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Nr. 10 Ministerrat, Wien, 11. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Taaffe, Pillersdorf, Krauß, Sommaruga, Zanini; BdE. Ficquelmont (12. 4.), Franz Karl (12. 4.).

MRZ. 138 – KZ. –

Protokoll der Ministerratsversammlung vom 11. April 1848.

I. Versetzung der 2. Bataillone der kroatisch-slawonisch-banater Grenzregimenter nach Innerösterreich

Der Kriegsminister brachte folgende Gegenstände zur Sprache: den Antrag, auch die zweiten Bataillons der kroatisch-slawonisch-banatischen Grenzregimenter nach Innerösterreich absenden zu dürfen, da wir auf dem Punkte angelangt sind, wo wir es als möglich ansehen müssen, daß wir von Seite von Friaul und in Tirol die deutschen Länder gegen italienische Angriffe zu verteidigen haben werden. Außer diesem Gesichtspunkte der notwendigen Vorsicht spricht für diese Absendung auch der Umstand, daß bei den neuesten Bestrebungen Ungarns, die Militärgrenze in seinen Verband zu ziehen1, man nicht wissen kann, wie lang man noch über die Grenztruppen wird frei disponieren können. Es ist eine Tatsache, daß die Grenzer außerordentlich bearbeitet werden, sich Ungarn anzuschließen, um an seinen Freiheiten teilzunehmen.

Der Kriegsminister erbat sich die Zustimmung des Ministerrates, schon vorläufig in der angetragenen Art vorzugehen, wogegen nichts erinnert wurde. Eine bedeutende Mehrauslage wird dadurch nicht verursacht, weil diese Bataillons bereits in der Verpflegung des Ärars stehen.

Ew. Majestät dürften sich sonach bestimmt finden, dem Kriegsminister die schriftliche Bedeckung hierüber zu erteilen2.

II. Ernennung GM. Anton Freiherrn Csorich v. Monte-Cretos zum Feldmarschalleutnant und Divisionär in Wien

Die Besetzung der durch die Ah. Ernennung des FML. Grafen Wrbna zum Militärkommandanten in Linz erledigten Divisionskommandantenstelle in Wien3, für welche der Kriegsminister mit Reservierung des Ranges für die älteren vor ihm stehenden Generalmajors den Generalmajor und Festungskommandanten zu Salzburg Baron Csorich mit dem Beisatze anträgt, daß er gleichzeitig zum Feldmarschalleutnant Ag. ernannt werden dürfte. Csorich erscheint für den hiesigen Platz vorzüglich geeignet; er ist besonnen, klug, eifrig und versehnlich.

Gegen diesen Antrag fand der Ministerrat nichts zu erinnern4.

III. Geldanweisung für die k. k. Truppen in Ungarn

Zeigt der Kriegsminister Ew. Majestät an, daß die k. k. Finanzverwaltung eine jede Geldanweisung für die in Ungarn befindlichen Truppen und Militärkörper vom Monate Mai d.J. an aus dem Grunde verweigert, weil das Königreich Ungarn den Verband mit dem Zentralstaate in finanzieller Beziehung aufgelöst habe und auch keine Einzahlungen mehr in die k. k. Kassen leiste. Auf eine regelmäßige Kontributionseinzahlung sei dortlandes unter den gegenwärtigen Wirren gleichfalls nicht zu denken5.

Der Ministerrat erachtet, daß die Regierung hier auf der Linie des Rechtes zu verbleiben und, auf die Loyauté Ungarns vertrauend, vor allem das Land zur Zahlung der laufenden Kontribution sowohl als der Rückstände daran aus früheren Jahren aufzufordern habe. Geht nicht so viel ein, als für die Truppenverpflegung erfordert wird, so müsse die Kammer die Zahlung alles Fehlenden übernehmen, weil die Truppen nicht ohne Verpflegung bleiben können.

Um zu diesem Ziele zu gelangen, dürften Ew. Majestät sich bewogen finden, den Herrn Erzherzog Reichspalatin durch ein Kabinettschreiben aufzufordern, über dieses zur Ah. Kenntnis gelangte Verhältnis der Ah. deutschen Finanzverwaltung zu dem Königreiche Ungarn sich zu äußern, zugleich aber dahin zu wirken, daß sowohl die laufende Militärkontribution als auch die daran aushaftenden Rückstände aus früheren Jahren behufs der Verpflegung der Truppen in die Militärkassen genau eingezahlt werden. Auch hätte derselbe das diesfällige Einschreiten des unter einem hierzu angewiesenen Finanzministers Freiherrn v. Krauß bei dem ungarischen Minister Fürsten Esterházy kräftig zu unterstützen6.

IV. Änderung im Armeereglement

Bitte um die Ah. Genehmigung, die bestehenden Armeereglements in dem Punkte abändern zu dürfen, daß die Korporals und die mit denselben äquiparierenden Chargen vor jedem Höheren statt mit dem Pronomen „Er“ mit „Sie“ angeredet werden und die Stöcke und Röhre der Unteroffiziere aufhören, Ehrenzeichen dieser Chargen zu sein, – und da nach Ablegung der Stöcke zwischen den Unteroffizieren der Grenadiere, der Jäger und der deutschen Kavallerie kein äußeres Abzeichen bestünde, so wäre dafür eine Auszeichnung durch Litzen von weißem Wollstoffe am Kragen bei der Infanterie und durch gewisse Helmverzierungen bei der Kavallerie einzuführen.

|| S. 57 PDF || Dieser Antrag wird gemacht, um einer baldigen diesfälligen Forderung zuvorzukommen, ferner weil das, was hier angetragen wird, bei allen deutschen Armeen bereits besteht und weil diese Änderung einen sehr guten Einfluß und moralische Wirkung auf die Armee machen würde.

Die Aufhebung der Stockstrafe, welche in dem Gesetze gegründet ist, wird damit dermal nicht in Verbindung gebracht, sich aber dieser Antrag vorbehalten, wenn einmal die Stellung zum Militär durch das Los bestimmt und die Kapitulationszeit abgekürzt sein wird. Der Ministerrat hat sich mit diesem Antrage vollkommen vereinigt7.

V. Verstärkung der ständischen Körperschaften

Der Minister des Inneren erinnerte, daß nach den letzten Ereignissen die böhmischen Stände aufgefordert worden seien, sich mit Zuziehung der bis jetzt nicht vertretenen Elemente des Volkes behufs ihrer bevorstehenden wichtigen Beratungen zu verstärken8. Dieselben haben es getan und die Art der von ihnen veranlaßten Verstärkung durch den Druck bekannt gemacht9.

Die Stände der übrigen Provinzen, besonders die niederösterreichischen, wünschen nun eine gleiche Verstärkung ihres Körpers einzuleiten10.

Da füglich dem einen nicht verweigert werden kann, was dem anderen bewilliget worden ist, so glaubt der Minister des Inneren sich die Zustimmung des Ministerrates erbitten zu sollen, in diesem Sinne bei dem Ansuchen der Stände vorzugehen, welche Zustimmung für diesen in der Billigkeit gegründeten Vorgang ohne Anstand gegeben wurde11.

VI. Die „Constitutionelle Donau-Zeitung“ als Regierungsorgan

Ferner brachte der Minister des Inneren zur Sprache, daß es für die Regierung unter den gegenwärtigen Verhältnissen dringend notwendig geworden sei, ein eigenes Organ für die Einwirkung auf die öffentliche Meinung zu besitzen12. Die Wahl einer || S. 58 PDF || geeigneten Person hierzu sei sehr wichtig. Dem Minister des Inneren seien mehrere Personen genannt worden, insbesondere der Redakteur der Constitutionellen Donau-Zeitung13 Hock14, auf welchen auch der provisorische Ministerpräsident Graf v. Kolowrat hingedeutet hat. Mit diesem habe Baron Pillersdorf den Gegenstand besprochen, und Hock erklärte nun nach verstrichener Bedenkzeit, die Parteistellung so lange einnehmen zu wollen, als die Regierungsmaßregeln mit seinen Grundsätzen und seinem der Constitutionellen Donau-Zeitung vorausgeschickten Programm nicht in Widerspruch geraten.

Die von ihm gestellten Bedingungen sind in der Wesenheit folgende: a) Dem Redakteur als dem Vertrauten des Ministeriums eine nicht unehrenvolle Stellung bei einem Ministerium, dann eine Zulage von 2000f. zu gewähren, insofern er diesen Vorteil nicht schon aus dem Journale selbst zieht, b) einen Beitrag zu den Kosten des Redaktionsbüros von jährlichen 3000f. zu leisten, c) dem Redakteur alle Journale des Ministeriums zu Gebote zu stellen und d) den Zeitungsstempel vorzumerken statt zu zahlen. Da Hock eine ehrenvolle Anstellung bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen bereits innehat15 und er auf die Vormerkung des Zeitungsstempels nach der ihm bemerkten Unzukömmlichkeit, welche damit verbunden wäre, nicht weiter insistiere, so entfallen diese beiden Punkte. Die übrigen Bedingungen findet der Minister des Inneren und mit ihm der Ministerrat zur Annahme geeignet.

Die entfallenden Zahlungen wären als geheime Auslagen zu betrachten. Die sämtlichen Minister hätten sich nun dieses Organes zu ihren Zwecken zu bedienen.

Eine schriftliche Antwort über dieses Übereinkommen wäre dem Hock in der Art, wie er sie entworfen, nicht zu erteilen und überhaupt nicht zu gestatten, daß eine Publikation darüber in der Zeitung erscheine. Durch eine solche Publikation würde diese Zeitung formell und offen als eine Regierungszeitung dargestellt, was die große Unzukömmlichkeit, daß alles, was darin vorkommt, wenn es auch ohne oder gegen den Willen der Regierung geschieht, als mit ihrer Billigung erschienen betrachtet werden würde. Mündlich kann Hock von der eingegangenen Verbindung reden so viel er will16. Die nebenstehenden Erledigungsentwürfe dürften den obigen Erörterung[en] und Anträgen entsprechen.

Ges. 12. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 12. April 1848