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Nr. 48 Ministerrat, Wien, 22. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); BdE. Pillersdorf, Franz Karl (29. 5.).

MRZ. 957 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 22. Mai 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Berichte über die Abreise des Kaisers; Amtsenthebung des Eduard Freiherrn v. Hohenbruck

Der provisorische Ministerpräsident [und] Minister des Inneren eröffnete die Sitzung durch Mitteilung und Ablesung einiger Berichte und konfidentieller Schreiben, welche über die Reise Ew. Majestät und der durchlauchtigsten Familie an ihn gelangt sind, und zwar der Berichte der Ew. Majestät und Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Karl nachgesandten Kommissäre Grafen Hoyos und Grafen Wilczek1, einer Ew. Majestät nachgeeilten Wiener Deputation des obderennsischen Regierungspräsidenten Freiherrn v. Skrbensky2 und anderer.

Der wesentliche Inhalt dieser Mitteilungen ist, daß Ew. Majestät die Reise bis Salzburg zwar mit besonderer Schnelligkeit, aber ohne einen Unfall zurückgelegt haben, daß es den Abgesandten bis Salzburg nicht gelang, Ew. Majestät zu erreichen, und daß sie Allerhöchstdenselben nach Innsbruck nacheilen, daß man überall vorherrschende Sympathien für Ew. Majestät, das Ah. Kaiserhaus und die Monarchie gefunden habe u. dgl. Es wird in einer dieser Mitteilungen des zweifelhaften Benehmens das Ajo Grafen Bombelles erwähnt, welcher auch Ursache der vom Baron v. Hohenbruck öffentlich || S. 292 PDF || gemachten Mitteilungen3 sein soll, welche der Regierungspräsident Freiherr v. Skrbensky durch eine ämtliche Kundmachung gemißbilliget hat4.

Da Baron Hohenbruck dadurch seinen Pflichtenkreis überschritten hat und sein Benehmen dabei überhaupt nicht gerechtfertiget werden kann, so hat Baron Skrbensky die Einleitung getroffen, daß Baron Hohenbruck, welchem einstweilen ein Urlaub bewilliget wurde, seinen Dienst nicht wieder antreten und dieser durch einen anderen versehen werde5.

Der Minister des Inneren Baron Pillersdorf teilte dem Ministerrate mit, was er diesfalls dem obderennsischen Regierungspräsidenten Freiherrn v. Skrbensky erwidern will, und was darin besteht, daß er den Vorgang des Regierungspräsidenten billiget, die Amtsenthebung des Freiherrn v. Hohenbruck gutheißet und überdies eine Untersuchung im Disziplinarwege über denselben anordnet, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte6. Die obigen Berichte und Anzeigen über die Ah. Reise werden übrigens zu den täglichen Bekanntmachungen an das Publikum benützt, und es wurde die Einleitung getroffen, daß sie bereits in dem Abendblatte der Wiener Zeitung vom heutigen Tage (dem 22. Mai) erscheinen7.

II. Absendung Freiherr v. Doblhoffs nach Innsbruck

Hierauf kam die Frage im Ministerrate zur Erörterung, ob das Ministerium bei der großen Entfernung Ew. Majestät von Wien und bei der dadurch bedingten Verzögerung und Unterbrechung der Geschäfte bestehen könne und was unter diesen Umständen zu veranlassen wäre. Es werden Deputationen aus allen Provinzen erscheinen, denen bestimmte Erklärungen zu geben sein werden. Zu diesem Ende müsse das Ministerium jemanden an der Seite Ew. Majestät haben, der die Vermittlung zwischen demselben und Ew. Majestät unterhält.

Um hierin zu einem Resultate zu gelangen, wurden folgende Punkte der Erwägung unterzogen.

a) Soll dieser Vermittler bei Ew. Majestät ein Mitglied des Ministeriums oder kann es auch ein anderes vertrauenswürdiges Individuum sein ?

b) Wer soll dieses Individuum sein und

c) welche Richtpunkte oder welches Programm soll demselben behufs seiner Wirksamkeit bei Ew. Majestät mitgegeben werden ?

ad a) In Absicht auf den ersten Punkt einigte man sich, wie auch schon in einem früheren Protokolle bemerkt wurde8, darin, daß dieses Individuum ein Mitglied des || S. 293 PDF || Ministerrates, das die Ansichten desselben kennt und denselben gemäß handelt, sein müsse und weil auch das ungarische Ministerium einen Minister (den Fürsten Esterházy) an Ew. Majestät abgesendet habe und das deutsche Ministerium wohl nicht weniger tun könne.

ad b) Was die Person anbelangt, wurde der Minister des Handels, der Industrie und des Ackerbaues Freiherr v. Doblhoff angedeutet, in welchem, abgesehen davon, daß die ihm zugewiesenen Geschäfte noch am leichtesten eine Entfernung von Wien gestatten, das Ministerium volle Garantie zur Wahrung seiner Interessen und Ansichten haben würde.

Baron Doblhoff , zur Abgabe seiner Äußerung aufgefordert, erklärte, daß, wenn er dadurch zum Wohle des Staates etwas beitragen kann, er keinen Anstand nehme, diese Mission anzutreten. Er wisse zwar nicht, ob seine Wahl auch dem Ah. Hofe angenehm sein werde, in welcher Beziehung mehrere andere Mitglieder des Ministerrates in einer günstigeren Lage sein dürften als er; indessen habe er jederzeit die größte Hochachtung und Anhänglichkeit an den Ah. Hof bewiesen und seit seiner Jugend die Freundlichkeit, Herzensgüte und die häuslichen Tugenden der Ah. Familie zu verehren gelernt. Er werde in keiner Beziehung die dem Ah. Hofe schuldigen Rücksichten verletzen, sich genau nach den ihm zu erteilenden Instruktionen benehmen, darauf bedacht sein, daß keine Reaktion eintrete, und über den 15. Mai d. J. das Ministerium nicht kompromittieren. In Ansehung der Konzessionen dieses Tages sei der Gang der Dinge sowohl in den Provinzen als hier in Wien und die sich diesfalls aussprechenden Meinungen abzuwarten.

ad c) In Ansehung der dem Baron Doblhoff zu gebenden Richtpunkte, deren derselbe bedarf, um mit Kraft handeln zu können, wurde bemerkt, daß derselbe 1. den allgemeinen Wunsch durch seinen Einfluß und seine Überredung zu unterstützen habe, Ew. Majestät möchten die Ah. Abwesenheit von Wien nicht zu sehr verlängern und möglichst bald einen Wien näheren Aufenthaltsort, etwa Linz (Persenbeug, Lubereck) wählen; 2. daß er sich bestrebe, den Ministerratsvorschlägen und Erledigungsanträgen die Ah. Genehmigung zu erwirken; 3. dahin zu wirken, daß keine öffentliche Erklärung oder Proklamation Ew. Majestät an Körperschaften oder Abgeordnete der Provinzen ohne seine Kontrasignierung erfolge; 4. daß er, da nach der Linzer Bekanntmachung9 das Besorgnis nicht ungegründet ist, als bestünde nebst dem ministeriellen verantwortlichen noch ein anderer Beirat bei der Ah. Person Ew. Majestät, keinem solchen, nicht von dem verantwortlichen Ministerium ausgehenden Beirate seinen Einfluß gestatte; 5. daß er die Grundsätze der konstitutionellen Freiheit mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln vertrete, nicht so unbedingt und unabänderlich die Grundsätze des 15. Mai, welche von dem Ministerium im Drange der Umstände zwar Ew. Majestät zur Genehmigung vorgeschlagen, von ihm aber nicht gebilliget wurden, und seine Demission zur Folge hatten10. In Ansehung dieser werde der von den Provinzen eingeschlagene, dem Ministerium noch nicht bekannte Gang die weitere Richtschnur geben. Das Ministerium wird sich diesfalls ganz passiv verhalten und die von den || S. 294 PDF || Provinzen allenfalls dagegen unternommenen Schritte nicht bekämpfen. In formeller Beziehung wird Baron Doblhoff, durch welchen alle an Ew. Majestät gerichteten Vorträge zu gehen haben, dieselben vorläufig Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Karl mitteilen und dann bei Ew. Majestät zum Vortrage bringen.

Da Baron Doblhoff auch hinsichtlich der Maßregeln, welche das Ministerium gegen die Universität zu nehmen gedenke, wenn sie bei den noch immer dauernden Versammlungen und Agitationen beharrt, etwas näheres zu erfahren wünschte, so wurde bemerkt, daß, wenn binnen zwei Tagen von den Studenten nichts geschieht, was dem Ministerium Beruhigung über ihr Benehmen geben könnte, es dann energisch zur Schließung der Universität schreiten werde. Mit Ende dieses Monates sollen die Studien geschlossen sein, worauf dann spätestens die Aula gesperrt werden würde11.

Die Abreise des Baron Doblhoff, welche morgen den 23. um 10 Uhr vormittags statthaben wird, wird das Ministerium zur Beruhigung des Publikums zur öffentlichen Kenntnis bringen.

Baron Doblhoff wird sich während seiner Abwesenheit durch den Referenten Kleyle supplieren lassen, welcher die seinem Wirkungskreise angehörigen Gegenstände dem Ministerrat vortragen wird, ohne sonst den Ratssitzungen ordentlich beizuwohnen. Als allgemeine Richtpunkte für die Wirksamkeit des Baron Doblhoff an der Seite Ew. Majestät wurden demselben die entsprechenden Weisungen eingehändigt12.

III. Behandlung bewaffneter Aufständischen aus Lombardo-Venetien

Der Justizminister Baron Sommaruga trug dem Ministerrate eine Zuschrift des Obersten Justizpräsidenten vor, worin die Anfrage gestellt wird, wie die neuerdings aufgebrachten, mit den Waffen in der Hand ergriffenen österreichischen Untertanen aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche zu behandeln seien, ob als Hochverräter oder als Kriegsgefangene.

Das Tiroler Appellationsgericht äußerte diesfalls die Ansicht, daß ausländische Militärs und solche Freischärler, wenn sie gefangen genommen werden, nicht als Hochverräter, sondern als bloße Kriegsgefangene zu behandeln seien. Ebenso wären auch die österreichischen Italiener zu behandeln, wenn sie von ihrer faktischen Regierung gezwungen worden sind, die Waffen gegen Österreich zu tragen. Dagegen wären alle österreichischen Zivilpersonen, welche mit den Waffen in der Hand ergriffen werden, als Hochverräter zu untersuchen und zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof erklärte sich damit einverstanden13.

Obgleich dieser Vorgang mit dem früheren Verfahren, insbesondere hinsichtlich der bei Cadore mit den Waffen in der Hand ergriffenen italienischen Landleuten14 nicht ganz übereinstimmend ist, so erachtete der Ministerrat, dem hier ausgesprochenen || S. 295 PDF || Prinzipe nicht entgegentreten zu sollen, wornach der Justizminister die Anfrage des Obersten Gerichtshofes erledigen wird15.

IV. Italienische Geiseln in Kufstein

Der Kriegsminister Graf Latour teilte dem Ministerrate ein Schreiben des Feldmarschalls Grafen Radetzky mit, worin derselbe, ohne übrigens an dem bereits Verfügten etwas ändern zu wollen, hinsichtlich der in Kufstein gewesenen und nun in Freiheit gesetzten Gefangenen bemerkt, daß sie keine Geiseln, sondern im Sitze der Empörung in Mailand mit den Waffen in der Hand ergriffene Individuen waren16.

Ein früheres Ministerratsprotokoll enthält umständlicher die Gründe, aus welchen diese Individuen von Kufstein in Freiheit gesetzt worden sind17.

V. Freigelassene italienische Geiseln aus Kufstein in Wien

Derselbe Minister eröffnete hinsichtlich dieser italienischen Gefangenen von Kufstein, daß nach erhaltenen verläßlichen Nachrichten, sie alle hierorts angekommen sind und sich da mit den Revolutionären in Verbindung gesetzt haben. Graf Latour wird sich diesfalls mit dem Regierungspräsidenten Grafen Montecuccoli besprechen und das Resultat dem Ministerrate anzeigen18.

VI. Eingabe des Deutschen Hauses

Der Minister des Inneren erwähnte hierauf der an ihn gelangten Eingabe des Deutschen Hauses. Der Verein spricht darin den Wunsch nach der baldigen Rückkehr Ew. Majestät und die Versicherung aus, daß die geheiligte Person Ew. Majestät nirgends besser bewacht sei als in der treuen Residenz. Dieser Wunsch und diese Versicherung werde von allen Klassen der Bevölkerung gleich geteilt. Das Ministerium wird darin aufgefordert, an seinem hohen Berufe künftig festzuhalten und energisch vorzugehen, wobei es von allen auf eine kräftige Unterstützung rechnen könne.

Der Minister des Inneren hat dem Vereine eine der Eingabe angemessene Antwort erteilt19.

VII. Personalveränderungen in Tirol

Der Gouverneur von Tirol hat über Aufforderung des Herrn Erzherzoges Johann die unter den gegenwärtigen Umständen für eine kräftigere und zweckmäßigere Leitung mehrerer Kreisämter dringend notwendigen Personalveränderungen in Antrag gebracht20. Hiernach wäre der Trienter Kreishauptmann Baron Eichendorf zur Dienstleistung beim Gubernium zu berufen, der Oberinntaler Kreishauptmann Edler v. Neupaur in den Quieszentenstand zu setzen, an die Stelle des Baron Eichendorf wäre der Kreishauptmann von Roveredo Kaspar Edler v. Kempter nach Trient und an dessen || S. 296 PDF || Stelle der Kreishauptmann im Pustertale Graf Marzani nach Roveredo von Amts wegen zu übersetzen. Die Leitung des Kreises im Oberinntale hätte der Gubernialsekretär Freiherr v. Spiegelfeld und jene des Kreises im Pustertale der Gubernialpräsidialsekretär Joseph Dialer gegen Bezug der normalmäßigen Diäten provisorisch zu übernehmen.

Obgleich solche Gegenstände sonst der Ah. Genehmigung Ew. Majestät unterzogen wurden, so glaubt der Minister des Inneren mit Zustimmung des Ministerrates, welche ihm erteilt wurde, diese Versetzungen und Bestimmungen der Dringlichkeit wegen selbst vornehmen zu sollen21.

Wegen der Geldanweisungen wird dieser Gegenstand dem Finanzminister mitgeteilt22.

VIII. Zirkularschreiben des Innenministers über die Abreise des Kaisers

Der Minister des Inneren teilte dem Ministerrate ein Zirkularschreiben23 mit, welches er an alle Länderchefs erlassen und ihnen das ihm über die Reise Ew. Majestät und über die Teilnahme, welche Allerhöchstdieselben überall fanden, zur Kenntnis bringen will; ferner, daß von allen Seiten Deputationen an Ew. Majestät nach Innsbruck entsendet worden und daß in Wien Ruhe und Ordnung herrschen. Die Verfügungen des Ministeriums, mit dem sie sich in ununterbrochener Verbindung zu erhalten hätten, würden die Länderchefs aus den öffentlichen Blättern entnehmen.

Der Ministerrat fand dagegen keine Erinnerung zu machen24.

IX. Offizielle Mitteilung der Abreise des Kaisers an das diplomatische Korps

Der Minister des Inneren wird das Ministerium des Äußern angehen, das diplomatische Korps von der Abwesenheit Ew. Majestät ämtlich in Kenntnis zu setzen und dasselbe anzugehen, mit dem hiesigen Ministerium fortan in direkter Geschäftsverbindung zu bleiben25.

X. Gegenseitiges Salutieren von Nationalgarde und Militär

Derselbe Minister [des Inneren] brachte hierauf infolge eines erhaltenen Schreibens des hiesigen Stadtkommandanten Baron Sardagna das wechselseitige Salutieren zwischen dem Militär und der Nationalgarde zur Sprache26. Hiernach wäre vor den Offizieren der Nationalgarde zu salutieren, wenn sie eine Schärpe tragen, und vom Feldwebel abwärts hätte das Salutieren beiderseits zu unterbleiben.

Baron Pillersdorf wird in diesem Sinne das Nötige an Baron Sardagna erlassen und von dem Erlassenen dem Kriegsminister die Mitteilung machen27.

XI. Reisepläne des Grafen Hartig

Der Kriegsminister Graf Latour zeigte an, daß der Hofkommissär Graf Hartig die Absicht habe, sich von Udine über Bozen nach Verona zu begeben, was nach seiner Ansicht nicht zu gestatten wäre, weil Verona, eine Festung, kein zur Pazifikation geeigneter Ort sei28.

Der Ministerrat teilte diese Ansicht, und der Minister des Inneren Baron Pillersdorf übernahm es, dem Grafen Hartig zu schreiben, daß er sich nicht nach Verona zu begeben und über die Wahl seines Aufenthaltes ohne Einvernehmen mit dem Feldmarschall Grafen Radetzky keine Verfügung zu treffen und überhaupt bei seinen Erlässen sich mit dem Kommandierenden zu benehmen habe29.

XII. Freikorpsaufstellung in der Steiermark

Derselbe Minister eröffnete, daß der Gouverneur von Steiermark Graf Wickenburg die Errichtung eines Freikorps daselbst beabsichtige und sich nur die Weisung erbitte, woher er das Nötige Geld dazu zu beziehen habe30.

Demselben wäre von Seite des Kriegsministeriums zu erwidern, daß er sich wegen der Geldmittel an das Kriegszahlamt wende, und es wäre der General Graf Spanocchi darnach anzuweisen31.

XIII. Freikorpsaufstellung in Wien

Auch hierorts soll ein Freikorps neuerdings errichtet werden. Der Kriegsminister erklärte sich dazu bereit und wird einen Generalen bestimmen, der sich diesfalls mit dem Regierungspräsidenten Grafen Montecuccoli benehme32. Lokalitäten zur Unterbringung des Freikorps werden sich finden, und hierzu entweder geschlossene Fabriken oder die Kaserne auf der Mauer verwendet werden können, wo dann die Jäger von der Mauer nach Wien zu versetzen wären33.

XIV. Pferdeankauf für die Armee

Da nach einer Anzeige des Hofrates Soiron der Pferdeankauf für die Armee nur langsam vor sich geht, so stellte der Kriegsminister die Anfrage, ob nicht eine Pferdestellung etwa in der Art einzuleiten wäre, daß von dem Pferdestande der Dominien 3% beizustellen wären.

Der Ministerrat fand es unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht angemessen, eine Pferdestellung anzuordnen; lieber solle man mehr zahlen, um sich die nötige Anzahl von Pferden zu verschaffen34.

XV. Verstärkungen und Beförderungen bei der Feldartillerie

Mit dem beiliegenden Vortrage vom 20. d. M., Z. 198735, bittet der Kriegsminister um die nachträgliche Ah. Genehmigung der von ihm der Dringlichkeit wegen selbst verfügten Verstärkungen und Beförderungen bei der k. k. Feldartillerie.

Der dem Protokolle beiliegende Extrakt, KZ. 1987, enthält die nähere Angabe dieser Verstärkungen und Beförderungen.

Der Ministerrat findet diese Bitte bei Ew. Majestät ehrfurchtsvoll zu unterstützen36.

XVI. Berufung Freiherrn v. Pratobevera zum Prokurator bei den Preßgerichten

Der Justizminister brachte hierauf die Notwendigkeit der baldigen Errichtung von Preßgerichten37 zur Sprache, da bereits Anklagen wegen Preßvergehen vorliegen. Das Appellationsgericht wird ihm die Personen anzeigen, welche es hiezu gewählt hat. Gegenwärtig handelt es sich um die Bestellung eines Staatsprokurators, seines Stellvertreters und eines Individuums, das die Pflicht hat, alle Zeitungen zu lesen und die allenfälligen Preßvergehen zu entdecken.

Als Staatsprokurator wäre nach der Ansicht des Baron Sommaruga der Appellationsrat Pratobevera38 zu bestellen. Er ist fertig in der Sprache, hat einen verläßlichen Charakter und ein gutes Benehmen. Der Umstand, daß er in Frankfurt der sogenannten schwarzen Kommission beigegeben war39, dürfte ihm, da er auch künftig ein Mann der Regierung sein soll, nicht im Wege stehen. Da er als Appellationsrat 2500 fr. Gehalt und 200 fr. Quartiergeld hat, so wäre er mit diesen Bezügen und einer Funktionszulage von 500 fr. zu berufen. Sein Substitut wäre in Parifikation mit einem Landrate mit 1600 fr. Gehalt und einer Funktionszulage von 400 fr. anzustellen. Dem Zeitungsleser wäre ein Gehalt von 600 fr. zu bewilligen.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden, wornach Baron Sommaruga das Nötige einleiten wird40.

XVII. Abreise des Kaisers

Derselbe zeigte den Erfolg seiner Vernehmung des Hofdienstpersonales rücksichtlich der Ah. Abreise von Wien an41. Nach dieser Vernehmung hat niemand von dem Dienstpersonale um die Ah. Abreise voraus etwas gewußt. Die Kutscher erhielten den Auftrag bis Purkersdorf und da mit denselben Hofpferden bis Sieghartskirchen zu || S. 299 PDF || fahren. Dort angekommen, erhielten sie den Befehl, da über Nacht zu bleiben, der Ah. Hof nahm Postpferde und fuhr weiter42.

XVIII. Judensteuer in Galizien

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte die unangenehme Anzeige des Gouverneurs in Lemberg Grafen Stadion zur Kenntnis des Ministerrates, nach welcher die Juden, sich auf den § 25 der Konstitution berufend, keine Judensteuer mehr zahlen wollen43. Hierdurch entgehe nicht nur dem Ärar eine Einnahme von 800.000 fr., sondern es werde auch in eine Menge von Entschädigungsprozessen mit den Pächtern dieser Steuer verwickelt.

Unter den gegenwärtigen Umständen ist es schwer, gegen die Juden hart aufzutreten. Die Anzeige wäre daher bloß zur Wissenschaft zu nehmen und der Gouverneur aufzufordern, das möglichste für den Vorteil des Ärars zu tun44.

XIX. Petition der Wiener Studenten

Derselbe Minister machte die Anzeige von einer lange (in der Aula) besprochenen Sturmpetition, welche nach der ihm zugekommenen Nachricht folgende Punkte zum Gegenstande hatte; 1. Aufhebung des gegenwärtigen Ministeriums und Berufung eines aus dem Volksstande, 2. Aufhebung der Klöster, Einziehung der geistlichen Güter, Besoldung der Geistlichen aus dem Staatsschatze, Aufhebung des Zölibats; 3. Reduktion der Hofämter, Entfernung des Militärs von Wien, Freigebung Italiens und Polens. Zur Unterstützung wurde auf die Verbindung mit 15.000 Arbeitern hingewiesen. Diese ausschweifende Petition dürfte durch die am 22. vormittags in der Universitätsaula abgehaltene große Versammlung als bedeutend herabgestimmt erscheinen, bei welcher über die künftige Stellung der Studenten in Wien beraten wurde und wobei ein Teil dafür stimmte, daß an die Bürger Wiens ein Abschiedsruf ergehen und daß die gesamte Akademische Legion mit Ausnahme der eingebornen Wiener in Masse von Wien fortziehen sollen, um sich teils in die Heimat, teils auf andere deutsche Universitäten zu begeben. Ein anderer Teil riet, bei dem Ministerium um einen verlängerten Ferialurlaub zu bitten, und dabei die Bedingung zu stellen, daß in Abwesenheit der Studierenden nichts von den Errungenschaften der März- und Maitage geschmälert werde. Jedenfalls geht daraus hervor, daß sie sich der politischen Verhandlungen enthalten wollen45.

XX. Aufnahme der Verfassung und des Wahlgesetzes in Triest

Der Minister des Inneren las dem Ministerrate eine Depesche vom Gouverneur in Triest Grafen Salm, aus welcher im wesentlichen hervorging, daß die freisinnige || S. 300 PDF || Verfassungsurkunde daselbst mit Beifall aufgenommen wurde46. Nicht so befriedigend waren die Äußerungen über das provisorische Wahlgesetz. Die Stadt Triest habe 60.000 und mit den dazugehörigen Umgebungen 80.000 Einwohner, und sei daher mit zwei Abgeordneten zu wenig bedacht. Die eigentümliche Stellung der Stadt als zweiter Handelsplatz und erster Hafen der Monarchie hätte eine größere Beteilung, nämlich mit drei statt zwei Abgeordneten, wünschenswert gemacht u. dgl.

XXI. Schreiben des Franz Grafen Deym und Stritetz über die Abreise des Kaisers

Der Kriegsminister teilte ein Schreiben vom Grafen Deym, Obersten eines Husarenregimentes aus Böhmen, mit, nach welchem dort eine große Freude über die Abreise Ew. Majestät und Entrüstung über die Undankbarkeit der Stadt Wien sich kundgab47. Wien sei nicht Paris. Würde hier die Republik ausgerufen, so würden die Provinzen in Masse aufstehen. Da Ew. Majestät in Sicherheit sind, so könne man sich aussprechen, anders wäre es, wenn Allerhöchstdieselben gleichsam als Geisel hier zurückgehalten würden. Man hält die Konzessionen vom 15. Mai48 für Ew. Majestät abgedrungen. Tausende aus Böhmen, Mähren und Schlesien würden hierher ziehen, um Ew. Majestät zu schützen. Alles ist gegen die Zentralisierung in Wien eingenommen. Dieses Schreiben wurde zur Bekanntmachung durch die Zeitung nicht für geeignet erkannt.

XXII. Änderung des Zirkularschreibens über die Einschränkung des Umtausches von Banknoten in Silber

Das in der Ministerratssitzung vom 21. Mai besprochene und heute den 22. kundgemachte Zirkulare über die Verwechslung der Noten der österreichischen Nationalbank und deren Verwendung als Zahlungsmittel49 enthält unter anderm folgende Schlußbestimmung: Zugleich wird festgesetzt, daß jedermann gehalten sein soll, die Banknoten der privilegierten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerte anzunehmen, gebührt die Zahlung in einer bestimmten Münzsorte, so ist sie nach der Wahl des Schuldners in dieser Münzsorte oder nach dem Werte zur Zeit der Zahlung in Banknoten zu leisten.

Der Finanzminister bemerkte, daß diese Bestimmungen bei der hiesigen Bank und unter den angesehensten Handelshäusern eine große Bestürzung hervorgebracht haben. Der Bankgouverneur Mayer v. Grafenegg bat dringend, daß mehreren der angesehensten Firmen auf dem hiesigen Platze (Baron Eskeles, Stametz-Mayer, Popp, Baron Rothschild und andere, die ihn begleitet haben) gestattet werden wolle, ihre Bedenken gegen die oberwähnten Zirkularbestimmungen dem Ministerrate unmittelbar vorzutragen.

Obgleich es der Stellung des Ministeriums nicht angemessen ist, mit Privatpersonen oder solchen, deren Interesse dabei beteiligt ist, zu kommunizieren, so hat in diesem dringenden Falle der Ministerrat doch ausnahmsweise gestattet, daß diese Handelsleute ihre Bedenken und Gründe gegen die gedachten Bestimmungen ihm unmittelbar vortragen können.

Die eingeführten Handelsleute bemerkten, daß alle Wechselzahlungen auf dem hiesigen Platze in der Art stipuliert seien, daß drei Stück Zwanziger auf 1 fr. oder || S. 301 PDF || 60 Stück auf eine kölnische Mark kommen. Durch die erwähnten Bestimmungen des Zirkulars werden die Banknoten, da man zu den zu leistenden Zahlungen in Zwanzigern diese in gehöriger Menge nicht wird haben können, einen Kurs bekommen, es wird sich der Nominalwert der Banknoten von jenem der Münze trennen. Diese bedauerliche Erscheinung würde den Handel, die Industrie und allen Kredit zerstören, Zahlungsunfähigkeiten verursachen und überhaupt eine Katastrophe herbeiführen. Die Bank habe 181 Millionen Banknoten emittiert, träte ein Kurs derselben ein, so würde sie nach dem Verhältnisse dieses Kurses an dem Werte verlieren. Der gegenwärtige Zustand leide keinen Vergleich mit den früheren Zeiten des Papiergeldes, in denen es keine Valuta gab, während jetzt eine bestimmte besteht.

Sie baten daher dringend, es von den oberwähnten Bestimmungen abkommen zu lassen, oder doch wenigstens festzusetzen, daß die Zahlungen in einer bestimmten Münzsorte sich nur auf Gold und ausländische Silbermünzen zu beziehen haben.

Nachdem die Handelsleute abgetreten waren, bemerkte der Justizminister, daß in rechtlicher Beziehung gegen das erwähnte Zirkulare in seinem ganzen Umfange nicht wohl eine Einwendung erhoben werden könne. Das ABGB. bestimme: Wenn die Zahlung nicht in der bedungenen Valuta geleistet wird, so sei sie nach dem Werte derselben zur Zeit der Zahlung zu leisten. Da indessen die Umstände dringend seien und die Bittsteller, wenn man ihnen nicht nachgäbe, das Besorgte selbst herbeiführen könnten, so nahm er weiter keinen Anstand, auf die Berücksichtigung der obigen Bitte anzutragen.

Derselben Ansicht war auch der Finanzminister und die übrigen Mitglieder des Ministerrates. Rücksichtlich des konventionsmäßig ausgeprägten Silbergeldes könne man nachgeben, was sich auch vom Gesichtspunkte des Rechtes rechtfertigen lasse, da die Bank noch immer verwechselt.

Hiernach wurde die aus der Anlage näher zu ersehende Erläuterung des heute erschienenen Zirkulars beschlossen und dieser Beschluß den im Vorzimmer harrenden Handelsleuten bekannt gemacht, womit sie ganz zufrieden waren50.

XXIII. Vortrag Pillersdorfs über den Gang der Regierung in Wien

Schließlich hat der Minister des Inneren den an Ew. Majestät über den Gang der Regierung in Wien heute zu erstattenden au. Vortrag51 vorgelesen, worin in der Wesenheit bemerkt wird, daß die Ruhe hierorts nicht gestört wurde, daß die Munizipalwache allmählig in Wirksamkeit trete, daß das Kriminalgericht die beiden Revolutionäre Tuvora und Häfner zum Kriminalverfahren geeignet erkannt hat, daß sich die Studentenlegion auflösen will, daß der Ministerrat die letzterwähnte Erläuterung des Zirkulars vom 22. d. M. beschlossen hat und daß der allgemeine Wunsch immer lebhafter ausgesprochen werde, Ew. Majestät möchten so bald als möglich nach Wien zurückkehren oder doch einen Wien näheren Aufenthaltsort wählen.

|| S. 302 PDF || Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern52. Den Mai 1848, Pillersdorf. Ges. 29. Mai. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Innsbruck, am 29. Mai 1848.