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Nr. 52 Ministerrat, Wien, 26. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); außerdem anw. Köck; BdE. Pillersdorf (27. 5.), Franz Karl (1. 6.).

MRZ. 961 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 26. Mai 1848 vormittags unter dem Vorsitze des interimistischen Ministerpräsidenten Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Zurücknahme des Beschlusses über die Auflösung der Akademischen Legion

Die von dem Ministerrate in der Sitzung vom 25. Mai beschlossene und am 26. öffentlich ausgesprochene Maßregel der Schließung der Universitätsaula und Auflösung der Akademischen Legion in Verbindung mit den getroffenen militärischen Maßregeln brachte unter den Studierenden eine große Aufregung hervor1. Zahlreiche Deputationen begehrten die Zurücknahme dieses Beschlusses von den einzelnen Ministern, und als sich dieselben im Kriegsgebäude versammelt hatten, auch von dem versammelten Ministerrate. Mittlerweilen hatte die Aufregung auch in anderen Klassen der Bevölkerung um sich gegriffen. Die Nationalgarden nahmen in großer Anzahl die Partei der Akademischen Legion; die uniformierte Bürgerschaft sprach ihre Sympathie laut aus; tausende von Arbeitern strömten, mit Spaten und Schaufel bewaffnet, herbei, um – wie sie sagten – die Studenten gegen die Angriffe des Militärs in Schutz zu nehmen. Das Rotenturmtor wurde von den Heranstürmenden eingesprengt, und schon hatte ein blutiger Konflikt zwischen Militär und Nationalgarde stattgefunden, wobei ein Mann getötet wurde. Da die Gärung in den Volksmassen, durch lügenhafte Gerüchte und aufreizende Reden erhöht, immer bedrohlicher, die Sprache der Deputationen von Studierenden, Nationalgarde und Bürgern immer leidenschaftlicher wurde und jeden Augenblick die blutigsten Konflikte, Plünderung etc. zu besorgen standen, so beschloß der Ministerrat, nicht auf der Auflösung und Vereinigung der Akademischen Legion zu beharren, und ließ diesen Beschlußa, welcher einer Deputation schriftlich ausgefertigt übergeben wurde, sofort auch durch Plakat verlautbaren2. Allein die Aufregung legte sich noch keineswegs, sondern stieg vielmehr immer höher; zahlreiche Barrikaden erhoben sich in allen Straßen und wiederholte Deputationen erklärten, diese Aufregung könne nur dadurch beschwichtigt werden, wenn 1. das Ministerium Garantien gebe, daß die am 16. Mai mit Ah. Patent erhaltenen Zusicherungen3 aufrecht erhalten werden, 2. wenn der unveränderte Bestand der Akademischen Legion verbürgt wird, und 3. wenn das gesamte k. k. Militär [nach] außerhalb der Stadt verlegt wird.

Zu 1. wurde den Deputationen bemerkt, daß das Ministerium diesfalls keine anderen Garantien bieten könne, als das Versprechen, Allerhöchstenorts keine Abänderung der || S. 328 PDF || Konzessionen vom 16. Mai in Antrag zu bringen. Zu 2. bestand kein Anstand, die gewünschte Erklärung zu geben, da sie nur eine Wiederholung des früheren Zugeständnisses ist. Dagegen erklärte sich der Kriegsminister und der ganze Ministerrat auf das entschiedenste gegen die Entfernung des Militärs von Wien. Die Bestimmtheit dieser Weigerung veranlaßte auch die Deputationen, sich auf die Forderung zu beschränken, daß das Militär von den öffentlichen Plätzen und vom Glacis, wo dessen Gegenwart das Volk beunruhige und aufrege, in die Kasernen abgezogen werde. Eine weitere Forderung, daß die Nationalgarde ausschließend die Wache an den Stadttoren besorge, wurde dahin ermäßigt, daß die Torwachen gemeinschaftlich von Nationalgarden, Akademikern und Militär in gleicher Stärke bezogen werden.

Nachdem das Ministerium über die Zulässigkeit dieser Zugeständnisse ad 3. den Sicherheitsausschuß durch dessen Abgeordneten Dr. Köck mündlich vernommen hatte, und sich derselbe damit völlig einverstanden erklärte, mit dem Bemerken, daß der Sicherheitsausschuß dermal jeder Macht beraubt sei, erließ der Ministerrat eine gedruckte Kundmachung folgenden Inhalts: „Die Zusicherungen des Kaisers vom 15. und 16. Mai stehen in ihrer ganzen Ausdehnung aufrecht. Die Akademische Legion besteht unverändert. Das Militär wird sogleich in die Kasernen abgezogen und die Torwachen gemeinschaftlich von Nationalgarden, von der Akademischen Legion und vom Militär in gleicher Stärke bezogen. Wien, 26. Mai 1848.“4

Der Kommandierende General Graf Auersperg erließ gleichzeitig die entsprechenden Befehle an die Truppen; allein die Nachricht davon verbreitete sich so langsam im Publikum, so daß eine Arbeiterdeputation darüber noch um eine ausdrückliche Erklärung bat, welche auch mit folgenden Worten in einem Plakat gegeben wurde: „Das Militär erhält hiemit den Befehl, sogleich abzuziehen. Den Arbeitern wird fortan Arbeit verschafft werden, wogegen sie zur Herstellung der Ruhe zu ihrer Arbeit zurückzukehren haben.“5

Die von ein paar Individuen dem Minister Baron Pillersdorf vorgetragene Bitte, daß der in Kriminaluntersuchungsarrest befindliche Redakteur der „Constitution“ Häfner auf freiem Fuße untersucht werde, beantwortete der Minister des Inneren dahin, daß es nicht zu den Attributen der Krone noch zu denen der Minister gehöre, in die Amtshandlungen des Richters einzugreifen, sofern er sich innerhalb der gesetzlichen Sphäre bewege. Mit diesem Bescheide stellten sich die Bittsteller vorderhand zufrieden6.

Ges. 1. Juni. Franz Karl. Vidi. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Ferdinand. Innsbruck, am 2. Juni 1848.