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Nr. 51 Ministerrat, Wien, 25. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); außerdem anw. Hye (nur bei I), Endlicher (nur bei I), Montecuccoli (nur bei I); BdE. Pillersdorf (27. 5.), Franz Karl (1. 6.).

MRZ. 960 – KZ. –

Protokoll der Ministerratsversammlung vom 25. Mai 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Schließung der Universitätsräume; Auflösung der Akademischen Legion

Der provisorische Ministerpräsident, Minister des Inneren, Freiherr v. Pillersdorf brachte zunächst die doppelte wichtige Maßregel A) die Schließung der Universität, des Polytechnikums etc., d. i. der betreffenden Lokalitäten1 und B) die Auflösung der Akademischen Legion2 als eines abgesonderten Bestandteiles der Nationalgarde in Anregung.

Daß die Ausführung beider Maßregeln unerläßlich sei, darüber bestehe kein Zweifel. Es handle sich nur um die Frage, ob beide Maßregeln zugleich oder abgesondert zur Ausführung zu gelangen haben.

Ad A) Was die Schließung der Räume der Wiener Universität und des Polytechnikums (denn als Lehranstalten sind sie bereits geschlossen)3 anbelangt, wurde sich darin geeiniget, daß sie ohne Verzug und zwar noch heute um 11 Uhr nachts auszuführen sei, um der studierenden Jugend ihren Vereinigungspunkt und damit den Anlaß zu politischen Umtrieben zu nehmen. Werden die Lokalitäten, die Aula, geschlossen, so werden sich die Studenten zerstreuen, ein großer Teil wird sich auf die Ferien begeben und schon auf diese Art wird viel zur Herstellung der Ruhe und Ordnung beigetragen. Zum Behufe der Ausführung dieser Schließung wären die nötigen Aufträge zu erlassen (was auch gleich ex consilio geschehen ist): an die Inspektion dieser Gebäude, an das Gardekommando, an den Wiener Magistrat und an diejenige vertraute und verläßliche Person, welche mit der Ausführung dieser Maßregel beauftragt werden würde.

Diese Aufträge gingen im wesentlichen dahin: an die Gebäudeinspektion4: die Tore zu schließen und geschlossen zu halten, es wurde die Vorsicht angedeutet, mit welcher die in den gedachten Häusern wohnenden Personen aus- und einzulassen sind, und daß sich die Hausinspektion in Ansehung der Detailweisungen an dasjenige Individuum zu wenden hätte, welches mit der Ausführung dieser Maßregel beauftragt ist.

|| S. 321 PDF || An das Gardekommando: die im Universitäts- und im polytechnischen Institutsgebäude befindliche Wache auf die Hauptwache der Nationalgarde in dem bürgerlichen Zeughause zu verlegen, die Adjutantur in einer entsprechenden Lokalität der Bürgermeisterswohnung zu unterbringen. Unmittelbar nach der Entfernung der Wache seien die sämtlichen Lokalitäten der Universität und des Polytechnischen Institutes zu schließen und geschlossen zu halten5.

Der Wiener Magistrat wäre hievon zu dem Ende zu verständigen, daß er den Sicherheitsausschuß anweise, wenn sich vor diesen Gebäuden größere Menschenmassen anhäufen sollten, die nötigen Maßregeln zu ergreifen6.

Mit der Ausführung der materiellen Schließung wurde der Regierungsrat Professor Endlicher beauftragt, an ihn werden die Hausinspektionen gewiesen und er hat in vorkommenden Fällen die einzelnen Anfragen und Bedenken derselben zu lösen.

ad B) Ob mit der Schließung der Universität die Auflösung der Akademischen Legion gleichzeitig oder von ihr abgesondert zu geschehen habe? Für die gleichzeitige Auflösung wurden im wesentlichen folgende Rücksichten geltend gemacht: solange die Akademische Legion als ein von der Nationalgarde abgesonderter Körper besteht, werden immer politische Umtriebe darin stattfinden, sie wird immer der Herd von Aufregung und Unordnung sein, und es sei wünschenswert, ja notwendig, diesem Zustande sobald als möglich ein Ende zu machen; der gegenwärtige Augenblick sei zu dieser Auflösung ein günstiger, weil die Bürgerschaft wegen der durch die Legion veranlaßten Abreise Ew. Majestät und wegen der sehr bedauerlichen Vorfälle des 15. Mai d. J. gegen die Studenten eingenommen ist; die Studenten würden dadurch überrascht sein, weil sie die Auflösung jetzt nicht erwarten; es sei im hohen Grade bedenklich, die Verbindung der Studenten mit den Arbeitern länger zu dulden, welche, wie bekannt ist, von den Studenten mit Geld versehen werden; der Widerstand der Studenten könnte sich nicht gleich recht organisieren. Im Falle der Auflösung der Legion wäre vorzüglich mit der Nationalgarde der Stadt zu operieren und das Militär konsigniert zu halten, damit es sogleich zur Hand sei.

Für die Verschiebung der Auflösung auf einen späteren Zeitpunkt wurde angeführt, daß gegenwärtig noch die meisten Studenten hier seien und Widerstand leisten dürften; daß ein Teil der Nationalgarde das Fortbestehen der Studentenlegion wünscht und mit ihr fraternisiert; daß sie die Arbeiter für sich haben; daß, wenn Widerstand geleistet wird und Blut fließen sollte, dies die Rückkehr Ew. Majestät nach Wien nur erschweren dürfte, u. dgl. – Diese Maßregeln wären daher zu teilen, die Universitätslokalitäten sogleich zu schließen und später die Auflösung der Akademischen Legion nachfolgen zu lassen. In kurzer Zeit werden sich die Studenten zerstreuen, hier nur wenige zurückbleiben, und es könnte mittlerweile die Anordnung getroffen werden, daß die Nationalgarde nur einen Körper bilde und kein von ihr getrenntes Korps bestehen || S. 322 PDF || dürfe, was als Organisierungsakt den moralischen Widerstand der Akademischen Legion schwächen würde.

Vor einem definitiven Beschlusse in dieser wichtigen Angelegenheit glaubte der Ministerrat noch die als Autorität in Angelegenheiten der Akademischen Legion und der studierenden Jugend überhaupt anerkannten Professoren Hye und Regierungsrat Endlicher zu vernehmen.

Professor Hye erklärte sich unbedingt für die gleichzeitige Auflösung der Legion. Nach seiner Ansicht wäre eine Proklamation an alle Teilnehmer der Akademischen Legion zu erlassen, darin des Manifestes Ew. Majestät de dato Innsbruck 20. Mai 1848 7 zu erwähnen und anzuführen, daß die Vorgänge vom 15. Mai Grund der Entfernung Ew. Majestät von Wien seien, daß von allen Seiten der Monarchie, von Ständen, Städten, Korporationen Eingaben und Adressen einlangen, worin Protest gegen den Ew. Majestät angetanen Zwang eingelegt und sogar der Wunsch ausgesprochen wird, der Reichstag möge sich unter solchen Umständen nicht in Wien, sondern in irgend einer anderen Provinz versammeln.

Diese Rücksichten hätten den Minister des öffentlichen Unterrichtes bestimmt, dem Ministerrate vorzuschlagen und dieser habe beschlossen: 1. Die Akademische Legion von Wien sei als ein von der Nationalgarde abgesondert bestehender Körper von heut aufgelöst, und haben sich die Studenten der Nationalgarde ihrer Bezirke einreihen zu lassen. 2. Die Mitglieder des Lehrkörpers, die Doktoren und Doktoranden haben ihren Eintritt in die Nationalgarde von heute binnen acht Tagen in Vollzug zu setzen. 3. Den Studenten als ordentlichen Zuhörern der Fakultäten bleibt es freigestellt, ob sie sich der Nationalgarde ihres Bezirkes einreihen lassen wollen oder nicht. 4. Im ersten Falle ist ihre Einreihung binnen acht Tagen zu vollziehen. 5. Studenten, welche, um ihren Studien gehörig obliegen zu können, davon keinen Gebrauch machen wollen, haben ihre Waffen binnen acht Tagen an das zur Abführung bestimmte Depot auszuliefern. 6. Die Gebäude der Universität, des Polytechnischen Institutes und der Akademie der bildenden Künste sind von heute an geschlossen. 7. Andere der Akademischen Legion unbefugt eingereihte Individuen haben ihre Waffen binnen drei Tagen von heute bei Vermeidung von Zwangsmaßregeln abzugeben. 8. Die erweislich an den Gewehren vorgenommenen Verbesserungen werden den betreffenden Individuen angemessen vergütet. 9. Das Oberkommando der Akademischen Legion wird mit der Vollziehung dieser Maßregel beauftragt.

Der Regierungsrat Professor Endlicher erklärte sich, was die Notwendigkeit der baldigen Auflösung der Akademischen Legion anbelangt, mit den vorstehenden Anträgen einverstanden und bemerkte, daß, wenn von der Androhung und nötigenfalls Vollziehung des Standrechtes im Falle der Widersetzlichkeit Gebrauch gemacht werden wollte, Hoffnung vorhanden sei, mit diesem einzigen Worte diese Maßregel zur Ausführung zu bringen; nur wären die Schließung der Gebäude und die Auflösung der Legion durch einige Stunden voneinander zu trennen. Die Schließung der Aula hätte heute in jener Stunde zu geschehen, wo die Studenten dort nicht mehr versammelt sind (um 11 Uhr nachts), die Auflösung der Legion dagegen morgen früh, wo die Studenten gleichfalls noch zerstreut sind. Es wäre die Nationalgarde der Stadt dazu zu || S. 323 PDF || verwenden, das Militär konsigniert zu halten, die Straßen und Zugänge zur Aula zu besetzen u. dgl.

Professor Hye bemerkte, daß die Kundmachung, welche die Auflösung der Legion verfügt, schon heute durch den Druck in Bereitschaft sein müßte, um gleich nach der Sperrung der Tore der Universität angeheftet zu werden. Hierdurch würde der Widerstand, der allenfalls geleistet werden wollte, den Charakter der Ungesetzlichkeit erhalten, weil die Akademische Legion schon als aufgelöst erschiene, und man könnte dann mit dem Standrechte gesetzlich und wirksam vorgehen.

Mit diesen Modalitäten erklärte sich der Ministerrat für die unverweilte Auflösung der Akademischen Legion.

Die nähere Ausführung wurde dem der Ministerratssitzung in Ansehung dieses Gegenstandes beiwohnenden Regierungspräsidenten Grafen Montecuccoli übertragen, welcher sich hierbei der beiden Professoren Hye und Endlicher bedienen könne8.

Der Kriegsminister Graf Latour übernahm es, die erforderlichen Weisungen dem Kommandierenden Grafen Auersperg zu erteilen9.

II. Reise Palatins Erzherzog Stephans nach Innsbruck

Der Minister des Inneren brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Palatin hier durchgereist sind10, um Sich zu Ew. Majestät nach Innsbruck zu begeben und Allerhöchstdieselben der Loyalität der ungarischen Nation zu versichern. In seinem Gefolge sei der Minister des Kultus und eine andere hochgestellte Person gewesen11.

III. Blockade Triests

Derselbe Minister zeigte an, daß eingegangenen Nachrichten von Triest zufolge eine feindliche Flotte (die neapolitanische) vor Triest erschienen sei und den Hafen blockiert habe. Am 23. gegen 10 Uhr vormittags haben Alarmschüsse vom Kastell die Stadt in Bewegung gesetzt12. Die Nationalgarde und die Garnison griffen zu den Waffen, Batterien wurden aufgeführt und die von Pola angekommene österreichische Flotte stellte sich in Schlachtordnung. Die feindlich Flotte soll 28 Segel stark und darunter 5 Kriegsdampfboote sein. Der Geist unseres Militärs ist gut und Graf Gyulai entschlossen, sich auf das äußerste zu verteidigen13.

IV. Verschiebung der Reichstagswahlen

Durch die abgedrungenen Konzessionen vom 15. Mai14 und die darauf gefolgte Erklärung vom 16. Mai15 hätte es von der Wahl für den Senat ganz abzukommen, und die Wahl für die Kammer der Abgeordneten Modifikationen zu erleiden.

Der Minister des Inneren fragte sich an, was zu geschehen habe, ob nämlich die Wahlen für den konstituierenden Reichstag auszuschreiben oder dieser Gegenstand einstweilen etwa auf acht Tage zu ajournieren sei. Er erklärte sich für das letztere, weil man dann erst die Erklärungen aus den Provinzen kennen und wissen werde, ob von den Bestimmungen des 15. Mai abzugehen und sich an die Konstitution vom 25. April16 und das nachgefolgte Wahlgesetz zu halten sein werde oder nicht.

Der Ministerrat erklärte sich mit dieser Ansicht einverstanden17.

V. Oberösterreichische Adresse: an a) den Kaiser, b) das Ministerium

Baron Pillersdorf teilte ferner dem Ministerrate mit eine Adresse der obderennsischen Stände a) an Ew. Majestät18 und b) an das Ministerium19.

In der ersteren sprechen die Stände die loyalsten Gesinnungen gegen Ew. Majestät aus, tadeln die Vorgänge in Wien vom 15. Mai, wünschen, daß Änderungen nur im gesetzlichen Wege vorgenommen werden u. dgl.

In der zweiten Adresse drücken sie dem Ministerium ihren Dank für die Fortsetzung ihres Amtes aus, protestieren gegen die Vorgänge des 15. Mai, fordern das Ministerium auf, keine inkonstitutionellen Gewalten neben sich zu dulden und zu wirken, daß Ew. Majestät möglichst bald nur verantwortliche Ratgeber zur Seite stehen20.

VI. Kundmachung über die Bestellung Doblhoffs und seines Stellvertreters

Derselbe Minister erwähnte hierauf der Verlegenheit, in welcher sich der Ministerialreferent Karl Ritter v. Kleyle deshalb befinde, daß er nicht förmlich als Vertreter des abwesenden Handelsministers Freiherrn v. Doblhoff bestellt sei21. Er bittet daher, das Ministerium wolle sowohl den Minister des Handels als auch ihn als seinen Stellvertreter ämtlich ankündigen, zu welchem Behufe er gleich den Entwurf des diesfälligen Erlasses vorlegte.

Der Ministerrat beschloß diese Angelegenheit dem Baron Doblhoff nachzusenden und seine Äußerung darüber zu vernehmen22.

VII. Reorganisierung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten

Der Minister der öffentlichen Arbeiten bemerkte, die seiner Verwaltung zugewiesenen Gegenstände bestehen aus dem Baudepartement der gewesenen Vereinigten Hofkanzlei, aus der montanistischen Hofkammer und einem Teile des Hofkammerpräsidiums etc. Eine Reorganisation insbesondere des Montanistikums erscheine dringend notwendig. Er beabsichtige, die montanistische Hofkammer aufzulösen und das ganze Montanhüttenwesen in einer Sektion und drei kleineren Unterabteilungen zu vereinigen, von denen die eine das Hüttenwesen, die zweite die Berggerichte und die dritte die Kanzleigeschäfte unter sich hätte. Er werde hierüber einen Vortrag an Ew. Majestät erstatten, wünsche aber noch vor Erstattung dieses Vortrages in dem Personalstande eine andere Einteilung zu machen.

Gegen eine solche vorläufige Personaleinteilung, wie sie auch bei anderen Ministerien vorgenommen wurde, kann nach dem Erachten des Ministerrates kein Anstand obwalten23.

VIII. Aufregung in der Militärgrenze

Der Kriegsminister Graf Latour machte die Mitteilung, daß in der Militärgrenze eine so große Aufregung herrsche, daß die dortigen Bewohner zu ihrem Schutze ihre Kameraden aus Italien zurückrufen wollen24.

Der Kriegsminister beabsichtige darüber einen Vortrag an Ew. Majestät zu erstatten und anzutragen, Ew. Majestät wollen im Wege des Feldmarschalls Grafen Radetzky an die Grenzer in Italien eine Erklärung ergehen lassen, worin gesagt wird, daß man für die Ruhe in ihrem Lande sorge und daß sie, sobald man ihrer in Italien nicht benötigen werde, in ihr Land würden zurückgeschickt werden. Den Feldmarschall wird Graf Latour davon vorläufig in Kenntnis setzen25.

Der Ministerrat findet sich jedoch nicht berufen, hierüber ein meritorisches Gutachten abzugeben.

IX. Verfügungen über den Umtausch von Banknoten in Gold und Silber

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bittet in dem vorliegenden au. Vortrage vom 25. Mai d. J., KZ. 180926, um die nachträgliche Ah. Genehmigung in Form eines Patentes jener Verfügungen, welche auf dem Grunde des Ministerratsbeschlusses27 die niederösterreichische Regierung durch ihre Zirkularien vom 22. Mai28 || S. 326 PDF || zur öffentlichen Kenntnis gebracht hat und welche folgende Anordnungen enthalten: Beschränkung der Verwechslung der Banknoten auf den Betrag von 25 fr., Ausgabe der Banknoten von 1 und 2 fr., Annahme der Banknoten bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerte, wenn jedoch die Zahlung in Gold oder ausländischen Silbermünzen gebührt, Leistung der Zahlung nach Wahl des Schuldners in dieser Münze oder nach dem Werte der letzteren, wie er zur Zeit der Zahlung besteht, in Banknoten.

Der Ministerrat erlaubt sich diesen Gegenstand der Ah. Genehmigung Ew. Majestät in tiefster Ehrfurcht zu unterziehen29.

Den 27. Mai 1848, Pillersdorf. Ges. 1. Juni. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Innsbruck, am 2. Juni 1848.