MRP-1-1-01-0-18480505-P-0028.xml

|

Nr. 28 Ministerrat, Wien, 5. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Latour, Krauß, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); BdE. Pillersdorf (6. 5.), Franz Karl (7. 5.).

MRZ. 628 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung am 5. Mai 1848 unter dem Vorsitze des interimistisch mit dem Präsidium des Ministerrates beauftragten Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Petitionen an den Innenminister

Der Minister des Inneren begann die Sitzung mit der Eröffnung, daß in der Universitätsaula eine große Aufregung herrsche und unter den Studenten mehrere Wünsche laut würden, welche sie auch bereits in einer an das Ministerium des Inneren gerichteten Petition niedergelegt haben1. Auch von andern Seiten, namentlich vom ständischen Ausschusse seien dem Ministerium ähnliche Aufforderungen zugekommen2, und insbesondere spreche sich die öffentliche Meinung entschieden über die Notwendigkeit der Errichtung eines Agrikultur- und Handelsministeriums, die baldigste Veröffentlichung des Wahlgesetzes und der Berufung der Reichsstände noch vor Ablauf des Monats Junius aus.

Da nun alle diese Maßregeln in der Absicht des Ministeriums ohnehin gelegen sind, der Finanzminister bereits die Vorarbeiten über die Organisierung eines besondern Ministeriums für den Handel und die öffentlichen Arbeiten begonnen hat3, und der bereits vollendete Entwurf des Wahlgesetzes von dem Ministerrate demnächst wird in Beratung gezogen werden können4, so wurde beschlossen, einen Artikel in die Wiener Zeitung vom 6. l. M. einrücken zu lassen, der über alle diese Punkte dem Publikum beruhigende Nachrichten gibt und völlig geeignet erscheint, diese Aufregung zu beschwichtigen5.

II. Aufhebung des Jesuiten und Redemptoristenordens

Der Minister des Inneren äußerte ferner, es bestehe noch eine weitere tiefe Aufregung in der Bevölkerung gegen die Orden der Redemptoristen und Jesuiten6. Die Wünsche nach deren Aufhebung würden auch unter den Gutgesinnten immer lauter, zumal die herrschende Erbitterung gegen jene geistlichen Korporationen von Übelwollenden auch zu Ruhestörungen und zu Angriffen auf die Regierung mißbraucht werde. Andererseits hätten tatsächlich weder die Jesuiten noch die Redemptoristen den || S. 158 PDF || Zwecken, zu welchen sie berufen worden waren, befriedigend entsprochen und selbst zu vielen gegründeten Klagen über tadelnswerte Einmischung in Privatverhältnisse, über Erbschleicherei etc. Anlaß gegeben.

Unter diesen Umständen erscheine der Antrag auf deren Aufhebung begründet und als ein von der öffentlichen Meinung verlangtes Zugeständnis unausweichlich.

Baron Pillersdorf und mit ihm der ganze Ministerrat glaubte sich sofort die Ah. Sanktion der Aufhebungsmaßregel ehrfurchtsvoll erbitten zu sollen7.

III. Gerüchte über Einflußnahme auf die Regierungsgeschäfte

Da im Publikum die Gerüchte wegen eines noch fortdauernden und mit der konstitutionellen Regierungsform nicht vereinbarlichen Einflusses höchster Personen auf die Staatsgeschäfte noch immer wiederholt werden und vielfach Glauben finden, so erschien es dem Ministerrat wünschenswert, wenn derlei Gerüchten (allenfalls durch eine Reise) jede weitere Nahrung genommen würde8.

Da ferner verlautet, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer demnächst am Ah. Hoflager zu einem längeren Besuche eintreffen wird9, so hielt es der Ministerrat für seine Pflicht, ehrerbietigst darauf hinzudeuten, daß die häufigen und lange dauernden Séjours, welche Se. kaiserliche Hoheit als Vizekönig mit Höchstdessen Familie und Hofstaat am Ah. Hoflager zu halten als Gast zu nehmen pflegten, zu verschiedenen unliebsamen Bemerkungen Anlaß gegeben haben, welche bei der dermaligen Lage der Finanzen und der Dinge überhaupt noch lauter werden dürften, so daß es in mehr als einer Hinsicht wünschenswert wäre, wenn der durchlauchtigste Herr Erzherzog Höchstseinen Aufenthalt auf einer Privatherrschaft Höchstdesselben zu nehmen geruhen möchte10.

IV. Verbleib Graf Johann Ernst Hoyos-Sprinzensteins als Nationalgardekommandant

Der Minister des Inneren brachte mit Berufung auf seinen gleichzeitig überreichten au. Vortrag vom 5. Mai 1848 11, in Antrag, daß Se. Majestät sich bewogen finden dürften, dem Grafen Hoyos, nach dem ausgesprochenen einstimmigen Wunsche der Nationalgarde, welchem Graf Hoyos nunmehr nachzugeben bereit ist, das Oberkommando der hiesigen Nationalgarde noch ferner Ag. zu belassen. Dem FML. Ritter v. Hess wäre gleichzeitig das Ah. Wohlgefallen für seine Bereitwilligkeit, sich dieser Dienstleistung zu unterziehen, mit dem Beifügen zu erkennen zu geben, daß Se. Majestät die Dienste desselben Sich für eine andere Gelegenheit vorzubehalten geruhen12.

|| S. 159 PDF || Diesem Antrage wurde einstimmig beigepflichtet13.

V. Robotaufhebung in Mähren

Der Minister des Inneren eröffnete, die mährischen Stände hätten, in Erwägung der Schwierigkeiten das dermalige Robotverhältnis auch nur bis zu dem im Ah. Patent festgesetzten Termin, d. i. bis Ende März 184914, aufrechtzuerhalten, beschlossen, einen billigen Maßstab festzusetzen, wonach die Robotleistungen auch schon vor jenem Termin, über Ansuchen eines Teiles zu reluieren wären15. Dieser Maßstab würde den Landesverhältnissen möglichst anpassend entworfen und dabei noch der ausdrückliche Vorbehalt gemacht werden, daß, wofern die Robotentschädigung durch den Reichstag noch mit einem geringeren Betrage ausgesprochen werden sollte, die Rückvergütung des Mehrbetrages an den Robotreluenten einzutreten hätte.

Der Ministerrat beschloß, daß den mährischen Ständen die Zustimmung zu dieser im allseitigen Interesse gelegenen Maßregel ausgesprochen werde, damit sie baldigst ins Leben trete16.

VI. Maßnahmen zur Beruhigung der Studenten

Der mit der Leitung des Unterrichtsministeriums betraute Freiherr v. Sommaruga berichtete, er habe zur Verminderung der unter den Wiener Studierenden herrschenden Aufregung die Einleitung getroffen, daß die Aula täglich nur durch drei Stunden geöffnet bleibe und daß die Debatten in derselben stets durch einen Fakultätsdekan oder Professor geleitet werden, um dieselben in den gehörigen Schranken zu erhalten17.

Dr. Giskra werde auf Veranlassung des Baron Sommaruga von dem Lehrkörper der Wiener Universität über seine aufreizenden Vorträge zur Verantwortung gezogen und nach Umständen von der Lehrkanzel, welche er dermal suppliert, entfernt werden18. Auch wird getrachtet werden, durch baldige Abhaltung der Prüfungen eine frühere Schließung der Universität zu bewirken. Damit hiebei die Absicht der Regierung nicht || S. 160 PDF || hervortrete, deutete der Minister des Inneren darauf hin, daß ein Gesuch der Professoren selbst um frühere Vornahme der Prüfungen provoziert werden könnte19.

VII. Maßnahmen zur allgemeinen Beruhigung

Über die Bemerkung des Finanzministers , daß die fortwährenden Bewegungen und Ruhestörungen in Wien auf die Börse und den Stand der Papiere einen sehr nachteiligen Einfluß ausüben, äußerte Baron Sommaruga, daß die unverzügliche Beeidigung der ganzen Nationalgarde auf die Verfassung der Regierung eine weit größere moralische Macht zur Unterdrückung von Aufläufen etc. verleihen dürfte.

Der Minister des Inneren erklärte, er teile ganz diese Ansicht. Allein, er könne sich doch nicht erlauben, jetzt schon die Abnahme des Eides der Nationalgarde in Antrag zu bringen, weil diese Maßregel, wenn nicht gleichzeitig auch der Eid auf die Verfassung von den Beamten, der Armee und von Sr. Majestät Allerhöchstselbst abgelegt würde, einen ungünstigen Eindruck hervorbringen und ihren Zweck ganz verfehlen dürfte. Baron Pillersdorf erwartet die Herstellung der Ruhe von der Kräftigung der Unterbehörden, von der Organisierung des Sicherheitskomitees20 und von dem tätigen Eingreifen des an die Stelle des pensionierten Regierungspräsidenten Baron Talatzko21 Ah. zu ernennenden neuen Landeschefs für Niederösterreich. Mit Beziehung auf seinen gleichzeitig überreichten au. Vortrag vom 4. Mai 1848 22 glaubte Baron Pillersdorf zur provisorischen Versehung dieses wichtigen Postens den niederösterreichischen Landmarschall Minister Graf Montecuccoli vorschlagen zu sollen, der mit allen dazu erforderlichen Eigenschaften noch den Vorteil einer großen Popularität verbindet, welche den Erfolg seines ämtlichen Einschreitens in vielen Fällen wesentlich fördern wird. Graf Montecuccoli würde gleichzeitig seine Stellung bei den Ständen beibehalten, so daß in dieser Beziehung keine Störung eintreten dürfte.

Die sämtlichen Minister traten diesem Besetzungsvorschlage bei23.

VIII. Aufhebung der Judensteuer in Galizien

Der Finanzminister berichtete, Graf Franz Stadion habe in Erwägung der Unhaltbarkeit der Judensteuern24 und in der Absicht, den israelitischen Teil der Bevölkerung für die Regierung zu gewinnen, vorgeschlagen, daß die Judensteuern in Galizien sofort aufgehoben würden25. Baron Krauß erklärte, er sehe sehr wohl voraus, daß die Judensteuern in einer nicht fernen Zukunft durch den Reichstag werden aufgehoben werden, allein bei der dermaligen Lage der Finanzen halte er als nicht an der Zeit, || S. 161 PDF || schon jetzt und ohne Äquivalent eine Steuer aufzugeben, die 800.000 fl. des Jahres einträgt und deren Einhebung auch mit den Bestimmungen der Verfassungsurkunde vereinbarlich ist.

Es wurde hierüber vom Ministerrate beschlossen, das Einschreiten des galizischen Landesgouver­neurs ablehnend zu beantworten26.

Die den Anträgen des tg. Ministerrates unter Z. 2, 4 und 7 entsprechenden Resolutionsentwürfe werden hiemit in tiefster Ehrfurcht der Ah. Sanktion unterzogen.

Am 6. Mai 1848. Pillersdorf. Ges. 7. Mai. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 7. Mai 1848.