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Nr. 14 Ministerrat, Wien, 17. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Ficquelmont; anw. Taaffe, Pillersdorf, Krauß, Sommaruga, Zanini; BdE. Ficquelmont (18. 4.), Franz Karl (18. 4.).

MRZ. 313 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 17. April 1848.

I. Instruktionen an Graf Franz Stadion; Aufhebung der Robot und Organisierung der Nationalgarde in Galizien; Ausweisung fremder Emissäre aus Krakau und Vermehrung der dortigen Garnison

Der Minister des Inneren eröffnete die Sitzung mit der Vorlesung eines Schreibens des galizischen Landesgouverneurs, Grafen Stadion, worin er über den Gang anfragt, den die österreichische Regierung in den galizischen Landesangelegenheiten zu befolgen gedenkt1. Nach der Ansicht des Grafen Stadion ist es unter der gegenwärtigen Aufregung in jener Provinz - welche durch die rastlosen Umtriebe der revolutionären Partei im In- und Auslande2, durch die Rückkehr so vieler politischer Flüchtlinge und amnestierter Sträflinge3, endlich durch die in allen Provinzen des Kaiserstaates unverhohlen ausgesprochenen Sympathien für die Wiederherstellung Polens bis aufs höchste gesteigert wird – unmöglich geworden, Galizien in seinen bisherigen Verhältnissen zur Monarchie zu erhalten. Ein Aufgebot der Bauern gegen die revolutionären Adeligen würde nur die Szenen von 18464 erneuern und die österreichische Herrschaft doch nicht bleibend befestigen.

Graf Stadion glaubt demnach, man habe nur die Wahl zwischen zwei Wegen: entweder Galizien ganz aufzugeben, die Armee herauszuziehen und es seinem Schicksale zu überlassen, wodurch das Land zu einem Schlachtfeld zwischen Bauern und Edelleuten und am Ende Rußlands Beute werden würde, oder aber sich dort eine nationale Regierung unter österreichischem Schutze entwickeln zu lassen. Der Gouverneur erachtet sich schon aus Menschlichkeitsrücksichten für die letztere Alternative erklären zu sollen, bemerkt aber, daß, nachdem seine Macht als Landeschef gebrochen sei, er dort nicht mehr wirken könne, daher die oberste Zivilgewalt in die Hand des dermaligen Vizepräsidenten Grafen Gołuchowski5 als Hofkommissär zu legen und die oberste Militärgewalt einem völlig verläßlichen, klugen und energischen Militärkommandanten anzuvertrauen wäre.

Das hierauf verlesene Gutachten des Hofrates v. Zaleski6 stimmte mit den Anträgen des Grafen Stadion überein.

|| S. 79 PDF || Der Minister des Inneren glaubte, man müsse, um den Vorschlag des Grafen Stadion gehörig zu würdigen, die Wirkungen der Einführung einer sogenannten nationalen Administration in Galizien wohl ins Auge fassen. Es hieße die ganze Macht in die Hände der exaltiertesten Partei geben, ihr die freie Verfügung über das Militär und die lf. Kassen und den ganzen administrativen Organismus der Provinz einzuräumen, und es sei mit Gewißheit vorauszusehen, daß die gedachte Partei sich beeilen werde, alle diese Kräfte zu einem Angriffe gegen Rußland in Bewegung zu setzen. Zu einem so äußersten Schritte könnten [sic] Österreich aber nur durch die äußerste Notwendigkeit gezwungen werden und eine solche sei noch nicht vorhanden. Nur eine numerisch sehr kleine Partei hege revolutionäre Projekte; durch die Abdikation der österreichischen Regierung würde sie erst ein bedeutendes Übergewicht erhalten, es sei daher angezeigt, unsere Stellung durch alle möglichen Mittel, jedoch mit Ausschluß der sogenannten nationalen Hilfe, zu verstärken und die bäuerliche Bevölkerung in ihrer der Regierung günstigen Stimmung zu erhalten. Es gilt, eine Provinz mit 5 Millionen Einwohnern, dem dritten Teil der deutschen und slawischen Erbstaaten, der Krone zu erhalten. Die österreichische Regierung müsse selbst die Waffen gebrauchen, mit denen man sie angreifen will, und da die Partei des Umsturzes in Galizien die Befreiung von den Urbariallasten als Lockspeise für den Bauern ankündigt, ein Versprechen, dem übrigens der galizische Landmann keinen Glauben schenkt, so gewähre die Regierung im gesetzlichen Wege die Befreiung von der Robot: ihr wird man vertrauen.

Der Finanzminister äußerte hiebei, man könne diese Aufhebung der Robot auch mit dem Versprechen einer Entschädigung von Seite des Staates begleiten. Nach seiner Berechnung würde sich eine solche Entschädigung, deductis deducendis, auf nicht mehr als etwa 1,800.000f. des Jahres belaufen. Ein solches Opfer sei wohl nicht zu groß, wenn man sich dadurch den Besitz einer so wichtigen Provinz wie Galizien erhalten könne – gehe aber das Land dennoch verloren, so erlösche auch für die österreichische Regierung die Pflicht, diese Entschädigung zu leisten7.

Um die materielle Macht der Regierung, welche dort 60.000 Mann Soldaten hält, zu verstärken, schlägt Baron Krauß die schleunige Organisierung von Nationalgarden auf dem flachen Lande, aus Bauern unter der Dressur und Führung von Linienmilitär vor. Mit Sensen bewaffnet, würde eine solche mobile Nationalgarde sehr gute Dienste leisten und außer der Lohnung von etwa 5 kr. täglich für den Mann dem Staate wenig Auslagen verursachen8. Mit dieser Maßregel müßte die Sperrung der von revolutionärem Geist erfüllten Lemberger Universität, das Verbot öffentlicher politischer Versammlungen und die Austreibung der fremden Emissärs in Verbindung gebracht werden.

In Beziehung auf die Ausweisung der fremden Aufwiegler erinnerte der Minister des Äußern, diese Verfügung sei insbesondere in Krakau notwendig, wo, nach neuen Berichten, bei 5000 Individuen, teils polnische Refugiés, teils französische und deutsche || S. 80 PDF || Anarchisten, angekommen seien und täglich noch zahlreiche Abteilungen solcher Leute mittelst der preußischen Eisenbahnen anlangen9.

Es wurde hierauf beschlossen, daß, um die Stellung des Generals Graf Castiglione in Krakau zu verstärken und um ihm die Mittel zu gewähren, diese Masse von Fremden wegzuschaffen, noch zwei Regimenter nach Krakau zu verlegen wären10.

Der Minister des Inneren las hierauf die von ihm entworfene Instruktion über das Benehmen vor, welches der Gouverneur Graf Stadion dermal einzuhalten habe11, und worin auch die von dem Finanzminister gegebenen Andeutungen berücksichtigt werden, andererseits aber ausgesprochen ist, daß die Servituten von der Robotaufhebung nicht berührt werden sollen, weil bezüglich der Servituten eigentümliche Verhältnisse bestehen, welche ohne besondere Vorsichten und Bestimmungen nicht aufgehoben werden können.

Der Ministerrat erteilte dieser Instruktion sowie der darin enthaltenen Ermächtigung für Graf Stadion, die ihm nötig scheinenden exzeptionellen Maßregeln zu treffen, seine volle Zustimmung.

Diese Instruktion wird noch heute mittelst des Gubernialsekretärs Baron Metzburg an Graf Stadion expediert und binnen der nächsten Tage ihm über die Organisierung der Nationalgarde eine nähere Belehrung mitgeteilt werden12.

II. Ratstitel an Carl Camberfort

Der Justizminister trug unter Vorlegung eines au. Vortrages auf die Ag. Verleihung des k.k. Ratstitels an den pensionierten Expeditsdirektor des obderennsischen Stadt- und Landrechts, Karl Cambefort13, an. Der Ministerrat trat diesem Antrage einstimmig bei14.

III. Jährliche Aushilfe an Martin Klucznik

Ebenso wurde dem weiteren Antrage des Justizministers wegen Verleihung einer jährlichen Aushilfe von 100f. an den Samborer Strafgerichtsakzessisten, Martin Klucznik15, beigestimmt16.

IV. Jährliche Gnadengabe an Johann Jaworski

Gegen den schließlichen Antrag des Justizministers wegen Verleihung einer jährlichen Gnadengabe von 48f. an den Landrechtskanzlistenwaisen Johann Jaworski bis zur Herstellung von seinem epileptischen Übel17 ergab sich ebenfalls von keiner Seite eine Erinnerung18.

Die den vorstehenden Beschlüssen des Ministerrates zu V, VI und VII entsprechenden Resolutionsentwürfe werden ehrerbietigst der Ah. Schlußfassung unterzogen.

[Wien,] am 18. April 1848. Ficquelmont. Ges. 18. April. Franz Karl. Vidi. [Ah. E.] Ferdinand. Wien, den 19. April 1848.