MRP-1-1-01-0-18480428-P-0021.xml

|

Nr. 21 Ministerrat, Wien, 28. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Pillersdorf, Krauß, Taaffe, Zanini; BdE. Ficquelmont (29. 4.), Franz Karl (29. 4.).

MRZ. 511–512 – KZ. –

Protokoll des Ministerrates vom 28. April 1848.

I. Rücktritt FML. Peter Zaninis; Ernennung Theodor Graf Baillet de Latours zu seinem Nachfolger

Der provisorische Ministerpräsident zeigte dem Ministerrate an, daß er infolge der in einer früheren Ministerratssitzung beschlossenen1 und von ihm übernommenen Mission Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Franz Karl den festen Entschluß und die dringende Bitte des Kriegsministers, FML. Zanini, seinen Ministerposten in die Hände Ew. Majestät zurückzulegen, vorgetragen und Höchstdemselben zugleich die Ansicht des Ministerrates eröffnet habe, daß der FZM. Graf Baillet Latour derjenige Mann sei, welcher seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und persönlichem Charakter nach als der Nachfolger Zaninis im Kriegsministerium bezeichnet werden könnte.

Der provisorische Ministerpräsident bemerkte zugleich, hierüber auch mit dem FZM. Grafen Latour gesprochen zu haben, welcher sich dahin äußerte, daß er diesen Posten zwar nicht gesucht haben würde, wenn aber das Vertrauen Ew. Majestät ihn dazu beruft, so würde er keinen Anstand nehmen, ihn anzutreten, weil es Kleinmut verraten würde, sich nicht dort zu stellen, wohin ihn der Dienst ruft, nur sprach er den Wunsch und die Hoffnung aus, daß ihm sein Vorgänger FML. v. Zanini in seinem neuen Amte an die Hand gehen möge, was dieser bereitwillig und mit Vergnügen zu tun versprach. Ew. Majestät dürften Sich sonach Ag. bestimmt finden, den Kriegsminister FML. v. Zanini seines Ministerpostens in Gnaden zu entheben und an seine Stellen den FZM. Grafen Baillet Latour zum Minister des Kriegswesens zu ernennen2.

II. Bezüge Graf Karl Ferdinand Buol-Schauensteins als Gesandter in Rußland

Der provisorische Ministerpräsident brachte hierauf als Minister des Auswärtigen einen an Ew. Majestät wegen Bewilligung der Bezüge für den nach Rußland bestimmten Gesandten Grafen Buol-Schauenstein von ihm beabsichtigten Antrag zur Sprache3.

|| S. 115 PDF || Um einen Maßstab für die Bemessung seiner Bezüge zu erhalten, bemerkte derselbe, daß die Vorgänger auf diesem Gesandtschaftsposten in den Jahren 1810 und 1816, Saint-Julien und Lebzeltern4, an Gehalt und Zulage 60.000 fl., an Quartiergeld 12.000 fl. (Baron Lebzeltern erhielt die Vergütung des Mietzinses nach Bedarf), dann zur ersten Einrichtung 40.000 fl. ein für allemal bezogen haben.

Nach dem vorläufigen Antrage des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten wären für den Gesandten in Rußland, Grafen Buol-Schauenstein, folgende Bezüge festzusetzen: 60.000 fl. an Gehalt (8.000 fl. fix und 52.000 fl. als Zulage), 12.000 fl. Quartiergeld und 30.000 fl. zur Einrichtung.

Da jedoch bemerkt wurde, daß gerade dieser Gesandtschaftsposten im Publikum vielfachen Anfechtungen ausgesetzt sein werde, und man sich gegen Vorwürfe von Seite des Reichstages schützen müsse, Graf Buol-Schauenstein übrigens auch eigenes Vermögen besitzt, so einigte sich der Ministerrat in der Ansicht, daß dem Gesandten in Rußland an Gehalt und Zulage 50.000 fl., an Quartiergeld 10.000 fl. und zur Einrichtung ein für allemal 20.000 fl. zu bewilligen wären.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten wird demgemäß den au. Vortrag an Ew. Majestät erstatten5.

III. Kein österreichisches Kontingent für eine deutsche Reservearmee

Derselbe Minister brachte den Antrag und Beschluß des Ausschusses in Militärangelegenheiten zu Frankfurt zur Kenntnis des Ministerrates, wornach in der Absicht, die deutschen Bundesgrenzen zu decken, die Aufstellung einer Reservearmee im Herzen von Deutschland in der Gegend von Hof und Bamberg für notwendig erkannt und das Ansinnen gestellt wird, daß 20.000 Österreicher und Preußen dahin beordert werden mögen, und daß dem Ausschusse die Zeit, wann die Vorbereitungen zum Abmarsche fertig sind, angezeigt werden wolle6.

Der Ministerrat findet es angedeutet, ja notwendig, dieses Ansinnen so viel möglich abzulehnen, was umso leichter geschehen könne, als Österreich sich gegenwärtig im Kriege mit allen italienischen Regierungen befindet, die östliche Grenze und Tirol gleichfalls bedroht sind, und Deutschland auch deshalb weniger Rücksicht verdiene, weil es den polnischen Emigranten den Durchzug zu unserem Nachteile gestattet.

|| S. 116 PDF || Der Minister des Äußern wird sich hiernach benehmen7.

IV. Behandlung bei Gefechten gefaßter Zivilisten

Der Justizminister trug dem Ministerrate vor, daß der FZM. Graf Nugent im Gefechte bei Visco am 18. April d. J. 25 Individuen des Zivilstandes mit Waffen in der Hand gefangengenommen und dem Kreisamte zu Görz, dieses aber sie dem Stadt- und Landrechte zu Triest überliefert habe, damit sie als Hochverräter in Untersuchung gezogen werden.

Gegen die kriminalgerichtliche Behandlung dieser und ähnlicher Individuen durch Zivilgerichte macht der Triester Stadt- und Landrechtspräsident Baron Buffa und der küstenländische Gouverneur Graf Salm dringende Vorstellungen8.

Sie finden, es sei in Rechtsbeziehung schwer auszumitteln, ob solche mit den Waffen in der Hand ergriffenen Individuen freiwillig oder gezwungen die Waffen gegen Österreich trugen, jedenfalls würde diese Ermittlung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. In politischer Beziehung würde die Behandlung solcher Individuen nach der Strenge der Gesetze dem Pazifikationsgeschäfte des Grafen Hartig9 sehr hinderlich und im Widerspruche mit den milden Gesinnungen Ew. Majestät sein, nachdem Allerhöchstdieselben erst unlängst Amnestie für ähnliche Fälle in Galizien und Italien auszusprechen geruhet haben10.

Ferner würde es für die Zivilstrafbehörde bei Einlieferung dieser und anderer ähnlicher Gefangener absolut unmöglich sein, ihr Amt wegen Mangels an Richtern und Arresten gehörig zu üben.

Der Ministerrat erklärte sich mit der Ansicht des Justizministers und des Ministers des Inneren (an welchen die erwähnten Vorstellungen zuerst gelangten und von ihm an den Justizminister geleitet wurden)11 vollkommen einverstanden, daß der FZM. Graf Nugent nicht zu hindern wäre, solche Gefangene nach Umständen als Kriegsgefangene zu behandeln, als Hochverräter wären sie aber nicht in Untersuchung zu ziehen, wenn eine Untersuchung gegen sie nicht etwa wegen anderer Verbrechen angedeutet erscheint.

Um unsere Truppenkörper in Italien hiernach anzuweisen, wird diese Angelegenheit an den Kriegsminister geleitet12, gleichzeitig aber vom Justizminister das Erforderliche || S. 117 PDF || an Grafen Salm, an den obersten Justizpräsidenten und an den Minister des Inneren erlassen13.

Der provisorische Ministerpräsident erinnerte bei diesem Anlasse, daß der Gouverneur Graf Salm die oberwähnte Vorstellung auch dem Grafen Hartig mitgeteilt, und daß Graf Hartig bei dem erfolgreichen Fortschreiten der k.k. Armee und im Sinne seines Pazifikationswerkes die erwähnten Gefangenen an dem Geburtsfeste Ew. Majestät freigelassen habe14. Dieser Gnadenakt habe eine sehr gute Wirkung hervorgebracht. Die Freigelassenen seien auf ihre Knie gefallen und haben schluchzend ausgerufen: „Evviva il nostro Imperadore Ferdinando.“15

Wenn nun auch durch die gedachte Freilassung für den gegenwärtigen Fall keine Verfügung notwendig erscheine, so bleibe sie doch für künftige Fälle erforderlich, und die oberwähnte Erledigung erleide hierdurch keine Abänderung.

V. Proteste gegen das Silberausfuhrverbot

Der Finanzminister erwähnte hierauf der Anstände, welche das unlängst erlassene Silberausfuhrverbot in einigen benachbarten Staaten, insbesondere in Bayern und Sachsen, hervorgebracht hat16.

Die bayerische Regierung droht mit Retorsionsmaßregeln in der Getreideausfuhr17.

Die sächsische Regierung hat gleichfalls dagegen protestiert und wünscht vorzüglich Erleichterungen in dieser Beziehung für die Leipziger Messe18. Ihre Wünsche lassen sich auf folgende Punkte zurückführen: a) daß die betreffenden Staatsangehörigen, wenn sie anerkannte Forderungen hierlands haben, diese ungehindert in Silber beziehen dürfen; b) daß auch hiesigen Untertanen die Abtragung ihrer Schuldigkeiten in Münze an fremde Untertanen möglichst erleichtert werde, und c) daß zum Einkaufe von Getreide Silbergeld ausgeführt werden dürfe.

|| S. 118 PDF || Der Finanzminister bemerkt, daß in Tirol die Behörden bis zu den Zollämtern ermächtiget sind, Pässe zur Silberausfuhr zum Einkaufe von Getreide zu erteilen19.

Schwieriger seien die beiden ersten Punkte, weil in Böhmen und Oberösterreich das Ausfuhrverbot strenge gehandhabt wird und auch die Mehrzahl der Glieder der Nationalbank gegenwärtig für das Ausfuhrverbot gut gestimmt ist.

Der Finanzminister müsse übrigens auch erinnern, daß Professor Endlicher und andere, welche von Frankfurt hier ankamen, ihm vorgestellt haben, daß dieses Verbot in Deutschland den übelsten Eindruck hervorgebracht habe und daß zu besorgen sei, wenn das Verbot bis zur Eröffnung des Frankfurter Landtages nicht zurückgenommen ist, unsere Deputierten dort gar nicht zugelassen werden20.

Der Finanzminister findet den Widerruf des gedachten Verbotes (welches auf die Verminderung der Banknotenumwechslung offenbar wohltätig eingewirkt hat) gegenwärtig nicht rätlich und meint, daß die Silberausfuhr nur dann zuzugestehen wäre, wenn glaubwürdig dargetan wird, daß das Geld als Zahlung für Forderungen an Österreich oder zur Tilgung unserer Verbindlichkeiten im Auslande gebraucht wird, in welchem Falle Pässe bis auf 5.000 fl. zu erteilen wären.

Hiernach wären (ohne übrigens eine Kundmachung zu veranlassen) die Landeschefs von Tirol, ob der Enns und Böhmen (das letztere für die Dauer der Leipziger Messe) anzuweisen21.

Es ist zwar nicht zu verkennen, daß diese Zwischenverfügung auf mancherlei Art wird mißbraucht werden können, indessen wird sie doch dazu dienen, die fremden Regierungen zu beschwichtigen, und vielleicht wird das Silberausfuhrverbot selbst in kurzer Zeit zurückgenommen werden können. Der Ministerrat erklärte sich mit den Ansichten des Finanzministers einverstanden22.

VI. Offizielle Erklärung zur Verzögerung des Amtsantrittes Erzherzog Franz Josephs in Böhmen

Schließlich wurde zur Aufklärung des Umstandes im Publikum, warum Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Joseph Ihr Amt in Böhmen noch nicht angetreten haben23, beschlossen, diesfalls einen Artikel in die priv. Wiener Zeitung einrücken zu lassen, wie derselbe in dieser Zeitung vom 29. d.M. wirklich so erscheint: „Da Graf Leo Thun, welchen Ah. Se. Majestät zur Oberleitung des böhmischen Guberniums berufen haben, nicht sogleich Galizien, wo ihn bisher sein Dienstverhältnis festgehalten hatte, verlassen konnte und derselbe, bevor er zur Übernahme seines Dienstpostens nach Prag sich begab, erst noch nach Wien sich zu verfügen hatte, || S. 119 PDF || so trat eine Zwischenzeit ein, welche der zum Statthalter nach Böhmen bestimmte Erzherzog Franz Joseph dazu benützte, von seinem durchlauchtigsten Vater sich die Erlaubnis zu erwirken, auf einige Tage durch Tirol nach demjenigen Teile des lombardisch-venezianischen Königreiches zu reisen, welcher gegenwärtig die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht. Der durchlauchtigste Prinz benützte diese kurze Zeit vor dem Antritte seiner Mission nach Böhmen dazu, um ein lebendiges Bild von den Rüstungen und Verteidigungsmitteln zu erhalten, welche Feldmarschall Graf Radetzky gesammelt hat, und womit er an der Spitze des mutvollen österreichischen Heeres den vom Auslande her eingedrungenen Aufwieglern und Feinden der Ruhe entgegentritt. Nach Besichtigung des Terrains zwischen dem Mincio und der Etsch, welches im früheren Kriege der Schauplatz so vieler wichtiger Kriegsereignisse war, werden Se. kaiserliche Hoheit die Rückreise nach Wien antreten.“24

Ges. 29. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 29. April 1848.