MRP-1-1-01-0-18480419-P-0015.xml

|

Nr. 15 Ministerrat, Wien, 19. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Taaffe, Krauß, Sommaruga, Zanini; BdE. Ficquelmont (20. 4.), Franz Karl (21. 4.).

MRZ. 325 – KZ. –

Protokoll des Ministerrates vom 19. April 1848.

I. Konsolidierungsverhandlungen bezüglich der Nationalbank

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte mit Beziehung auf die in einem früheren Protokolle1 bereits besprochene Konsolidierung der Nationalbank (zu welchem Behufe derselben eine Hypothek von 30 Millionen Gulden auf die Saline Gmunden bestellt wurde) zur Kenntnis des Ministerrates, daß von Seite der Bank in Ansehung des Betrages dieser Sicherstellung einige Anstände erhoben werden2.

Die Bank findet nämlich, daß eine Sicherstellung von 30 Millionen in diesem Falle für die öffentliche Meinung zu wenig sei. Der Staat sei der Bank beinahe 60 Millionen schuldig und davon seien nur 30 Millionen gedeckt, eine größere Deckung erscheine daher notwendig.

Der Finanzminister erkennet darin nur einen Vorwand, eine größere Hypothek zu erlangen.

Er bemerkt, mit dem Minister des Inneren sich darüber besprochen zu haben, und dieser habe es als ratsam erklärt, alles, was möglich ist, zur Beruhigung der Bank zu tun.

Die Bank spricht über die bereits erhaltene Hypothek noch eine weitere von mindestens 18 Millionen an. Durch diese Begünstigung würde sie den auf sie eindrängenden Bedürfnissen zu genügen imstande sein, während sie es sonst nicht vermöchte. Eine Verbindlichkeit, diesem Ansinnen der Bank zu entsprechen, besteht, wie der Finanzminister bemerkt, nicht.

Die von der Bank itzt angesprochenen 18 Millionen sind gerade dasjenige, was von dem Werte der Saline Gmunden nach Abschlag der bereits davon hypothezierten 60 Millionen übrig bleibt. (Der Ertrag dieser Saline ist auf jährlich 3,900.000 fl. angeschlagen, was zu 5% einen Kapitalswert von 78 Millionen darstellt.) Diesen ganzen Rest von 18 Millionen der Bank zu bewilligen, ginge wohl nicht an; man muß alles vermeiden, was die öffentliche Meinung beleidigen könnte, und dies letztere wäre || S. 83 PDF || unstreitig der Fall, wenigstens bei den Gegnern der Bank, deren sie viele im Publikum hat, wenn man ihr die ganzen Saline hingeben würde.

Etwas muß indessen für die Bank noch getan werden, und es kann auch füglich und ohne Nachteil für dieselbe noch etwas geschehen, weil alles, was der Bank auf dem Grunde der erhaltenen Hypothek eingezahlt wird, an der Hypothek abzufallen hat, und weil die Bestätigung der erwähnten Hypothezierung von Seite der Reichsstände vorbehalten wurde. Sollte diese verweigert werden, so will die Bank die erhaltenen Sekuritäten an den Staat wieder zurückgeben. Das Ministerium stehe in einer Verfassung da, diesen Vorgang vor dem Reichstage rechtfertigen zu können; es hat das Pfand nicht auf immerwährende Zeit, sondern nur bis zum nächsten Reichstage gegeben, wo dann dieser Gegenstand neuerdings in Erwägung gezogen werden kann. In Ansehung der Vermehrung der in der Rede stehenden Hypothek von 30 Millionen Gulden ist auch von den Reichsständen nicht leicht eine Einwendung zu besorgen, weil die gegenwärtigen Umstände es dringend notwendig machen, den Stand der Bank zu konsolidieren und alles aufzubieten, um Einstellung der Zahlungen bei derselben auf alle tunliche Weise zu verhüten.

Der Finanzminister meinte daher, daß der Bank noch 15 Millionen zu bewilligen, d. i. die derselben auf die Saline Gmunden bereits gegebene Hypothek von 30 Millionen, auf 45 Millionen zu erhöhen wäre, und setzte die Vorteile auseinander, welche mit diesem Vorgange verbunden wären.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden, auf welchem Grunde der Finanzminister sogleich ex consilio das diesfalls Nötige verfügt hat.

Was die Formfrage anbelangt, ob diese 15 Millionen der Bank als ein besonderes Zugeständnis zu bewilligen oder gleich in den Vertrag wegen der gewährten Hypothek von 30 Millionen aufzunehmen wäre, erklärte man sich einstimmig für das letztere, weil dadurch das Geschäft vereinfacht und das Ministerium vor den künftigen Reichsständen statt zweier nur einen Akt nötigenfalls zu rechtfertigen haben würde3.

II. Eigenes Siegel für den Ministerrat

Hierauf kam die Notwendigkeit der Anschaffung eines eigenen Siegels für den Ministerrat Ew. Majestät zur Sprache, zu dessen Bewerkstelligung sogleich von dem Ministerrate das Erforderliche angeordnet wurde4.

III. Behandlung geringfügiger Angelegenheiten durch den Kaiser

Ferner wurde bemerkt, daß, um einerseits den vielbeschäftigten Ministerrat nicht mit geringfügigen Geschäftsstücken zu sehr in Anspruch zu nehmen und andererseits keine Geschäftsstockung zu verursachen, es angemessen, ja notwendig sein dürfte, solche geringfügige Angelegenheiten, mindere Gnadensachen u. dgl., deren täglich mehrere von den verschiedenen Ministern Ew. Majestät vorgelegt werden, nach vorläufiger Bearbeitung im Ministerpräsidialbureau gleich unmittelbar zur Approbation des Ministerpräsidenten vorzulegen.

|| S. 84 PDF || In solchen Fällen dürfte die übereinstimmende Ansicht und der gleichförmige Antrag zweier Minister zur Beruhigung Ew. Majestät als vollkommen genügend erkannt und die Vorlegung mehrerer Akten mit einem einzigen Umschlags- und Abstimmungsbogen versehen behufs der Ah. Genehmigung der darin enthaltenen Gegenstände veranstaltet werden.

Ein solches Verfahren wurde für die Zukunft als Norm festgesetzt5.

IV. Rücktritt des Justizministers Graf Ludwig Taaffe

Der Justizminister Graf Taaffe nahm für eine seine Stellung zum Ministerrate berührende Angelegenheit die Aufmerksamkeit in Anspruch.

Als er nämlich das ihm von der Ah. Gnade anvertraute Amt eines Justizministers übernahm6, hielt er sich für mutig genug, die Beschwerden und Angriffe, die ihn erwarteten, durch längere Zeit zu besiegen. Allein seine in der letzten Zeit herabgesunkene Gesundheit setzt ihn außer Stande, die fortgesetzten Verunglimpfungen der Presse7 und die Störung durch Gassentumulte fernerhin zu ertragen. So habe er die verflossene Nacht um 12 Uhr in seiner Wohnung das Stürmen des Haustores, das Einwerfen der Fenster und eine Katzenmusik bestehen müssen8, was für seine Familie noch mehr als für ihn betrübend gewesen sei. Daher habe er Sr. Majestät das mündliche Ansuchen gemacht, die Ministerstelle niederlegen zu dürfen. Bis zur Bestimmung des Nachfolgers in Departement sei er zwar bereit, die Geschäfte fortzuführen und selbst an der heutigen Beratung teilzunehmen, allein er müsse doch dringend um die Abnahme des Departements, wäre es auch nur interimal, wozu vielleicht der Minister des Unterrichtes sich herbeilassen würde, bitten, umso mehr, als er auch von einer sich nennenden ständischen Deputation beleidigende Zumutungen erfahren habe9. Se. Majestät hätten ihm erlaubt und aufgetragen, im Ministerrate einen Vorschlag für seinen Nachfolger zu machen, was er durch die Bezeichnung des Baron Sommaruga10 und des Vizepräsidenten Baron Gärtner11 in Erfüllung brächte. Sein Entschluß, gegen dessen Vollziehung die Mitglieder des Ministerrates Vorstellungen machten, sei nicht mehr zurückzunehmen, da er bereits die Wiener Abendzeitung, die öffentliche Mitteilung zu machen, veranlaßt habe12. So schmerzhaft ihm das Scheiden aus dem Ministerrate, zu dessen || S. 85 PDF || Mitgliedern er in den angenehmsten persönlichen Beziehung steht, fallet, so tröste ihn doch der Gedanke, daß das Ministerium hierdurch an Festigkeit gewinnen und für die öffentlichen Interessen noch wohltätiger wirken werde.

Der Ministerrat bedauerte, daß die Resignation unwiderruflich ausgesprochen sei, und bemerkte, daß eigentlich die Bekanntmachung erst dann hätte erfolgen sollen, wenn sie dem Ministerrate schon mitgeteilt worden wäre, damit kein Intervall des einzelnen Ministerdepartementsvorstehers vorkomme. Die eigentliche Formalisierung des Rücktrittes könne doch nur über eine vom Ministerium kontrasignierte Ah. Anordnung stattfinden. Diesem zu entsprechen, wird nach dem Wunsche des Grafen Taaffe die gegenwärtige Erklärung zur Grundlage eines seine Enthebung aussprechenden Ah. Beschlusses genommen werden13.

V. Bestellung Karl Ludwig Graf Ficquelmonts zum provisorischen Ministerpräsidenten

Selbst die Intimation von der definitiven Enthebung des provisorischen Ministerpräsidenten Grafen Kolowrat14 lasse noch etwas in formeller Hinsicht zu wünschen übrig, nämlich die ausdrückliche Bestellung des gegenwärtigen interimistischen Ministerpräsidenten Grafen v. Ficquelmont zum provisorischen Ministerpräsidenten; denn ohne diesen Ausspruch könnte das Ministerium als inkomplett betrachtet werden. Deshalb werden Ew. Majestät auch gebeten, alsbald den Ausspruch wegen des provisorischen Ministerpräsidenten Ag. zu tun15.

VI. Interimistische Führung des Justizministeriums durch Baron Franz Sommaruga

Was die Versehung des Portefeuilles der Justiz betrifft, so wird ad interim es allerdings der Minister des Unterrichtes übernehmen, allein baldigst wird diesfalls eine definitive Vorsehung zu treffen sein. – Geruhen demnach Ew. Majestät diesfalls baldigst die Ag. Willensmeinung zu erkennen zu geben16.

VII. Angestrebte Kontrolle des ungarischen Ministeriums über das Militär

Der Kriegsminister bringt die dringende Erledigung seines Vortrages vom 17. April 1848, Z. 144117, zur Sprache, in betreff dessen man sich dahin einigte, derzeit sich zu bestreben, das ungarische Ministerium bei seinen Verfügungen in Absicht auf das Militär in jene Richtung zu bringen, in welcher sich früher bereits die Statthalterschaft befand, daß nämlich die eigentlichen militärischen Verfügungen wohl im Vernehmen mit der Zivilbehörde, nicht aber von ihr, sondern von dem Militärgeneralkommando ausgehen. Es ist zu hoffen, daß durch viel vorsichtigeres Benehmen den Übergriffen des Ministeriums vorgebeugt und die militärischen Interessen unbeirrt erhalten werden18.

VIII. Verlegung zweier nichtslawischer Regimenter aus Galizien nach Ungarn

Über das Ansinnen des ungarischen Ministers Fürsten Esterházy , zwei Regimenter, jedoch nichtslawischer Zunge, aus Galizien nach den ungarischen Karpaten zu beordern19, bemerkt der Kriegsminister, daß diesfalls die Lage Galiziens große Hindernisse in den Weg lege. – Höchstens könnten vier Eskadrons von König von Preußen Husaren nach Ungarn verlegt werden, um hierdurch wenigstens die Bereitwilligkeit zu zeigen, dem Wunsche nach Kräften zu entsprechen, womit der Ministerrat einverstanden war20.

IX. Errichtung der Nationalgarde unter dem galizischen Landvolk

Ferner brachte der Kriegsminister dasjenige zur Kenntnis, was er wegen zweckmäßiger Errichtung und Bildung der Nationalgarde unter dem Landvolke Galiziens veranlaßt habe21.

X. Ansuchen der Triester Territorialmiliz; Säbeltragen für Offiziere bei der deutschen Infanterie

Endlich brachte derselbe Minister mit seinen beiden au. Vorträgen vom 18./19. April d. J., ZZ. 1457 und 1458, a) das patriotische Anerbieten der Triester Territorialmiliz, gegen den Feind dienen zu wollen, mit der Bitte zur Ah. Kenntnis, Ag. genehmigen zu wollen, daß das Offizierskorps dieser Miliz das Port d’Epée und die Feldbinde gleich der Armee tragen dürfe, und b) daß die Tragung des Säbels nach dem allgemeinen Muster für die Offiziers auch bei der deutschen Infanterie eingeführt werde.

Mit beiden Anträgen erklärte sich der Ministerrat einverstanden. Die Erledigungsentwürfe befinden sich bei den oberwähnten Geschäftszahlen22.

XI. Ag. Wohlgefallen über das Verhalten Peter Joseph Freiherrn v. Eichhoffs und Baron Karl Kübecks

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß stellte schließlich den Antrag, Ew. Majestät wollen sich Ag. bestimmt finden lassen, den beiden gewesenen Hofkammerpräsidenten Baron Eichhoff und Baron Kübeck, von denen der erstere laut KZ. 1415/184823 auf seinen Ruhegenuß von 16.000 fl. verzichtet und der letztere laut KZ. 1426/184824 die ihm mit Ah. Kabinettschreiben vom 3. Juli 1847 25 Ag. überlassene Realität „der Bankostadel“26 in der Weißgärber-Vorstadt zu Wien zurücklegt, für diesen ihren patriotischen Sinn das Ag. Wohlgefallen zu erkennen zu geben, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte27.

|| S. 87 PDF || Die diesfälligen Erledigungsentwürfe befinden sich bei den betreffenden Kabinettszahlen.

Ges. 21. April. Franz Karl. Vidi.