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Nr. 57 Ministerrat, Wien, 31. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Baumgartner; BdE. Pillersdorf (1. 6.), Franz Karl (4. 6.).

MRZ. 966 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 31. Mai 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Aufhebung der Blockade von Triest

Der provisorische Ministerpräsident Minister des Inneren Freiherr v. Pillersdorf brachte nachfolgende fünf Gegenstände zum Vortrage.

Einen Bericht des Gouverneurs im Küstenlande Grafen Salm über die in der letzteren Zeit von der kombinierten feindlichen Flotte vorgenommene Blockade des Freihafens von Triest1.

Graf Salm bemerkt, daß diese Demonstration gegen Triest nur eine kurze Zeit gedauert habe und bereits behoben sei2. Der Erfolg derselben war, daß unsere Blockade von Venedig faktisch aufgehoben werden mußte3. Graf Salm meint, daß die Regierung die Aufhebung dieser Blockade nun auch im ordentlichen Wege aussprechen sollte, ohne jedoch eine Kundmachung zu veranlassen, weil die Blockade Venedigs gegenwärtig unausführbar ist und weil, wenn wir unseren Handelsschiffen nicht die freie Pratica nach Venedig gestatten, wir dadurch nur unserem Handel schaden, indem fremden Schiffen das Einlaufen in Venedig nun ohnehin nicht verwehrt werden kann.

Der Ministerrat hat sonach beschlossen, die früher ausgesprochene Blockade von Venedig4 wieder aufzuheben, und der Minister des Inneren wird die diesfalls erforderlichen Schreiben an den Kriegsminister und an den Gouverneur Grafen Salm erlassen, an den ersteren wegen der Anweisung des Militärs, an den letzteren, daß er diesfalls einvernehmlich mit dem Kommandierenden Grafen Gyulai vorgehe5.

Der Justizminister Freiherr v. Sommaruga glaubte, ohne sich übrigens von dem Beschlusse zu trennen, nur bemerken zu sollen, daß die Aufhebung der besprochenen || S. 353 PDF || Blockade nicht ganz unbedenklich zu sein scheine, weil nun auch von dem nahen Triest Kriegsbedürfnisse, Waffen, Munition etc. nach Venedig geschafft werden können6.

II. Aufhebung der Natural-, Urbarial- und Zehentleistungen in Oberösterreich

Das Ansuchen der obderennsischen Stände wegen der Umwandlung der Natural-, Urbarial- und Zehentleistungen in eine billige Geldentschädigung7. Es soll hierbei nach denselben Grundsätzen vorgegangen werden, welche Ew. Majestät für die Nachbarprovinzen Niederösterreich und Steiermark bereits zu genehmigen geruhet haben8, und auch in Obderenns der 1. Jänner 1849 als derjenige Zeitpunkt gelten, von welchem an die erwähnten Naturalleistungen gänzlich aufzuhören haben. Nur wäre für Österreich ob der Enns ausdrücklich der Beisatz aufzunehmen, daß das, um was die Realität durch die Ablösung der bisherigen Lasten im Werte steigt, bei Bemessung des Freigeldes künftighin in keinem Falle in Anschlag gebracht werden dürfe (was nur zum Vorteile der Untertanen gereichen kann).

Der Ministerrat findet dagegen (nach dem Vorgange bei mehreren anderen Provinzen) durchaus nichts zu erinnern und erachtet, daß Ew. Majestät dem diesfälligen Patentsentwurfe die Ah. Genehmigung zu erteilen geruhen dürften9.

III. Austausch Graf Heinrich O'Donells

Einen Bericht des beim Ausbruche des Aufstandes in Mailand als Geisel zurückbehaltenen dortigen Vizepräsidenten Grafen O’Donell und ein Schreiben desselben an den Minister des Inneren (durch den Appellationsrat Bakesch überbracht)10.

In dem ersteren gibt Graf Odonell Rechenschaft über seine Amtshandlung von der Zeit an, wo er sein Amt in Mailand übernahm, bis zum Ausbruche der Revolution und seiner Gefangennehmung als Geisel. In dem zweiten bemerkt Graf O’Donell, daß, wenn die österreichische Regierung sich seiner nicht annimmt, er vielleicht noch ein Jahr zurückbehalten werden dürfte, und deutet auf den österreichischerseits zurückbehaltenen Delegaten Bellati, welcher gegen ihn ausgetauscht werden könnte. Zugleich bittet Graf O’Donell, daß sein oberwähnter Bericht öffentlich kundgemacht werde.

Der Ministerrat erkannte, daß die Kundmachung des konfidentiellen Berichtes des Grafen O’Donell über seine Amtshandlung von Seite der Regierung nicht angemessen und für den Berichterstatter selbst in seinem gegenwärtigen Aufenthalte vielleicht kompromittierend wäre. Wollte Graf O’Donell diesen Bericht selbst öffentlich bekannt machen, so stünde es ihm frei. Da man aber gegenwärtig keinen Weg kennt, auf welchem dem Grafen O’Donell eine Antwort sicher zukommen gemacht werden könnte, so hätte diese Angelegenheit auf sich zu beruhen, bis es möglich sein wird, ihm zu antworten.

|| S. 354 PDF || Was den Austausch anbelangt, bemerkte der Minister des Inneren, daß die Staatskanzlei in dieser Absicht bereits jemanden abgeschickt und daß auch er einem der hier zurückbehaltenen italienischen Geisel (Fortis) auf sein Ehrenwort die Bewilligung erteilt habe, in gleicher Absicht nach Mailand zu reisen und, wenn er den Zweck seiner Reise nicht erreichen sollte, wieder hierher zurückzukehren11. Man müsse demnach die Zurückkunft des Fortis oder eine Nachricht von ihm abwarten12.

IV. Provisorische Besetzung der Oberkommandantenstelle der Wiener Nationalgarde

Die provisorische Besetzung der Oberkommandantenstelle der hiesigen Nationalgarde, nachdem der frühere Oberkommandant Graf Hoyos ausgetreten13 und der an seine Stelle Ew. Majestät au. vorgeschlagene und bereits Ah. ernannte Divisionär in Italien General Wocher14 noch nicht angelangt, die Versehung dieser Stelle aber dringend notwendig geworden ist.

Der Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und Studenten spricht seine Überzeugung dahin aus, daß der Oberst Pannasch der geeignetste Mann für diesen Posten wäre, und bittet auf denselben Rücksicht zu nehmen15.

Der Ministerrat findet keinen Anstand, nach dem Wunsche der Bittsteller dem Obersten Pannasch provisorisch die Führung der Nationalgarde zu gestatten, wovon derselbe im militärischen Dienstwege zu verständigen und Ew. Majestät hievon die au. Anzeige zu erstatten wäre16.

V. Note Pillersdorfs an den Sicherheitsausschuß

Endlich teilte der Minister des Inneren dem Ministerrate den Inhalt seiner Note17 mit, welche er neuerdings an den Ausschuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten wegen der vorgenommenen illegalen Verhaftungen18 zu richten sich bestimmt gefunden hat.

Der Minister benützte als Veranlassung zu dieser Zuschrift das Ah. Namensfest Ew. Majestät.

Der wesentliche Inhalt der Zuschrift war folgender: Auf die beklagenswerten Vorfälle vom 26. d. M.19 sei gestern (den 30. d. M.) ein Tag der Freude gefolgt. Die hier an den Tag gelegten Gefühle gegen die geheiligte Person Ew. Majestät würden dem Herzen Ew. Majestät auch in der Ferne wohltun und Allerhöchstdieselben bestimmen, Ihre || S. 355 PDF || Entfernung von Wien möglichst abzukürzen. Noch angenehmer müßte es jedoch Ew. Majestät sein, wenn alle Spuren der letzten Ereignisse in Wien verschwänden und alle Nachforschungen und Untersuchungen aus diesem Anlasse ganz aufgehoben und alle Personen freigegeben würden. Dies würde am meisten dazu beitragen, die gestörte Eintracht und die erwünschte Versöhnung wieder herbeizuführen.

Der Ministerrat erklärte sich mit dem Inhalte dieser versöhnlichen Zuschrift einverstanden20.

VI. Pensionierungsgesuch Hermengild Ritter v. Francesconis

Der Minister der öffentlichen Arbeiten v. Baumgartner eröffnete dem Ministerrate, daß nach einem soeben an ihn gelangten Gesuche des Vorstehers der Generaldirektion der Staatseisenbahnen Hofrates v. Francesconi derselbe um Enthebung von seinem Dienstposten und entweder um die normalmäßige Pensionierung oder, wenn dieses bei den gegenwärtigen Verhältnissen mit Anständen verbunden sein sollte, auch ohne Pension mit bloßer Belassung seines Hofratstitels ad honorem bittet21. Er führt an, daß er nebst einer früheren zehnjährigen Militärdienstleistung seit dem Jahre 1821 im Zivile, somit im ganzen 37 Jahre, diene und daß seine Familie nicht ohne Vermögen sei.

Zur Aufklärung über diesen Schritt des Hofrates v. Francesconi bemerkte der Minister v. Baumgartner, daß er in seiner gegenwärtigen Stellung notwendig jemanden brauche, der ihm bei der Abfertigung der Staatseisenbahnangelegenheiten werktätige Hilfe leiste. Er habe sich hierzu den Generalinspektor der Staatseisenbahnen Negrelli gewählt, den Francesconi hievon verständigt und von ihm den Vorschlag zur Besetzung der Stelle des Negrelli abgefordert22. Da Negrelli früher unter Francesconi stand, dieser anfangs Soldat war und die Quasi-Präterierung durch Negrelli nicht hinnehmen mag, so scheine dieses die eigentliche Ursache des oberwähnten Gesuches zu sein. Von einer Pensionierung des Hofrates v. Francesconi kann nach der Bemerkung des Ministers v. Baumgartner nicht wohl eine Rede sein, weil die Bedingungen zu einer Pensionierung hier ganz fehlen. Es könnte daher nur die Annahme der Dienstesresignation desselben mit allenfälliger Belassung des Hofratstitels statthaben.

Weil es aber möglich ist, daß Hofrat v. Francesconi in der ersten Aufregung den getanenen Schritt vielleicht nicht reiflich genug erwogen hat, so will der Minister denselben noch einmal zu sich kommen lassen und mit ihm darüber sprechen. Beharrt er bei seinem Beschlusse, so wird v. Baumgartner diesen Gegenstand neuerdings im Ministerrate zur Sprache bringen.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Vorgange einverstanden23.

VII. Öffentliche Arbeiten zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit

Derselbe Minister erbat sich von dem Ministerrate die Weisung, ob er bei dem Umstande, daß noch eine große Anzahl von Leuten ohne Beschäftigung und daher ohne Erwerb ist, nicht neue Arbeitsobjekte auszumitteln hätte, um den unbeschäftigten Arbeitern Verdienst zu verschaffen. Nach seiner Angabe werden bereits 12.000 Individuen bei den öffentlichen Bauten in und bei Wien beschäftiget und ungefähr 1000 sind derzeit noch ohne Beschäftigung24. Nach der Ansicht des Ministers wären die in ruhigen Zeiten vorbereiteten, daher als notwendig erkannten Arbeiten, wie z. B. die Verbesserung der Straße über den Wienerberg, nun zur Ausführung zu bringen, zu welchem Behufe er mit den betreffenden Organen im Falle der Zustimmung des Ministerrates mit tunlichster Beschleunigung eine Besprechung anstellen würde.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden, unter der von dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß geltend gemachten Bedingung, daß in Ansehung der Geldverwendung eine bestimmte Grenze, z. B. die Verwendung von noch 100.000 fr., festgesetzt und dieser Betrag für die hierortigen unbeschäftigten Arbeiter verwendet und die fremden Arbeiter zurückgeschickt werden25.

Was die Zurückschickung der fremden Arbeiter anbelangt, wurde bemerkt, daß diesfalls sowohl von dem Minister des Inneren als von dem Minister der öffentlichen Arbeiten bereits an den Ausschuß geschrieben26 und der Vorstand der Regierung angegangen wurde, die Kreisämter anzuweisen, auswärtigen Arbeitern keine Pässe nach Wien zu erteilen27.

Ges. 4. Juni. Franz Karl. Vidi. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft. Ferdinand. Innsbruck, 7. Juni 1848.