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Nr. 68 Ministerrat, Wien, 11. Juni 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner; abw. Doblhoff, Wessenberg; BdE. Pillersdorf (12. 6.), Franz Karl (16. 6.).

MRZ. 977 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 11. Juni 1848 unter dem Vorsitze des interimistisch mit dem Präsidio des Ministerrates beauftragten Ministers des Inneren Baron Pillersdorf.

I. Schreiben Doblhoffs vom 7. 6. 1848

Das Schreiben des am Ah. Hoflager verweilenden Ministers Baron Doblhoff de dato Innsbruck vom 7. Juni hat keinen Anlaß zu einer Erinnerung dargeboten1.

II. Beschäftigung von Arbeitern

Der Minister der öffentlichen Arbeiten kündigte an, daß er aus Anlaß einer ihm soeben zugekommenen Eingabe des Wiener Sicherheitsausschusses, worin wegen bevorstehender neuerlicher Entlassung zahlreicher Arbeiter aus vielen Fabriken um baldigste Aktivierung mehrerer öffentlicher Arbeiten, namentlich der Bauten über den Semmering, gebeten wird2, auf die Modalitäten der Beschäftigung für diese Leute vordenken müsse und seine Anträge in der nächsten Ministerratssitzung erstatten werde3.

III. Kommunikation zwischen Ministerrat und den österreichischen Vertretern im Frankfurter Parlament

Derselbe fand sich auch zu der Bemerkung veranlaßt, daß es sehr wünschenswert wäre, wenn der Ministerrat von den Vorgängen auf dem Frankfurter Parlamente, worüber derselbe bisher immer in offizieller Unkenntnis sich befunden hat, durch ein verläßliches Organ in die Kenntnis und mittelst desselben in die Lage gesetzt würde, den österreichischen Vertretern zu Frankfurt etwa erforderliche Andeutungen und Weisungen über die Richtung, die sie verfolgen möchten, erteilen zu können.

Der Minister des Inneren erinnerte hierauf, er habe bereits früher im Ministerratsprotokolle vom 13. Mai 1848, Z. 7754, in gleicher Tendenz den Antrag auf Bestellung eines eigenen Komitees für die Frankfurter Parlamentsangelegenheiten gestellt, dem jedoch keine weitere Folge gegeben wurde; und der Justizminister setzte || S. 407 PDF || hinzu, daß derlei Kommunikationen zwischen dem Ministerrate und den Frankfurter Abgeordneten wohl nur durch den Minister des Äußern vermittelt werden können, und zwar sowohl der Natur der Angelegenheit nach, als auch, um Kreuzungen zu vermeiden, die sehr leicht eintreten könnten, wenn solche Kommunikationen sowohl von Seite des für den Ministerrat bestellten Organs als auch, und zwar getrennt, von Seite des Ministeriums des Äußern stattfänden5.

IV. Verstärkung der Armee in Italien durch die Hälfte des für Deutschland aufgestellten Bundeskontingents

Der ungünstige Ausgang der vom Feldmarschall Grafen Radetzky versuchten Unternehmung gegen das piemontesische Heer und der Fall von Peschiera6 machen nach der Bemerkung des Kriegsministers eine abermalige Verstärkung des Feldmarschalls dringend nötig. Die Aufstellung der 35 Reservebataillons geht sehr langsam vor sich7. Glücklicherweise machen die fortwährend friedlichen Versicherungen Frankreichs gegenüber von Deutschland für den gegenwärtigen Augenblick eine Verminderung des Bundeskontingents per 20.000 Mann8 um die Hälfte möglich, so daß der Kriegsminister unter Zustimmung der übrigen Minister aus den Truppen in Böhmen und Mähren 10.000 Mann samt Geschütz (mit Vorbehalt ihres Ersatzes aus den in der Aufstellung begriffenen Reservebataillons) schleunigst unter einem nach Italien beordert und sich hierzu in dem beiliegenden Vortrage vom 11. Juni 1848 die Ah. Ermächtigung dazu erbittet9.

V. Scheitern der Mission Eugen Freiherr v. Philippsbergs

Der Minister des Inneren verlas eine Zuschrift des Konferenzrates Baron Lebzeltern10 mit einem Schreiben des in einer vertraulichen Mission nach Mailand abgesandten v. Philippsberg11, worin derselbe das gänzliche Mißlingen seiner Sendung und seine wegen Mangels an gehöriger ämtlicher Beglaubigung als Parlamentär erfolgte Verhaftung anzeigt.

Es scheint, daß v. Philippsberg seinen Charakter, der bloß jener eines Privatagenten war, verkannt und nicht mit der gehörigen Vorsicht gehandelt habe. So wünschenswert es übrigens ist, ihn aus seiner dermaligen Verlegenheit zu befreien, so befindet sich doch der Ministerrat nicht in der Lage, für ihn etwas zu tun, sondern muß dessen Berücksichtigung lediglich dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten anheimstellen, nachdem dieser bereits durch Baron Lebzeltern unter Mitteilung einer Abschrift des Schreibens Philippsbergs von dieser Angelegenheit in die Kenntnis gesetzt worden ist12.

VI. Wahl des Hugo Fürsten Salm-Reifferscheidt zum mährischen Landtagspräsidenten

Der Minister des Inneren übergab seinen Vortrag vom 9. Juni 1848, KZ. 1890, wegen Bestätigung der auf den Fürsten Salm gefallenen Wahl zum mährischen Landtagspräsidenten13.

Dagegen ist nichts zu erinnern, bemerkenswert aber – bei den itzt überall vorherrschenden demokratischen Tendenzen – die Tatsache, daß der Fürst unter 216 Stimmen 210 erhalten hat14.

VII. Ernennung des griechischkatholischen Erzbischofs von Lemberg zum Primas der Königreiche Galizien und Lodomerien

Ebenso wurde der Antrag des Ministers des Inneren vom 6. Juni 1848, KZ. 218515, wegen Ernennung des griechisch-katholischen Erzbischofs von Lemberg, Michael Lewicki, zum Primas des Königreichs als zur Ah. Genehmigung geeignet erkannt16.

VIII. Administrative Teilung Galiziens

Die Abreise des Gouverneurs von Galizien, Grafen v. Stadion, zur Erfüllung einer höheren Mission17 haben den Minister des Inneren bestimmt, die schon früher gepflogenen Verhandlungen über eine organische Änderung in diesem Lande, namentlich über dessen Teilung in zwei Gouvernementsgebiete18, wieder aufzunehmen. Im Grundsatze bereits Ah. genehmigt19, ist diese Maßregel nunmehr, da Graf Stadion, dessen außerordentlicher Tatkraft bisher die Leitung der ganzen Provinz gelingen konnte, abgetreten, zur dringenden Notwendigkeit geworden. Zwar hat sich der hierüber vernommene Hofrat Zaleski gegen die Teilung des Landes ausgesprochen und erklärt, daß sie eine ungünstige Stimmung erzeugen würde, indem die Regierung durch die Spaltung der Kräfte der Nation Mißtrauen gegen dieselbe an den Tag lege. Allein die Kraft des Landes, die bisher der Regierung feindlich war, zu brechen, ist hier wohl die entscheidendere Rücksicht, und der Minister des Inneren gedenkt daher, die Trennung des Landes in zwei Gubernialgebiete, Lemberger und Krakauer mit je zwölf und acht Kreisen, jedoch vorderhand nur in der inneren Verwaltung, also mit Ausschluß der ständischen Kredits-, Kameral- und Gerichtsinstitutionen, zur allsogleichen Ausführung bei Ew. Majestät in Antrag zu bringen.

Der hierüber um seine Wohlmeinung befragte Finanzminister Baron Krauß erklärte sich hiermit vollkommen einverstanden. Die vom Hofrate Zaleski aus dem politischen Standpunkte erhobene Einwendung gegen die Teilung verliert ihr Gewicht durch die bekannte Tatsache, daß die Polen selbst sehr gut wissen, daß keine Teilung ihr Nationalgefühl geschwächt hat. Überwiegend aber sind hier die administrativen Rücksichten. Der Umfang des Landes, die Masse der Geschäfte beim Gubernium, dessen Geschäftszahlen auf 120.000 Nummern jährlich sich belaufen, ist so groß, daß sie ein Mensch zu übersehen schlechterdings nicht imstande ist. Alle westlichen Kreise des || S. 409 PDF || Landes stehen zu der östlichen Hauptstadt in dem Nachteile, daß Verfügungen der Zentralgewalt sie auf ordnungsmäßige Weise nur mittelst eines weiten Umwegs erreichen können, oder es steht umgekehrt der Sitz der Landesregierung zu jenen Kreisen dadurch im Nachteile, daß dieselben früher von Vorgängen Kenntnis erhalten, als das Gubernium. Die Teilung des Landes und die Aufstellung eines zweiten Guberniums würde auch Krakau für die Regierung gewinnen oder wenigstens es mit ihr aussöhnen, vorausgesetzt, daß in der Gestaltung der Administration eine nationale Richtung beobachtet wird. Endlich spricht noch die persönliche Rücksicht für die Trennung, indem der dermalige Vizepräsident des Lemberger Guberniums, dem nun die Leitung der politischen Geschäfte des Landes anvertraut ist20, zwar ein fähiger Mann, aber von Seite seiner politischen Zuverlässigkeit nicht so erprobt ist, um sie ihm fortan im ganzen Umfange zu belassen.

Nach diesen allgemeinen Erörterungen vereinigte man sich bezüglich der Ausführung der Trennung in folgendem: Dieselbe habe sich vorderhand nur auf die Verwaltung des Inneren (mit Ausschluß der geistlichen Diözesen) zu beschränken und sei mit 1. August 1848 in Wirksamkeit zu setzen, das in Krakau aufzustellende Gubernium mit diesem Zeitpunkte zu aktivieren und mit den nötigen Hilfsämtern zu dotieren21.

Hieran knüpft sich auch die Personenfrage. Die Oberleitung in beiden Provinzen bliebe den Generalen Graf Hammerstein22 und Schlick23, die politische Administration hätte in Lemberg Gołuchowski, in Krakau der Hofrat v. Zaleski zu erhalten, da einstimmig erkannt wurde, daß Nationale an die Spitze der inneren Verwaltung zu stellen, unerläßlich sei und außer diesen beiden kein verläßliches Individuum bekannt ist.

Was ihre Stellung anbelangt, so erklärte sich der Minister des Inneren anfangs für deren Ernennung zu Gubernialpräsidenten, nachdem früher ein Gouverneur und ein Gubernialpräsident bestand, nächstens auch ein Landtag wird abgehalten werden müssen, wo dann für den Chef der politischen Administration ein höherer Charakter erforderlich sein würde.

Allein der Finanzminister bemerkte, daß sich vorderhand mit Vizepräsidenten à 6000 fr. begnügt werden dürfte, weil Graf Hammerstein in Lemberg Gouverneursstellvertreter, in Krakau Graf Schlick Hofkommissär bliebe, weil es insonderheit rücksichtlich des Vizepräsidenten Gołuchowski, dessen Geschäfte sich durch die Teilung ohnehin verringern, immer wünschenswert ist, daß er nicht alles auf einmal erreiche, vielmehr noch etwas zu hoffen habe, er auch, gegenüber v. Zaleski, durch Verleihung der geheimen Ratswürde ausgezeichnet werden könnte.

|| S. 410 PDF || Nach diesen Bemerkungen glaubte der Minister des Inneren auf dem diesfälligen Antrage nicht bestehen zu sollen und behielt sich vor, Ew. Majestät, den gefaßten Beschlüssen gemäß, hierwegen einen besonderen au. Vortrag zu erstatten24.

Ges. 16. Juni. Franz Karl. Vidi. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft. Ferdinand. Innsbruck, am 17. Juni 1848.