ihre Kraft zeigen und entwickeln zu können.

|| S. 472 PDF || Die Geschäftsverbindung mit Sr. kaiserlichen Hoheit wäre übrigens in der Art wie bei Ew. Majestät durch die tägliche Vorlage der Ministerratsprotokolle und anderer Gegenstände einzuhalten5.

III. Militärische Bewachung des Kaisers in IschI

Der Kriegsminister Graf Latour brachte eine an ihn gelangte Anfrage des Grafen Ladislaus Wrbna6, Divisionärs zu Salzburg, zur Sprache, welcher sich die Weisung erbittet, ob die zur Ehrenwache Ew. Majestät in Ischl bestimmten zwei Kompanien Militär dahin abgehen gemacht werden sollen oder nicht7. Er bemerkt, daß die Ischler und die dortigen Salinenarbeiter mit dieser ein Mißtrauen gegen sie an [den] Tag legenden Verfügung unzufrieden seien, als ob Ew. Majestät Sich in ihrer Mitte ohne sonstige Bedeckung nicht hinreichend sicher glauben würden.

Der Minister Baron Doblhoff führte zur näheren Aufklärung hinsichtlich der erwähnten Ehrenwache folgendes an: Ischl sei nicht der Ort des Vorschlages der in Innsbruck anwesenden Minister gewesen, sondern Persenbeug. Da jedoch dieser letztere Ort Wien zu nahe zu sein schien und auf Ischl hingewiesen wurde, so fanden die Minister dagegen unter der Bedingung nichts zu erinnern, daß das nötige Militär dahin zur Sicherheit Ew. Majestät, für welche die Minister einzustehen haben, beordert werde. Sie bemerkten gleichzeitig, daß Ischl ein Badeort sei, der, zumal in Sommerszeit, gleichsam das Privilegium habe, von der Militäreinquartierung freigehalten zu werden, daß daher die Militärehrenwache in einer Art dahin zu ziehen wäre, welche jede Aufregung beseitigt, daß demnach nur ein Teil nach Ischl zu kommen hätte und dort in einem gemieteten Hause zu unterbringen wäre, der übrige Teil wäre dagegen in Gmunden und in Ebensee für einen vorkommenden Bedarf zurückzubehalten. Graf Wrbna scheint daher nicht im klaren zu sein, wenn er glaubt, daß das sämtliche zur Ehrenwache für Ew. Majestät bestimmte Militär nach Ischl zu kommen hätte. Sollte es daher dennoch zu einer Reise Ew. Majestät nach Ischl kommen, so wäre es in Ansehung der Ehrenwache in der erwähnten, keineswegs aufregenden Art zu halten, und Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Karl, welche ohnedies den Wunsch ausgesprochen haben, von dem Ministerium über die Regierungeschäfte kurze Berichte zu erhalten, um in der Kenntnis der Verhandlungen erhalten zu werden, davon in Kenntnis zu setzen, daß nur ein Teil des Militärs zur Ehrenwache nach Ischl kommen werde.

Der Minister des Kriegswesens Graf Latour wird den Grafen Wrbna anweisen, es vorderhand von jeder weiteren Disposition abkommen zu lassen, im eintretenden Falle aber sich in der oberwähnten Art zu benehmen8.

IV. Grundsätze für die Robotentschädigung in Mähren

Der Minister des Inneren Freiherr v. Pillersdorf brachte hierauf den Beschluß des mährischen Landtages in Erinnerung, nach welchem die Naturalrobot schon von jetzt an gegen eine vom Landtage auszumittelnde Entschädigung aufzuhören || S. 473 PDF || hat, welchen Beschluß der Ministerrat der Ah. Sanktion Ew. Majestät unterlegt hat, und welche Allerhöchstdieselben bereits zu erteilen geruhet haben9. Gegenwärtig handelt es sich um die Ausmittlung der Grundsätze dieser Robotentschädigung.

Der mährische Landtag hat vier Klassen festgesetzt10 , in welche jeder Zug- und Handrobottag gereiht werden soll. Hiernach soll ein einspänniger Zugtag in der ersten Klasse 4 1/2 Kreuzer, in der vierten Klasse 2 1/2 Kreuzer, ein zweispänniger Zugtag in der ersten Klasse 7 Kreuzer, in der vierten Klasse 4 Kreuzer, ein vierspänniger Zugtag in der ersten Klasse 10 Kreuzer, in der vierten Klasse 6 Kreuzer, und ein Handrobottag, für welche Gattung Robot nur drei Klassen aufgestellt worden sind, in der ersten Klasse 3 Kreuzer und in der dritten Klasse 1 Kreuzer kosten. Die Art der Einteilung der Gemeinden in diese Klassen und die sonstigen Bestimmungen sollen in einer eigenen nachträglichen Verhandlung ausgemittelt werden. Gegenwärtig handelt es sich bloß um die Genehmigung des Grundsatzes, daß nach diesen vier beziehungsweise drei Abstufungen vorgegangen werden solle.

Dem Minister des Inneren, welchem der Ministerrat beistimmte, scheint es bedenklich, eine so wichtige Bestimmung wie diese vor dem Reichstage und ohne diesen zu treffen oder in Antrag zu bringen, da vielmehr auf dem Reichstage ein Gesetz über solche Entschädigungen zu erlassen sein wird.

Der Ministerrat erlaubt sich dieses zur Ah. Kenntnis Ew. Majestät mit dem Beisatze zu bringen, daß sich gegenwärtig in keine Entscheidung über diesen Antrag des mährischen Landtags einzulassen, diesem vielmehr die Weisung zu erteilen wäre, ein vollständiges Robotentschädigungsgesetz für die Provinz zu bearbeiten und dasselbe im Wege des Ministeriums zur Vorlage bei dem Reichstage zu bringen11.

V. Feierlichkeiten im Küstenland anläßlich der Auszeichnung Franz Graf Gyulais

Derselbe Minister teilte dem Ministerrate eine Anzeige des küstenländischen Gouverneurs Grafen Salm12 mit, nach welchem die dortige Bevölkerung dem kommandierenden Grafen Gyulai, um ihm ihre Achtung und Erkenntlichkeit zu bezeigen, einen großartigen Fackelzug gebracht hat, wozu die Ah. Verleihung des St. Stephansordens an den Gefeierten den Anlaß gab13. Es herrschte ein großer Jubel in der Stadt, die Volkshymne wurde gesungen, „Lebehoch“ wurden dem Gefeierten und anderen Autoritäten gebracht und „Viva Trieste coll’Austria“ gerufen. Auch wurde den Kroaten ein „Hoch“ gebracht.

Diese Manifestation wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, um Venedig zu zeigen, welche Gesinnung in Triest herrsche14.

VI. Beschluß des Frankfurter Bundestages, Truppen zum Schutz der Deutschen in Böhmen zu entsenden

Ferner zeigte dieser Minister an, daß nach einer von dem niederösterreichisch-ständischen Verordneten Ritter v. Schmerling von Frankfurt erhaltenen Zuschrift15 der Frankfurter Bundestag beschlossen habe, die Regierungen von Preußen, Sachsen und Bayern anzugehen, zum Schutze des Eigentums und der Personen der Deutschen in Böhmen auch durch Truppen die entsprechende Hilfe zu leisten16.

Baron Pillersdorf glaubt dieses Schreiben mit dem Beisatze zu verdanken, daß man sich vorbehalte, von der erwähnten Hilfe Gebrauch zu machen, wenn der Bedarf eintreten sollte; gegenwärtig sei aber die Ruhe in Böhmen durch die hierländigen Behörden bereits hergestellt worden und der Fall einer Hilfeleistung nicht vorhanden17. Gleichzeitig wird dem Gubernialpräsidenten Grafen Leo Thun eine Abschrift jenes Schreibens zu dem Ende zugefertigt, dahin zu wirken, daß jene allerdings einen lästigen Eindruck für Böhmen enthaltende Aufforderung im Lande nicht mißverstanden werde18.

VII. Reichstagswahlen in Galizien

Ferner brachte der Minister des Inneren eine aus Galizien erhaltene Notiz19 über die dortigen Deputiertenwahlen zu dem bevorstehenden Reichstage in Wien zur Kenntnis des Ministerrates. Es geht daraus hervor, daß in den acht Bezirken eines Kreises vier Bauern und in zweien dieser acht Bezirke der Gouverneur Graf Stadion zu Abgeordneten gewählt worden sind. Was diese letzteren zwei Wahlen betrifft, so hat der die Wahl überwachende Kreiskommissär die Unregelmäßigkeit begangen, statt den Gouverneur (welcher allerdings abwesend und weit entfernt war) zu fragen, welchen Bezirk er vertreten wolle, ihm einen Bezirk zuzuweisen und für den anderen sogleich wieder die Wahl auszuschreiben.

Da es übrigens dem Gouverneur Grafen Stadion gleichgiltig sein dürfte, welchen Distrikt er vertritt, so wird der Minister des Inneren ihn bestimmen, für den ihm zugedachten Bezirk als Abgeordneter einzutreten20.

VIII. Stellungnahme Wessenbergs zum Protest Radetzkys gegen Waffenstillstandsverhandlungen

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Freiherr v. Wessenberg besprach hierauf die italienischen Angelegenheiten. Er bemerkte, daß der Feldmarschall Graf Radetzky durch den Fürsten Schwarzenberg die Gründe darstellen ließ, sich gegenwärtig in keinen Waffenstillstand, noch weniger in eine Friedensunterhandlung einzulassen21.

|| S. 475 PDF || Diese Gründe sind im wesentlichen folgende:

1. Unsere Armee habe in ihrer gegenwärtigen Stellung vom Könige Albert nichts zu besorgen, in ihrer jetzigen Lage könne und werde er sie nicht angreifen, daher bestehe faktisch wirklich ein Waffenstillstand.

2. Würde sich der Feldmarschall um 25.000 Mann verstärken können, so wäre er in der Lage, den König Albert entweder zu delogieren oder ihm eine solche Schlappe beizubringen, daß der Friede auf dem lombardischen Boden mit dem möglichst größten Vorteile für uns unterhandelt werden könnte.

3. Den Waffenstillstand vor einer glänzenden Waffentat auf unserer Seite zu unterhandeln, würde einen sehr üblen Eindruck auf unsere Armee machen.

Diese Gründe unterstellte der Feldmarschall der weiteren Würdigung.

Baron Wessenberg deutete dagegen die politischen Gründe an, durch welche sich das Ministerium veranlaßt findet, die baldige Lösung der italienischen Frage zu wünschen. Es sind:

a) Der Finanzzustand der österreichischen Monarchie, der es nicht zuläßt, lange Zeit noch bedeutende Auslagen auf diesen Krieg zu machen, und das Streben, unseren Kredit zu heben.

b) Die Schwierigkeit, es vor dem Reichstage zu verantworten, großen Aufwand an Geld und Menschen zur Eroberung eines Landes zu machen, auf welches man in thesi bereits verzichtet hat. Ein großer Schlag in der Lombardie wäre allerdings ruhmvoll, könnte aber wieder manche andere Komplikationen zur Folge haben, wie z. B. daß Frankreich, wenn man auf der Wiedereroberung der Lombardie beharren wollte, den Lombarden materielle Hilfe leisten würde.

c) Der Rückblick auf die inneren Zustände der Monarchie, deren einzelne aufgeregte Provinzen selbst die Anwesenheit vieler Truppen notwendig machen.

Mittlerweile seien zwar, bemerkte Baron Wessenberg, Umstände eingetreten, welche zum Vorwande dienen könnten, den Waffenstillstand hinzuhalten. Außer den Erfolgen unserer Waffen im Venetianischen hat die provisorische Regierung in Mailand die Vereinigungsakte der Lombardie mit Piemont dem Könige Albert angetragen22, wodurch die Stellung dieser Regierung und des Königs wesentlich geändert worden ist. Der König Albert hat zwar dieses Anerbieten noch nicht angenommen, sondern dasselbe an seinen Ministerrat in Turin gewiesen, aber wahrlich nicht aus gutem Willen, sondern um vorläufig zu sehen, wie Frankreich diese Vereinigung aufnehmen würde, dem ebenso wie Österreich daran liegt, daß sich keine große Macht in Oberitalien bilde. Wenn man demnach imstande wäre, die Armee in Italien in der gewünschten Art zu verstärken, so würde der Minister der auswärtigen Angelegenheiten allerdings meinen, daß mit dem Waffenstillstande und den Unterhandlungen hingehalten werden könnte. Derselbe wird übrigens darüber einen eigenen Vortrag zur Beratung des Ministerrates und sohiniger Ah. Sanktion23 bringen, was übrigens nicht hindert, militärische Verstärkungen für Italien in Gang zu setzen.

|| S. 476 PDF || Der Kriegsminister bemerkte, daß er für die vom Feldmarschall begehrte Verstärkung von 20.000 Mann (denn nur so viel habe Graf Radetzky verlangt) bereits gesorgt habe, die aus Galizien, Böhmen und Kroatien genommen werden können24. Ferner werde er 40 Kanonen nachsenden25. Durch die schleunige Abrückung dieser Truppen nach Italien werde der Feldmarschall in den Stand gesetzt, noch früher einen Schlag gegen den König Albert zu führen, als die über den Po gegangenen 20.000 werden wieder zu Hilfe kommen können.

IX. Unterstützung der „Constitutionellen Donau-Zeitung“

Der Minister des Handels etc. Baron Doblhoff hat ein von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Franz Karl erhaltenes Gesuch des Verlegers der Constitutionellen Donauzeitung, Buchhändlers Klang, um Unterstützung bei Herausgabe dieser Zeitung26, nachdem das Verhältnis des Ministeriums zu dem früheren Redakteur der Constitutionellen Donauzeitung, Regierungsrat Hock, gänzlich aufgelöst worden ist27, dem Minister des Inneren, Baron Pillersdorf, zur Erledigung übergeben28.

X. „Wiener Zeitung“ als Regierungsorgan

Der Minister der öffentlichen Arbeiten Andreas Baumgartner brachte endlich zur Kenntnis des Ministerrates, daß seine bisherigen Verhandlungen mit Häusler, Stubenrauch und Tomaschek wegen Übernahme der Redaktion der Wiener Zeitung als ministerielles Blatt29 zu keinem Resultate geführt haben. Alle sind zurückgetreten, Tomaschek unter Anführung des Grundes, daß er an der bisherigen Redaktion der Wiener Zeitung in ihrer jetzigen Gestalt, wo sie gegen das Ministerium war, Anteil genommen habe und nun ohne Inkonsequenz nicht für das Ministerium sein könne. Bei diesen Umständen komme es, bemerkt Minister Baumgartner, darauf an, jemanden zu finden, der keine bestimmte Färbung noch an den Tag gelegt hat, übrigens von einer hochstehenden politischen Bildung ist. Er wird diese Verhandlung mit anderen Männern (Schmidl, Perthaler) fortsetzen und das Resultat zur Kenntnis und Genehmigung des Ministerrates bringen30.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient Mir zur Wissenschaft. Erzherzog Johann. Wien, den 27. Juni 1848.